Kritik:
Vor genau 54 Jahren veröffentlichte der belgische Comiczeichner Hergé in der katholischen Tageszeitung XXième Siècle die ersten Abenteuer von Tim und Struppi als Comic. 17 Jahre danach erschienen Tims Abenteuer in seinem eigenen Magazin mit Namen Tintin. Im Jahre 1983 wollte sich nun der Topregisseur Steven Spielberg bei einem Telefonat mit Hergé die Filmrechte sichern. Leider verstarb Hergé kurz danach, doch auf Wunsch Hergés erhielt Spielberg noch im selben Jahr nach dem Tod des Comiczeichners von dessen Witwe die Filmrechte an Tim und Struppi. Erst Jahrzehnte später, beauftragte Spielberg Peter Jacksons Produktionsfirma Weta, um zu testen, ob das Zusammenspiel eines realen Darstellers mit einem digitalen Hund funktionieren könnte. Das Ergebnis beeindruckte ihn so sehr, dass er sich entschied, statt eines Spielfilms einen Animationsfilm mit der Performance-Capture-Technologie zu machen. Er bot Jackson die Zusammenarbeit bei dem Projekt an und wollte, dass dieser als sein Co-Produzent und Co-Autor fungierte Zwar willigte Jackson ein, hatte aber die Bedingung, dass durch den Wurf entschieden würde, wer beim Film Regie führt und wer die Produktion übernimmt. Beim nächsten Film der Reihe wollten sie die Rollen dann tauschen. Sie planten eine Tim und Struppi Trilogie.
Das war der Anfang eines tollen Projektes. Doch als sie dann im Jahr 2009 offiziell verkündeten, dass ein neuer Tim und Struppi Film in die Kinos kommen sollte, waren viele Filmfans skeptisch, ob sie in der Lage sind, diese schwierige Aufgabe zu bewältigen. Diese Skepsis verflog bei den meisten, als im Juli 2011 der erste Trailer erschien. Kein Wunder, denn mit Jamie Bell als Tim, Andy Serkis als Kaptain Haddock und Daniel Craig als Sakharin hatte das Projekt eine Traumbesetzung. Nicht zuletzt, weil Serkis schon mehrmals sich als Performance-Capture-Technologie Künstler erwiesen hat, sei es seine Rolle als Caesar in Planet der Affen Prevolution oder eine denkwürdige Darstellung des Gollum in der Herr der Ringe Trilogie. So waren alle Voraussetzungen für einen erfolgreichen Film gegeben. Nun stellt sich nur noch die Frage, ob Jackson und Spielberg fähig sind, die tollen Voraussetzungen zu nutzen, und in diesen Punkten haben die beiden vieles richtig gemacht. Vor allem die Idee des Animationsfilms mit der Performance-Capture-Technologie kommt sehr gut zur Geltung, sodass fast alle Charaktere die gleiche Kleidung, Haarfarbe und Persönlichkeit wie in den Comics haben. So ist Tim immer noch unverwechselbar durch seine markante Frisur, Haddock, der alkoholliebende Seemann mit Kapitänsmütze und blauem Pullover, sowie Schulze und Schultze ganz im englischen Gentlemen Stil mit Melone und Schirm . Auch besitzt die Verfilmung das besondere Abenteuerfeeling des Originals, was ihr einen gewissen nostalgischen Charme verleiht. Die Schnitzeljagd sowie die Einführung der Charaktere sind ganz klassisch aufgebaut, sodass auch Nichtkenner der Handlung folgen können. Hinzu kommt noch der Humor, welcher sehr zeitgemäß ist und die nötige Auflockerung in den richtigen Momenten bringt und auch sehr dosiert und passend in die Handlung eingestreut wird. Mit den Flashbacks, welche die Story vorantreiben und Antworten auf Fragen enthalten, schaffen Spielberg und Jackson sogar etwas Fluch der Karibik Stimmung, die durch den hervorragenden 3D Effekt sehr gut zum Ausdruck kommt und der Piraten Abenteuer Reihe in nicht nach steht. Alles wird perfekt abgerundet mit einem schönen musikalischen Soundtrack von Star Wars Komponist John Williams. Glücklicherweise gibt es auch fast nix am Drehbuch auszusetzen, was wahrscheinlich daran liegt, dass Steven Moffat (Sherlock), Edgar Wright (Shawn oft he Dead) und Joe Cornish (Attack the Block) es geschrieben haben.
Jedoch hat diese Verfilmung auch Mängel, die das Gesamtbild ein wenig trüben dürften. Da wäre beispielsweise die Persönlichkeit von Kapitän Haddock, die in den Comics als sehr taff und selbstbewusst dargestellt wird. In der Verfilmung jedoch fehlen ihm alle diese Merkmale. Hier ist Haddock ein bemitleidenswerter Säufer der jegliches Selbstvertrauen verloren hat und noch nicht einmal richtig mit einer Panzerfaust zielen kann. Dazu wird Tim, der im Original als sehr freundlicher souveräner, hier als teilweise aggressiver und extrem durch Haddocks Art genervter Junge dargestellt, der auch manchmal die Beherrschung verliert, wenn etwas nicht sofort klappt, vor allem, wenn es dabei um die Lösung des Rätsels der Einhorn geht. Struppi gerät beim Film auch leider fast völlig in den Hintergrund, was sehr schade ist, da er einer der Hauptcharaktere im Original neben Tim ist. Auch wurde anscheinend Professor Bienlein vergessen oder absichtlich weggelassen, welcher in den ganzen Abenteuern von Tim und Struppi eigentlich einer der wichtigsten Charaktere ist. Zumal die beiden wegen ihm meistens in den ganzen Schlamassel geraten. Hierbei kann man jedoch noch Hoffnung schöpfen, da das Ende offen gelassen wurde für eine Fortsetzung. Leider ist es deswegen auch ziemlich kurz ausgefallen.
Fazit:
Mit der Verfilmung der Tim und Struppi Comics stehen die beiden Top Regisseure Peter Jackson und Steven Spielberg vor einer sehr großen Herausforderung. Diese jedoch konnten sie richtig gut meistern, wenn auch mit Ecken und Kanten. Diese machen sich vor allem in der Charakterisierungen der Hauptcharakteren Haddock und Tim bemerkbar. Wer es sich dazu durchringt über diese Mängel hinweg zu sehen, den wird eine tolle Homage an die Comics von Hergé erwarten, welche auch den Fans gefallen dürfte. Nur sollten sie beim nächsten Teil darauf achten, sich mehr an die Comics zu halten und auch sehr wichtige Charaktere wie Professor Bienlein nicht einfach wegzulassen.