Red Widow US 2013 Lange war es still um das Thema „organisiertes Verbrechen“ in TV-Serien. Doch das Genre erfährt jetzt eine Renaissance mit „Red Widow“. Wieder einmal haben sich die Amerikaner ein Remake eines europäischen Originals geleistet. Diesmal adaptieren sie die holländische Serie „Penoza“ aus dem Jahre 2010. Für die Entwicklung des US Ablegers „Red Widow“ zeichnet sich Melissa Rosenberg verantwortlich, die auch die Twillight Bücher für das Kino umgesetzt hat. Marta Walraven (Radha Mitchell) ist Hausfrau und Mutter von drei Kindern. Als ihr Mann ermordet wird, ist sie gezwungen die illegalen Geschäfte ihres Mannes fortzuführen um ihre Kinder zu retten. Die familiäre Vorbelastung in diesem Milieu ist groß und auch ihr Vater ist tief in das organisierte Verbrechen verstrickt. Nach und nach lichtet sich der Vorhang der netten Vorstadtfamilie und wir blicken zusammen mit Marta Walraven in den dunklen Schlund einer Mafia-artigen Organisation. Der Pilot, der als Doppelfolge daher kommt, macht Spass, wirkt aber noch etwas unentschlossen. Entwicklungspotential ist zu spüren, doch die Serie hat leichte Start-Schwierigkeiten. Besonders augenscheinlich kommen diese Unstimmigkeiten bei der Protagonistin Marta Walraven zur Geltung. Sie wird als desorientierte Hausfrau eingeführt, die die Machenschaften des Mannes komplett verleugnet hat, sich auch jahrelang nicht beklagt, geschweige denn gefragt hat, wie sie sich so ein schickes Häuschen mit Blick auf San Francisco Bay leisten können. Das wirkt, gelinde gesagt, etwas unglaubwürdig. Und jetzt plötzlich, nach all den Jahren in Saus und Braus, drängt sie ihren Mann auszusteigen und kurz darauf wird er ermordet. Obwohl die Story-Eröffnung etwas konstruiert ist, so hält doch der Blick, den wir durch die Augen der Witwe und Mutter auf die Mafia und die damit verbundene Familie bekommen einen frischen und innovativen Blickwinkel bereit, den es so zuvor noch nicht gab. Da ist die Hausfrau und Mutter, die jetzt über sich hinaus wachsen muss, die Kinder, die auf einmal anfangen Fragen zu stellen, was ihr Vater wirklich getrieben hat, die Schwester, die versucht ein Stück heile Welt aufrecht zu erhalten und der älteste Sohn, der schon in ganz großen Schritten in die Fußstapfen seines Vaters tritt. Außerdem ist da noch die zwielichtige Figur des FBI Agenten James Ramos (Clifton Collins Jr.) der frühzeitig das Gefühl aufkeimen lässt, das hier hinter verdeckter Hand schon lange ein doppeltes Spiel gespielt wurde. Durch diese Figurenanlagen und deren Konflikte ist genügend Druck auf dem Story-Kessel. Eine gute Basis für eine spannende und turbulente Serie. Lediglich der Antagonist, der Drogendealer Christian Schiller (Goran Visnjic) zeigt zu Beginn, für mein Empfinden, etwas zu wenig Härte und Unberechenbarkeit. Er schafft es eigentlich nur in einer Szene die nötige Gefahr und Bedrohung zu erzeugen um einen Bösewicht zu verkörpern, vor dem man Respekt hat. Die Erzählperspektive überrascht positiv, denn wir als Zuschauer lernen zusammen mit Marta, quasi aus ihren Augen, das Tätigkeitsfeld ihres Mannes kennen. Das ist stimmig und mit einer gehörigen Prise Humor inszeniert. Diese Kombination schafft eine Leichtigkeit, die einfach Spass macht. Der Blick hinter die Kulissen offenbart einiges an Familiengeheimnissen und bringt Details ans Licht, die neugierig auf die weiteren Folgen machen. Die Serie lebt aber vor allem von den pointierten Dialogen. Hier wird sehr gekonnt mit Erwartungen gespielt, Mafia Klischees auf die Schippe genommen und dadurch bekommen viele Szenen eine unterhaltsame Tiefe. Die authentisch inszenierte Hilflosigkeit der Witwe, also der Zwang sich in einer Welt zurecht zu finden, in der man sonst nur stiller Zaungast war, hält einiges an Identifikationsfläche bereit. Plötzlich hat man alle Fäden in der Hand, alle Welt schaut zu einem auf und was jetzt? Das provoziert bei der Hauptfigur und stellvertretend auch beim Betrachter viele Fragen und schafft ein schönes moralisches Dilemma: Wie weit würde man selber gehen um seine Familie zu schützen? Fazit Eine Mafia Serie mit potential nach Oben. Das Spiel mit Klischees im ‘Daily Business‘ des organisierten Verbrechens und die mit Witz und Charme inszenierte Unbeholfenheit der Hauptfigur Marta Walraven machen „Red Widow“ sehenswert. Es ist sehr erfrischend, dass sich hier eine Serie nicht zu Ernst nimmt und es dennoch schafft Spannung zu erzeugen und trotzdem die nötige Emotionalität der Figuren nicht aus dem Fokus verliert. © Ben Scharf