Inhalt
Simon, ein Kunstauktionator, verbündet sich mit einer Bande von Kriminellen, um ein millionenschweres Kunstwerk zu stehlen. Nachem der bei dem Raub einen Schlag auf den Kopf erlitten hat, entdeckt er nach dem Aufwachen, dass er sich nicht daran erinnern kann, wo er das Gemälde versteckt hat. Als Drohungen und Folter ohne Erfolg bleiben, heuert der Anführer der Bande eine Hypno-Therapeutin an, um in den dunkelsten Untiefen von Simons Psyche zu wühlen. Als sie tiefer in sein angeschlagenes Unterbewusstsein eindringt, wird das Spiel immer gefährlicher, und die Grenzen zwischen Begehren, Realität und hypnotischer Suggestion verwischen.
Kritik
Die Handschrift eines Regisseurs ist manchmal so klar, wie die gewalttätige Klaue eines Quentin Tarantino oder die fantastischen Ausflüge des Tim Burton, und manchmal doch so verschieden, wie etwa Steven Soderbergh in seinen Themenmodulationen. Einordnen lässt sich Regisseur Danny Boyle schwieriger, doch sein Duktus der Bildkomposition ist allgegenwärtig. Besonders in seinen letzten Werken hantiert der inzwischen 56 jährige Oscarpreisträger eindrucksvoll mit Farben, Szenenaufbau, Kamerawinkeln und -einstellungen und lässt seinen Handlungsraum immer wieder auf das Neue Wandlungen erfahren. Mit „Trance“ meldet sich Boyle nach seinen erfolgreichen letzten Werken zurück und nimmt uns als Zuschauer mit auf eine beeindruckende Reise zwischen Erinnerung, Traum, Wahrnehmung und Realität. Der Titel lässt vermuten, dass sich die Dinge nicht immer bei vollem Bewusstsein abspielen werden. Ein Schlag gegen den Kopf verändert dann alles: Simon (James McAvoy) erwacht im Krankenhaus und kann sich an nichts erinnern. Auch nicht daran, dass er eigentlich zuvor ein wertvolles Gemälde gestohlen hat, welches er dem zwielichtigen Sammler Franck (Vincent Cassel) übergeben sollte. Doch dieser hält nicht viel von Simons Amnesie und beauftragt die Psychologin Elizabeth (Rosario Dawson) seinem Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen. Via Hypnose beginnen Grenzen zu verschwimmen, das Unterbewusstsein die Realität zu beherrschen und der Strudel der Wirrungen an Fahrt aufzunehmen. Dass man als Zuschauer dann auch noch kaum die Chance hat, dem Spektakel nüchtern gegenüberzustehen, ist von großem Vorteil. „Trance“ beginnt mit einem der eindrucksvollsten Raubszenarios seit langem. Im Rhythmus des immer stimmigen Soundtracks von Rick Smith wird ein Gemälderaub inszeniert und von einem Voice-over von James McAvoy begleitet. Wenn dieser dann während seinen Erläuterungen den Zuschauer durch die Kamera auch noch direkt ansieht und ins Geschehen einbindet, ist es nicht mehr möglich, eine Außenposition einzunehmen. Von diesem Zeitpunkt beherrscht die Verwirrung sowohl die Handlung und die Filmfiguren, als auch das Kinopublikum. Danny Boyle wurde vorgeworfen, mit der Inszenierung des Themas der Hypnose 20 Jahre zu spät zu kommen. Mag vielleicht in Bezug auf die Bedeutung des Themas der These ein Wahrheitsgehalt inhärent sein, ist der Vorwurf absolut ungerechtfertigt. Beeindrucken tut nicht der Handlungsgegenstand, sondern das Drama drumherum, die Aufmachung der Plots und Twists, sowie seine Hauptdarsteller. Die Story ist wild: Es geht um Sex, Folter, Mord und Raub. Doch es ist der Moment, wenn sich Liebe offenbart, der quasi mind-blowing ist. Zugegeben, man muss sich bis dato auf die Geschichte eingelassen haben. Wer am Wahrheitsgehalt zweifelt oder die Realität auf der Strecke vermisst, wird wohlmöglich am Ende enttäuscht werden. Wer sich aber schon zu Beginn von James McAvoys Stimme hat leiten lassen, wird nicht nur mindestens einmal überrascht, sondern für sämtlichen Wirrwarr belohnt. Das Ende bringt die Erlösung, doch es ist nicht die finale Salbung. Vielmehr fügt sich der Clou des Films in die gesamte Rahmenhandlung zwar ein, ist aber ebenso spannungsgeladen und inszenatorisch großartig wie der Rest des Films. Das Bild, welches sich in „Trance“ entfaltet, ist selbst im Chaos klar strukturiert, modern und bestimmend. Oftmals herrscht ein Farbton vor, in dem sich die Emotion des Augenblicks der jeweiligen Szene widerspiegelt. Wer Sherlock spielt und in „Inception“ gut aufgepasst hat, dürfte mit ein paar Gedankenspielchen zum Film und seiner Mise-en-scène großen Spaß haben, wenn es darum geht, das Unterbewusstsein schon vor dem Clou zu deuten und der eigentlichen Wahrheit auf die Spur zu kommen. Derjenige, welcher sich lieber vom Geschehen und seinen Figuren leiten lässt, wird indes nicht enttäuscht. In dem faszinierenden Ménage-à-trois zwischen James McAvoy, Vincent Cassel und Rosario Dawson wird das schauspielerische Potenzial voll ausgeschöpft. Rosario Dawson mimt die anmutige, schöne Psychologin, die ihre eigenen Interessen im Rätsel um das Gemälde zu verfolgen scheint. Ohne Scham präsentiert sie dem Zuschauer vollständig ihren nackten Körper, vermeidet aber durch schauspielerisches Können zugleich, auf äußere Reize und Gründe der Präsenz degradiert zu werden. Vincent Cassel hat die Rolle des ambivalenten, aber immer charismatischen Bösen nicht zuletzt seit seinem Nachtfuchs-Auftritt in „Oceans Twelve“ verinnerlicht. Wie ein junger Pate, mit Hang zum Cholerischen, spielt er anmutig zwischen Gier, Verrat und Vertrauen. Krönend bleibt dann nur noch James McAvoy, der in Hollywood immer mehr zum Ausnahmetalent avanciert. Seine Darbietung ist absolut fesselnd, imposant und nachhaltig. Nach dem Verlassen des Kinosaals vermisst man nicht nur seinen britischen Akzent, sondern auch die Gewalt und Wut, hinter der Fassade des Naiven, mit denen er bemerkenswert hantiert.
Fazit
Danny Boyle beweist erneut sein Talent der ungewöhnlichen Darstellung. „Trance“ ist ein in höchster Weise idealer Thriller, der einen durchgehend an den Kinosessel bindet. In der Mischung aus passendem Soundtrack, hochwertiger Bildinszenierung, spannender Story und fabelhaften Darstellern erscheint „Trance“ als rundum gelungen.
Autor: Philipp Schleinig