7.3

MB-Kritik

Was man von hier aus sehen kann 2022

Drama

7.3

Luna Wedler
Corinna Harfouch
Karl Markovics
Peter Schneider
Thorsten Merten
Katja Studt
Rosalie Thomass
Golo Euler
Ava Petsch
Benjamin Radjaipour
Johannes Allmayer
Hansi Jochmann
Florian Kroop
Cosmo Taut
Jasin Challah
Florens Schmidt

Inhalt

Luise (Luna Wedler) ist bei ihrer Großmutter Selma (Corinna Harfouch) in einem abgelegenen Dorf im Westerwald aufgewachsen. Selma hat eine besondere Gabe, denn sie kann den Tod voraussehen. Immer, wenn ihr im Traum ein Okapi erscheint, stirbt am nächsten Tag jemand im Ort. Unklar ist allerdings, wen es treffen wird. Das ganze Dorf hält sich bereit: letzte Vorbereitungen werden getroffen, Geheimnisse enthüllt, Geständnisse gemacht, Liebe erklärt....

Kritik

Der einzige Moment, in dem Aron Lehmanns (Jagdsaison) Dorf-Dramödie eine Spur Wahrhaftigkeit bietet, kommt mit dem entnervten Ausruf der hellsichtigen Hauptfigur (Corinna Harfouch, Zwischen uns): „Jetzt ist aber auch mal Schluss!“ Ist es aber leider noch lange nicht, obwohl das banale bisschen Handlung, dass der Regisseur und Drehbuchautor Mariana Lekys gleichnamiger Romanvorlage entnimmt, da längst auserwählt ist. Immer wenn Luises Oma Selma von einem Okapi träumt, stirbt gleichentags jemand im Ort, was unter den Anwohnenden helle Aufregung auslöst.

Mehr als Briefbekenntnisse oder den Blick einer abergläubischen Herbergsbesitzerin (Hansi Jochmann, Panzer. Macht. Geschichte.) ins Tagebuch des längst verstorbenen Gatten löst die prophetische Gabe allerdings nicht aus. Ähnlich brach liegt das dramaturgische Potenzial des anderen übersinnlichen Elements, mit dem die erwachsene Luise (Luna Wedler, Der Passfälscher) im Gegenwartsteil der auf zwei Zeitebenen verteilten Handlung für Zerstörung und schadenfrohe Lacher sorgen soll. Zwei gleichermaßen überkonstruierte und emotionslose Liebesgeschichten für Jung und Alt untermauern noch das Air repetitive Rührseligkeit und reaktionärer Redundanz. 

Den narrativen Inspirationsmangel spiegeln auf psychologischer Ebene auf ihre Tätigkeit und Ticks reduzierte Figuren. Deren Beziehungen zueinander und Wesensart erklär Luises Hintergrundstimme, als gelte es, dramatische Entwicklung zu ersticken. Hier offenbart die Mischung aus Herzschmerz und Heimatkino ungeniert ihre konservative Borniertheit. Depression wird negiert und als Unfreundlichkeit abgewertet, psychische Erkrankung wird verharmlos und veralbert und der einzige zugewanderte Dorfbewohner ist ein wandelndes Klischee. Die altbackene Moral wirkt da wie eine indirekte Verbrämung der Ignoranz.

Fazit

Basierend auf Mariana Lekys gleichnamigem Roman inszeniert Aron Lehmann eine Phantasie mit Phantastik ersetzende Provinz-Pastorale. Deren krampfhafte Kauzigkeit steckt voll weinerlicher Wehmut nach einem ländlichen Ideal, in dem immer die Sonne schien und der einzige Nicht-Deutsche der Italiener mit Eisdiele war. Zu spielen hat das passable Ensemble nichts aus der zu Naivität verklärten Bigotterie und zu Lebensweisheit überhöhter Apathie. Möchtegern-Magischer-Realismus ohne Zauber und Charme, dafür getränkt in miefigen Kleinbürger-Kitsch und sentimentale Schönfärberei eines dörflichen Damals.

Autor: Lida Bach
Diese Seite verwendet Cookies. Akzeptieren.