Inhalt
Bud Fox, ein strebsamer, junger Börsenmakler, will das schnelle Geld machen. Nachdem er den skrupellosen, millionenschweren Spekulanten Gordon Gekko kennenlernt, scheint ein Traum in Erfüllung zu gehen. Aber dieser Traum hat seinen Preis. Durch Gekko wird Bud in einen Strudel krimineller Machenschaften gezogen. Als Gekko jedoch die Fluglinie, bei der Buds Vater beschäftigt ist, zu ruinieren droht, erkennt er seinen Irrtum. Es ist die Stunde der Entscheidung von Gier gegen Gewissen.
Kritik
Oliver Stone war in seinen gesellschafts- wie politkritischen Filmen nie der Regisseur, der für eine fortwährend sensible Subtilität im Umgang mit seinen Themen einstand und dabei genauso wenig mit einer nüchternen Auseinandersetzung kokettierte. Oliver Stone griff gerne zum pragmatischen Holzhammer und hat die anvisierten Brennpunkte reichlich bissig und ohne jede Umschweife lautstark gestürmt. Das hat nicht immer für Jubelchöre gesorgt und die unverkennbare Polemik Stones hat auch ein ums andere Mal den filmischen wie thematischen Bogen überspannt, so dass die abschließende Bewertung ein achtenswertes Grundkonzept berücksichtigen durfte, das Endergebnis dennoch als gescheitertes Projekt festhalten sollte. Und dennoch muss man Oliver Stone für sein permanentes Engagement, die weitreichenden Problemfelder innerhalb amerikanischer Systemzonen zu kritisieren, nach wie vor loben, auch wenn ihm wiederholt der rhetorische wie inszenatorische Feinsinn verloren geht, der einen mehr als gelungenen Film schließlich auf den ehrenwerten Status eines Meisterwerks hieven könnte.
Der Moralist Oliver Stone ist immerhin ein Filmemacher, der noch etwas zu sagen hat und keinesfalls die öffentliche Missachtung scheut. Vor allem dann nicht, wenn ihm dadurch Meisterwerke wie „Platoon“ (1986) oder ganz besonders „John F. Kennedy – Tatort Dallas“ (1991) gelingen, ganz egal ob die Presse wutentbrannte Hasstirade in seine Richtung feuert und ihm eine gesunde Ratio aberkennen möchte. Nein, Stone hat oft genug Recht mit seinen cineastischen Anprangerungen, die natürlich nicht nur im Kino so vom gebürtigen New Yorker vertreten werden, doch wenn sich der Film letztlich einem recht platten Grundtonus geschlagen gibt, dann muss ihm auch das „Besonders wertvoll“-Prädikat weiterhin verwehrt bleiben, gute Absichten hin oder her. Ein Musterbeispiel ist da sein Klassiker „Wall Street“ (1987), der sich dem weltweiten Ruhm natürlich verdient hat, nur tritt hier genau der angesprochene Fall ein, dass es Stone schlussendlich nicht gelingt, etwas wirklich Tiefgreifendes, Mehrwertiges aus der ohne Frage gelungenen Konstellation zu ziehen.
Die Aufblende ist dabei mit der typischen Ironie versehen, wie man sie von Stone in vielen anderen Werken bereits kennengelernt hat: Das Empire State Building wird von Kameramann Robert Richardson zum unzerstörbaren Monument des achtziger Jahre Kapitalismus stilisiert, eine sich dem Himmel entgegenstreckende, knapp 380 Meter hohe Kathedrale. Dazu steigt im Hintergrund langsam die Sonne empor, romantisierend, einladend, ein schönes Leben im Sammelbecken der Maßlosigkeit New York Citys verlautend, während Frank Sinatra genau von diesem Griff zu den Sternen singt. Von diesem Griff träumt auch Protagonist Bud Fox (Charlie Sheen), der nicht mehr nur als mickriger Broker fungieren möchte, sondern endlich mit den Großen spielen will, einem Alphatier wie Gordon Gekko zum Beispiel, eine allseits populäre Legende der Branche, ein gewissenloses Spekulantenmonstrum, charismatisch, aufregend und doch so verlogen in seinen Absichten; hervorragend verkörpert von einem Michael Douglas in schmieriger Hochform.
Bud Fox wird langsam verführt von der dunklen Seite und geht der Kapitalistensau Gekko geradewegs ins Netz, denn dieses Leben, schwimmend im Geld, verlautet Spaß, steht für Frauen, für Macht und Dekadenz. Obgleich Charlie Sheen kein Schauspieler vom Format eines Michael Douglas ist, der ihm in seiner vereinnahmenden Präsenz wirklich Paroli bieten könnte, strahlt Sheen genau diese ambitionierte Blauäugigkeit aus, die sein Charakter für die nötige Glaubwürdigkeit auch gebraucht hat; die es nachvollziehbar macht, warum Gekko hier vorerst leichtes Spiel hatte und ihn ohne viel Aufwand zum eigenen Vorteil instrumentalisieren konnte – Ganz egal, ob Fox dadurch ebenfalls ein gutbemittelter Mann wird, Hauptsache er erlangt nicht seinen Reichtum. Genau in dieser Charakterkombination offenbart „Wall Steet“ seine wahren Stärken, auch wenn jedwede Entwicklungen und Handlungen vorhersehbar bleiben, reflektieren sie doch auch genau die Mentalität, wie sie sich zur Zeit von Präsident Ronald Reagan im Yuppiekonsens ohne viele Ausnahmen abgespielt hat.
Nur hat Gekko seine moralische Instanz schon vor langer Zeit gegen einen üppigen Bündel Banknoten eingetauscht, während Fox, der natürlich eine Art Mentor, ein Vorbild in ihm erkennen möchte, das Gewissen treu bleibt, nicht zuletzt dank der väterlichen Führung, die Fox im Verlauf der Geschichte zu einem treibenden Individuum zwischen den Fronten erklärt. „Wall Street“ stellt daher auch, sollte man sich nicht mit dem Fachjargon der Gefilde auskennen und auch darüber hinaus kein Interesse an Spekulationen, Prozenten, Aktien, Immobilien, Wertpapieren und Investmentanalysen haben, keine großen Verständnisprobleme dar, höchstens die Details könnte ein gewisses Maß an Fachchinesisch aufweisen. „Wall Street“ lebt eher von der Frage nach Moral in einem System, dass sich der unmoralischen Profitgeilheit längst verschrieben hat. Gordon Gekko bringt es bei einer Versammlung von Aktionären auf den Punkt: Gier ist gut. Gier ist wichtig. Doch Gier führt auch früher oder später in den Fundus der Illegalität und lässt den aufstrebenden Bud Fox langsam an der erbarmungslosen Klaue des rücksichtslosen Corporate Raider zweifeln.
Wie gesagt: Grauzonen besitzt „Wall Street“ nahezu keine, vielmehr funktioniert der Film als moralisierende und verurteilende Kritik am amerikanischen Finanzsystem und dem eklatanten Verlust von Werten und Normen. In einer symptomatischen Szene bemerkt Fox schließlich, dass er sich selbst gänzlich aus den Augen verloren hat. „Wer bin ich?“, fragt er sich verwirrt und muss feststellen, dass ihm keine rechte Antwort auf die introspektive Frage einfallen mag, so verzogen und geblendet wurde er von den obsessiven Charakteristiken des Gordon Gekkos, der den Schlüssel zum Erfolg in der Liquidität sieht und die groben Schachzüge am Aktienmarkt als Kriegsführung betrachtet, in der zornige Kontrahenten bis zur Explosion gereizt werden müssen. Ein weiterer Pluspunkt, der „Wall Street“ so wunderbar effektiv erscheinen lässt, ist die Tatsache, dass diese fiktive Geschichte niemals stilistisch verfremdet oder in ihrer eindimensionalen Charakterisierung unglaubwürdig erscheint. Am Ende gilt: Wenn der Mensch in den Abgrund blickt, dann sieht er da eine gähnende Leere. In diesem Moment entdeckt er seinen eigentlichen Charakter. Und genau das ist seine Rettung.
Fazit
Natürlich agiert Oliver Stone hier wenig feinsinnig, von Grauzonen ist „Wall Street“ nahezu gänzlich befreit. Aber Oliver Stone vollbringt es mal wieder, mit viel Energie den Finanzmarkt Amerikas zu durchleuchten. Dass der Film uns außerdem mit Gordon Gekko, kongenial verkörpert von Michael Douglas, einen Charismadämon erschaffen hat, der sich als exaktes Symbol des Kapitalismus verwerten lässt, rechtfertigt den Klassikerstatus von „Wall Street“ selbstredend.
Autor: Pascal Reis