7.3

MB-Kritik

Was heißt hier Ende? Der Filmkritiker Michael Althen 2015

Biography, Documentary – Germany

7.3

Inhalt

Was heißt hier Ende? widmet sich dem Schaffen eines Menschen, der nicht selbst Filme hergestellt, sondern sie bewertet hat: Michael Althen. Der Titel der Doku bezieht sich dabei auf den Fakt, dass ein Kinobesuch nicht mit dem Abspann und dem Verlassen des Lichtspielhauses aufhört – vielmehr fängt dann nähmlich das richtige Nachdenken und Diskutieren darüber an, was der Zuschauer gerade gesehen hat.

Kritik

Man könnte das unvollendete Werk „Le Concert“ des Franzosen Nicolas de Staël, ein Vertreter der informellen Malerei, als leitmotivischen Aufhänger von „Was heißt hier Ende? Der Filmkritiker Michael Althen“ deuten: Die Kraft eines Schaffens liegt nicht in der Vollendung und das unzweifelhaft Unfertige muss es sich keinesfalls gefallen lassen, als Makel diskreditiert zu werden. Auch der renommierte Filmkritiker Michael Althen, der sich von de Staël im höchsten Maße fasziniert zeigte und „Le Concert“ in der hiesigen Exposition als eine „Operation am offenen Herzen“ beschrieb, ist früh verstorben, bereits im Alter von 49 Jahren, während es ihm zu Lebzeiten ein feuriges Bedürfnis war, sich die Filmgeschichte (respektive die Kunstgeschichte) ohne Unterlass einzuverleiben. Dominik Graf („Die geliebten Schwestern“) hat dieser Koryphäe der deutschen Kulturkritik nun ein cineastisches Denkmal errichtet und dieses darüber hinaus als Liebeserklärung an die Möglichkeit des Kinos sowie dessen Rezeption beschildert.

Man merkt es den Kollegen und Filmschaffenden, die hier in Bezug auf Michael Althen zu Wort kommen dürfen, durchaus an: Es schwingt ein nicht unwesentlicher Grad an Wehmut in ihren Erzählungen mit. Michael Althen schließlich war einer der Kritiker, die Filme noch mit jedem einzelnen Sinn wahrgenommen und abgetastet haben; deren Kritiken selbst immer gemeinschaftliche Reisen waren, auf die man sich mit Vorfreude begeben hat. Tom Tykwer („The International“), Christian Petzold („Phoenix“) und auch Wim Wenders („Every Thing Will Be Fine“) sprechen davon, dass es die Filmkritik war, die ihnen die Augen dahingehend geöffnet hat, Filme zu Sehen und sie zu Reflektieren – und Michael Althen gehörte zu den Feuilletonisten, die genau dieses inspirative Vermögen durch seine rhetorische Ausnahmeklasse freizusetzen vermochte. Es scheint heute schier unvorstellbar, dass Filmkritiker einer Komplizenschaft mit den Filmemachern eingehen, wie es noch zur Zeit der Nouvelle-Vague-Bewegung Gang und Gäbe war. Michael Althen jedoch war dazu immer bereit.

„Was heißt hier Ende? Der Filmkritiker Michael Althen“ zehrt von der grundlegenden, unbändigen, offenherzigen Liebe zum Medium, die Michael Althens Reputation seit jeher ausgemacht hat und die Branche so in Entzückung verweilen ließ – ohne dabei auf Filmausschnitte zurückzugreifen. Dominik Graf, ein langjähriger Vertrauter Althens und ebenso bedeutsamer Geist der deutschen Filmlandschaft, setzt auf überlegt gewählte Auszüge von Michael Althens Kritiken oder Nekrologen, die sich nach und nach zu einer sensiblen Spurensuche in der Brechung des Kinos selbst bündeln, um die Frage zu beantworten: Was heißt denn „Ende“ in diesem Kontext nun eigentlich genau? Für Michael Althen jedenfalls hieß ein auslaufenden Abspann, ein sich schließender Vorhang, dass die wahre Tiefe der Kunst erst in diesen Augenblicken beginnen kann, in den Gedankenschächten der Zuschauer, in der die Bewunderung und die Neugierde mit der Deutungsvielfalt des Gesehenen konsequent verschränkt wird. Und wenn diese Ansichten und Eingebungen Anklang finden, muss sich weder Kino noch Kritik um ihre Zukunft fürchten.

Fazit

Dominik Grafs Essayfilm „Was heißt hier Ende? Der Filmkritiker Michael Althen“ verbeugt sich vor der inständigen Filmliebe des renommierten Kritikers Michael Althen. Allerdings ist Dominik Graf nicht nur allein daran interessiert, seinem langjährigen Freund ein aufrichtiges Denkmal zu errichtet, es ist auch eine Hommage an die Kraft und die Vielfalt des Kinos, der man sich niemals verschließen sollte.

Autor: Pascal Reis
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