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Quelle: themoviedb.org
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Inhalt

Zhili. 150 km von Shanghai entfernt. In dieser Stadt, die ganz der Textilherstellung gewidmet ist, strömen junge Menschen aus allen ländlichen Regionen, durch die der Jangtse-Fluss fließt. Sie sind 20 Jahre alt, schlafen gemeinsam in den Schlafsälen der Werkstätten und essen in den Gängen. Sie flirten, scherzen und zanken sich hinter ihren Nähmaschinen. Sie arbeiten unermüdlich, um sich eines Tages ein Haus kaufen, ein Kind großziehen oder eine eigene Werkstatt aufbauen zu können. Zwischen ihnen werden Freundschaften und Liebesbeziehungen geschlossen und gelöst, je nach Jahreszeit, Konkurs und familiärem Druck.

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Quelle: themoviedb.org

Kritik

Das Donnern einer Nähmaschine ist das Erste, was wir von der Geräuschkulisse Wang Bings (Tie Xi Qu: West of the Tracks) neuer Dokumentation Youth (Spring) vernehmen und werden es die nachfolgenden 212 Minuten noch sehr oft hören. Routiniert, präzise und in rasender Geschwindigkeit rattern die Arbeiter*Innen in Chinas Kleidungskapital Zhili, einem Bezirk etwa 150km von Shanghai entfernt, die Textilfasern durch die Maschinen und scheinen dabei selbst zu Objekten der Massenproduktion geworden zu sein. Zu zeigen, dass dem eben nicht so ist, dass hinter den Nähmaschinen stattdessen Subjekte sind, die in ihrem Arbeitsalltag sitzen, ist die Aufgabe, die sich Wang Bing mit diesem Werk, in dem er erneut von der Arbeit im Kontext der chinesischen Nation und dem Menschen als kleinster Nenner in der Produktion von Massenwaren erzählt, gemacht hat. Wie die meisten Filme von ihm handelt Youth (Spring) als erster von zwei Teilen, bestehend aus Aufnahmen, die er in einem Zeitraum von 2014 bis 2019 filmte, von denen, die in der Selbstpräsentation einer Millionenmetropole verschwinden, von den Alternden (sein Locarno Gewinner Mrs Fang), den vermeintlich „Irren“ (Til Madness Do Us Part) und den Eremiten (Man With No Name) und entwirft dabei einen vielschichtigen und trotz seiner erneut überbordenden Laufzeit zutiefst präzisen Blick auf die Zahnräder des Massenkapitalismus. 

Der Titel seines Filmes besitzt konkrete wie soziologische Ebenen: Jugend ist es hier, die gebraucht wird. Die Arbeiter*Innen, welche aus fast allen Bezirken von China stammen, reichen in ihrem Alter bis 27 Jahre, manche von ihnen sind erst 16, auch wenn man ihnen ihre Jugend nicht immer anmerkt, zu gezeichnet sind sie bereits von dem bedingungslosen Alltag in der Fabrik. Dennoch ist die Dynamik untereinander von einem jugendlichen Leichtsinn geprägt: Sie necken, zanken und liebeleien untereinander, schwärmen vom neuen IPhone als Statusobjekt und spielen in ihren jeweiligen Wohnheimen, in denen die meisten zusammen untergebracht sind, gerne laute Musik. Bei ihren offensiven Aggressionen und sanften Anbändeleien untereinander entsteht fast das Gefühl einer Schulklasse oder gar einer Klassenfahrt, wären die porträtierten Arbeiter*Innen nicht längst gezwungen erwachsen zu sein. Wang Bing greift in das Geschehen nie ein und lässt es stattdessen vollkommen für sich sprechen, seine Kamera zeugt jedoch von einer unverdrängbaren Subjektivität, wenn er mit den dargestellten Subjekten durch die engen, von fluoreszierenden Lichtern beleuchtete, Gänge hastet. „We’re going to be movie stars“ sagt eine Arbeiterin schließlich, als sie gerade auf einem Balkon in der Dämmerung von der Kamera eingefangen wird. Durch das gewohnte Auslassen jeglicher inszenatorischen Mittel erschafft Wang Bing sowohl Immersion, verhindert aber gleichzeitig, dass sein Film zur Anklageschrift für die Bestätigung eines westlichen Schuldkomplexes mutiert. 

Die Arbeiter*Innen sind in jeder Szene autonome Subjekte, denen Bing in einigen Momenten bewusst ihre Privatsphäre lässt, wie etwa in einem Gespräch um die mögliche Abtreibung einer Arbeiterin, welche nur hinter einem aufgehängten Tuch inszeniert wird. Jene Autonomität der Arbeiter*Innen findet seinen markantesten Ausdruck in den scheinbar endlosen Verhandlungen mit ihren Arbeitgebern um Löhne. Das Steigen und Sinken der Nachfrage der Textilprodukte hängt wie ein Damoklesschwert über allen Beteiligten, ein Problem, das in keiner Hinsicht spezifisch für den Zhili-Distrikt ist, hier aber in extremer Form zu Tage tritt. Generell ist das dargestellte Arbeitskonzept vom „Leben auf der Arbeit“ eine, die ideologisch lesbar ist und sich an kein spezifisches Land binden lässt. Auch in westlichen Ländern adoptieren Unternehmen, in Form von „Bring your Family“-Tagen oder extra eingerichtete Wohnungen für Angestellte, eine Arbeitsmentalität, die nicht mehr nur an der geleisteten Arbeit, sondern die Arbeiter*Innen vollständig in sich aufnehmen wollen. Diese Beispiele erscheinen aus der Perspektive von Youth (Spring) zutiefst privilegiert, aber der Zhili-Distrikt kann so als die heruntergebrochene und von jeglichen falschen Versprechen befreite Variante einer Arbeitsideologie verstanden werden, die Gewinnmaximierung an ihr konsequentes Ende denkt.

Fazit

„Youth (Spring)“ ist ein Film der Zwischenräume, formell wie inhaltlich: Inszeniert als Narrativ ohne Fiktion, konstruiert nur in der Montage, geschauspielert nur in dem, mal mehr, mal weniger, erfolgreichen Ignorieren der Kamera findet diese Dokumentation über die Arbeitssubjekte hinter der Massenproduktion eine Ebene aus Naturalismus und Transzendenz. Wang Bing muss sich dabei nie konkret positionieren, sein Zeigen ist markiert bereits seine Position.

Kritik: Jakob Jurisch

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