Inhalt
Michael Douglas ist zurück als betrügerischer Finanz-Jongleur Gordon Gekko, einer der berüchtigsten Betrüger der Filmgeschichte. Nach dem Ende seiner langjährigen Haftstrafe stellt Gekko fest, dass er nicht mehr Teil der Wall Street Welt ist, die er einst dominierte. Um die kaputte Beziehung zu seiner Tochter Winnie zu kitten, verbündet er sich mit deren Verlobten Jacob, einem jungen Investment Banker. Dieser beginnt in Gordon Gekko eine Art Vaterfigur zu sehen. Aber Jacob muss schon bald auf schmerzliche Weise lernen, dass Gekko immer noch ein Meister der Manipulation und keineswegs gewillt ist, seinem früheren Lebenswandel abzuschwören...
Kritik
Schwierig zu sagen, ob Oliver Stone („Platoon“) eher ein hervorragender Filmemacher ist respektive war oder doch eher ein begnadeter Marionettenspieler, der genau wusste, welche Strippen er zu welcher Zeit bedienen musste, um die von ihm erhoffte Resonanz bei Medien und Publikum zu erzielen. Vielleicht aber schließen sich diese beiden Segmente überhaupt nicht aus. Vielleicht ist Oliver Stone GERADE durch sein fingerfertiges Spiel auf der moralischen Manipulationsklaviatur ein herausragender Filmemacher. Was allerdings ein Fakt ist: Der Mann hat seine schöpferische Sprengkraft verloren, er hat nicht mehr den Dampf, die zügellose Kraft, den Zuschauer aufzurütteln, in dem er ihm – gerne auch durch seinen Hang zum Thesenhaften – vor den Kopf gestoßen hat. Nachdem „Alexander“ (2004), „World Trade Center“ (2006) und „W – Ein missverstandenes Leben“ (2008) nicht den Ertrag einbrachten, den man sich mit diesen durch und durch prestigeträchtigen Projekten versprochen hatte, griff Oliver Stone 2010 eines der kommerziellen Flaggschiffen seiner Karriere wieder auf.
Mit „Wall Street: Geld schläft nicht“ spendierte er seinem Klassiker aus den 1980er Jahren eine Fortsetzung. Ob es das benötigt hätte, lässt sich wohl mühelos beantworten, allerdings bietet das Thema rundum den amerikanischen Finanzmarkt natürlich kreative Anlaufstelle genug, um es immer und immer wieder zu behandeln. Wie entbehrlich „Wall Street: Geld schläft nicht“ grundsätzlich ist, mal außen vor gelassen, hat Oliver Stone hiermit allerdings einen Film abliefert, der alte Sternstunden partiell aufleben lässt, die Qualität jedoch nicht über die gesamte Laufzeit auszudehnen versteht – da macht sich die Altersmilde des Regisseurs und Drehbuchautoren dann doch bemerkt. Aber erst einmal auf Anfang. Wir erinnern uns an das Original, an Gordon Gekko (Michael Douglas, „Ant-Man“) und sein ikonisches „Gier ist gut“-Bonmot; an den unbescholtenen Bud Fox (Charlie Sheen, „Two and a Half Men“), der von den kapitalistischen Mühlen des Wall-Street-Systems in seinen Grundfesten erschüttert wurde, um sein wahres Ich in einem Abgrund wiederzuentdecken.
In „Wall Street: Geld schläft nicht“ hat Gordon Gekko 2001 gerade eine achtjährige Gefängnisstrafe hinter sich gebracht, um dann im Jahre 2008 wieder Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, hat er doch ein Buch darüber veröffentlicht, in dem er sich der Frage widmet, ob Gier wirklich gut ist oder die aus der Gier resultierenden Kreditleistungen eine ganz andere Sache sind – Massenvernichtungswaffen. Michael Douglas hat in der Rolle des Gordon Gekko nichts von seiner markigen Erscheinung eingebüßt, und sein Monolog zu Beginn kann zwar nicht an den anknüpfen, den er noch in „Wall Street“ geschmettert hat, trotzdem gibt er hier in Windeseile eine Idee davon, mit welch hellem Köpfchen wir es bei Gordon Gekko weiterhin zu tun bekommen. Einem Köpfchen, welches auch zur Läuterung befähigt scheint. In der Hauptrolle steht indes eine andere Figur: Der aufstrebende Investmentbanker Jacob (Shia LaBeouf, „Herz aus Stahl“), bei dem man, so sein Mentor Louis Zabel (Frank Langella, „Die neun Pforten“), den Hunger auf mehr förmlich riecht.
Die Wall Street ist hier weiterhin ein abstrakt-enigmatisierter Schaltkomplex aus Chiffren und Fragezeichen. Telefonkabel spannen sich quer durch die Großraumbüros, Menschen schreien in die Hörer, obskure Zahlenreihen und Stastiken blinken auf, überlagern sich gegenseitig, während sich die Kurven der Wall-Street-Kurse in Überblenden in die Skyline New Yorks einpflegen: Die Metropole im Klammergriff des Kapitalismus, alles scheint auf diesen abgestimmt und dementsprechend neu eingerahmt. Es geht nur noch um das Verkaufen, das Halten, das Erzwingen von Profit. Dass „Wall Street: Geld schläft nicht“ im Jahre 2008 angesiedelt ist, hat natürlich seinen Grund. Die Finanzkrise kommt mit großen Schritten angebraust und hatte in ihrer Vehemenz sogar die Kraft, die Weltwirtschaft zum Kollabieren zu bringen (der oscarprämierte „The Big Short“ behandelt dieses Sujet momentan sehr spritzig). Oliver Stone aber scheint zu wissen, dass er zum Thema Investmentbanking, Börsenspekulation, Wirtschaftskriminalität, Finanzierung, Refinanzierung und Fremdfinanzierung bereits im ersten Teil alles gesagt hat und sucht deshalb den Knotenpunkt zwischen dem hiesigen Heuschreckenkapitalismus und dessen gewaltvollen Einmarsch in das Private.
Die Wall Street ist eine Brutstätte für Freudlosigkeit. Sie entbindet die Spekulation, die Wurzel des Bösen, und erklärt sich bösartig und global wie Krebs dazu, den systematischen Bankrott in einem Teufelskreis aus Banken, Tradern und Verbrauchern zu feiern. Gordon Gekko, dieser Prophet des wirtschaftlichen Niedergangs, ist sich im Klaren darüber und er versucht dies, aus Rachemotiven, für sich und seinen Schwiegersohn in spe, Jacob, zu nutzen, um sich einen Platz in der zerrütteten Familie zurückzukaufen – und das ist der Moment, in dem Stone wirklich gallig auf die Kraft des Mammon zu blicken scheint. Mit seiner Tochter Winnie (Carey Mulligan, „Drive“) hat sich Gekko schon vor langer Zeit überworfen, was „Wall Street: Geld schläft nicht“ auch zu einer, mal mehr, mal weniger, phlegmatisch erzählten Familiengeschichte macht, an dessen Ende jedoch die Menschlichkeit im gealterten Antlitz Gekkos thront. Der hat nämlich verstanden, dass auch in ihm ein Mensch steckt und kein alle Zeiten überdauerndes Prinzip. Nicht mehr das Geld ist hier das wertvollste Gut, sondern die Zeit.
Fazit
Natürlich reicht „Wall Street: Geld schläft nicht“ nicht an das Original heran. Ihm fehlt offenkundig die Energie dazu, hat mit Shia Labeouf einen zu harmlosen Milchbubi in der Hauptrollen und bringt die Verknüpfung von Heuschreckenkapitalismus und Privatsphäre ein ums andere Mal zu phlegmatisch zum Ausdruck. Und doch steckt irgendwo in „Wall Street: Geld schläft nicht“ ein guter, ein hoffnungsvoller Film, der sich über das Geld hinauszusetzen versucht, um aufzuzeigen, dass die Zeit das höchste Gut ist – und man diese vor allem nutzen sollte, bevor sie abgelaufen ist.
Autor: Pascal Reis