MB-Kritik

Der Geschmack der kleinen Dinge 2022

Comedy, Drama

Gérard Depardieu
Kyōzō Nagatsuka
Pierre Richard
Rod Paradot
Sandrine Bonnaire
Eriko Takeda
Akira Emoto
Bastien Bouillon
Zinedine Soualem
Sumire
Kyoko Koizumi
Antoine Duléry
Francis Ressort
YOU
Mame Yamada
Misuzu Hiratsuka

Inhalt

Gabriel Carvin (Gérard Depardieu), der berühmteste Chefkoch Frankreichs und Feinschmecker mit Leib und Seele, hat keinen Appetit mehr aufs Leben.  Jahrelang hat Gabriel seine gelegentliche Traurigkeit mit diversen Delikatessen bezwungen. Erst als er nach einem Herzinfarkt selbst unter dem Filetiermesser landet, nimmt der korpulente Küchenprofi sein Leben endlich in die Hand. Er reist nach Japan, um einen ehemaligen Koch-Kontrahenten ausfindig zu machen und hinter das Geheimnis des Umami, einer mysteriösen fünften Geschmacksnote zu kommen. 

Kritik

Der Kontrast zwischen dem ebenso redseligen wie nichtssagenden deutschen Verleih-Titel, der nach einer beliebigen Kreuzung zwischen Der Gott der kleinen Dinge und Der Geschmack von Apfelkernen klingt, und dem knappen, prägnanten Originaltitel steht programmatisch für die Diskrepanz zwischen Ambition und Resultat Slony Sows (Parisiennes) zweiten Spielfilms. Dessen schale Story ist im Grund eine Foodie-Variation des Kinodebüts des Drehbuchautors und Regisseurs, der die Ähnlichkeiten der unausgewogenen Handlung mit einer Unzahl atmosphärischer und psychologischer Zusätze zu überdecken versucht. 

Das macht die einfallsarme Inszenierung so behäbig wie den Hauptcharakter, den Gérard Depardieu (Maigret) als ironisch angehauchte Interpretation seiner selbst anlegt. Die persönlichen Probleme und gesundheitlichen Gefahren, mit denen sich Sternekoch Gabriel Carvin fast zwei Filmstunden lang plagt, versinken im Schatten eines noch massigeren Egos. Dessen Besitzer interessiert sich augenscheinlich mehr für die kulinarischen Köstlichkeiten, die der Held in Japan während seiner Suche nach der titelgebende Geschmacksrichtung - und natürlich der dadurch versinnbildlichten neuen Lebensrichtung - serviert werden.

Diese verspätete Entdeckung einer neuen Küchen-Philosophie begleiten gleich drei jeweils in sich verschachtelte Nebenerzählungen um die Familienkrisen des Protagonisten, seines früherem Konkurrenten Tetsuichi Morira (Kyozo Nagatsuka, Okoge) sowie des als Erzähler fungierenden japanischen Geschäftsmanns (Akira Emoto, Shoplifters). Die vorhersehbare Auflösung in Wohlgefallen verlangt, dass die weiblichen Figuren wie Carvins Gattin Louise (Sandrine Bonnaire, Das Ereignis) oder Tetsuichis suizidale Enkelin Mai (Sumire Matsubara) berechtigte Gefühle von Ausweglosigkeit und Frustration unterdrücken, damit die Männer weiter in Ruhe ihr Süppchen kochen können.

Fazit

Mit derbem Humor, der sich vorwiegend aus eurozentrischer Herablassung gegenüber fremden Kulturen und konservativer Arroganz gegenüber zeitgemäßen Entwicklungen speist, glasiert Slony Sow eine abgeschmackte Versöhnlichkeitsbotschaft. Die verklärt einmal mehr Heuchelei zu Harmonie, Traditionalismus zu Tatkraft und Klassenprivilegien zu Können. Eine Überzahl Figuren, Konflikte und Handlungsstränge überfrachtet den unausgegorenen Genre-Mix aufgewärmter dramaturgischer Reste. Einzig die soliden Darstellerinnen überzeugen in Nebenrollen, deren Geschichten weit interessanter scheinen als Gérard Depardieus‘ pompöse Pilgerfahrt zu einer seit Jahrzehnten weltbekannten „Neuheit“.

Autor: Lida Bach
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