Lange haben die Fans der Sci-Fi-Bestsellerreihe von Autorin Veronica Roth auf diese Verfilmung gewartet. Nun hat „Ohne Limit“-Regisseur Neil Burger den Wunsch der Fans endlich wahr gemacht und die dystopische Sci-Fi-Geschichte endlich auf die große Leinwand gebracht.
Die Welt wurde in fünf Fraktionen eigenteilt. Da wären: Alturan – Die Selbstlosen, Ken – Die Wissenden, Amite – die Friedfertigen, Candor – die Freimütigen und Ferox – die Furchtlosen. Alle Fraktionen haben unterschiedliche Aufgaben und Lebensgewohnheiten. Die Einteilung sichert den Frieden. An ihrem 16. Geburtstag muss Beatrice „Tris“ (Shailene Woodley) sich entscheiden, welcher Fraktion sie sich anschließen will. Diese Entscheidung wird fortan ihr ganzes Leben bestimmen, denn jene ausgewählte Fraktion gilt ab dem Zeitpunkt als ihre Familie. Doch der Eignungstest, der über ihr Schicksal bestimmen soll, zeigt kein eindeutiges Ergebnis. Sie ist eine Unbestimmte, genannt Divergent. Doch diese werden von der Gemeinschaft nicht akzeptiert und gejagt. Also entscheidet sich Beatrice, ihre Fraktion, die Altruan, in der sie aufgewachsen ist, zu verlassen, zu den Ferox zu gehen und ihren Namen in Tris zu ändern. Leider gerät sie dort in einen zentralen Konflikt, der nicht nur ihr Leben, sondern auch das ihrer Familie und Freunde bedroht. Und welche Rolle spielt der mysteriöse Four (Theo James) dabei eigentlich, der Anführer der Ferox?
Beim Lesen der Handlung denken manche bestimmt an Suzanne Collins‘ „Die Tribute von Panem“, und ein paar Gemeinsamkeiten haben die beiden auch, was aber nicht überwiegend der Fall ist. So konzentriert sich „Die Tribute von Panem“ hauptsächlich auf die zwischenmenschlichen Beziehungen und das Liebesdreieck der Hauptcharaktere Katniss, Peeta und Gale, wohingegen das bei „Divergent“ lediglich abgeschwächt vorhanden ist. „Divergent“ thematisiert mehr die Geschichte um die 5 Fraktionen, speziell, ebenso wie im Buch, auf die der Ferox, die Tris auswählt – Fans der Bücher dürfte es sehr freuen. Denn „Divergent“ ist eine der langerhofften Buchadaptionen, die sich strickt ans Buch halten, was wahrscheinlich auch daran liegt, dass Autorin Veronica Roth überaus eng mit dem Filmteam zusammenarbeitet hat, als Co-Produzentin beteiligt war und obendrein einen kleinen Cameo-Auftritt im Film ausfüllt. Demnach nicht verwunderlich, dass der Film größtenteils das zeigt, was man sich beim Lesen des Buches ohnehin vorgestellt hat. Wenn man es genau nimmt, ist „Divergent“ darüber hinaus viel mehr als „nur“ eine gelungene Jungendbuchverfilmung. Es ist ein dystopischer, packender Sci-Fi-Thriller, der in einzelnen Momenten markant an die Werke von Phillip K. Dick und George Orwell erinnert. Das zeigt sich z.B. beim Eignungstest am Anfang und in der Quintessenz der Geschichte. Es geht um fast dieselben Themen, die Dick und Orwell bereits in ihren Schlüsselwerken, etwa wie in „Blade Runner“ oder „1984“, behandelt haben: Ausgrenzung, Widerstand gegen das System, Fundamentalismus, Ideologie, Diktatur, Klassenkampf, Identitätskrise. All das vermengt „Divergent“. Sei es durch die Szenen, in denen die Fraktionslosen gezeigt werden, die Rede von Kate Winslets Charakter Jeanine oder Tris Flucht und Kampf.
Welchen Grund gibt es jedoch noch, einen Film zu schauen, wenn man alles schon gesehen hat und das eigentlich nur ein Aufguss ist? Die Frage ist leicht zu beantworten, denn wenn man zum Beispiel eine 16-Jährige fragt, wer Phillip K. Dick sei, hat die höchstwahrscheinlich keinen blassen Schimmer davon. „Divergent“ ist ein Versuch, Jugendlichen und Nichtkennern die Motive aus den Dick-Werken näher zu bringen, und zwar auf eine leicht verdauliche und verständliche Art. Eigentlich hat all das, unter anderem, angefangen mit dem amerikanischen Autor James Dashner, der mit seiner „The Maze Runner“-Trilogie, im Deutschen „Die Auserwählten“, den Jugendlichen unkonventionelle Science-Fiction-Dystopie näher gebracht hat. Jedoch ist die Reihe letzten Endes ungemein harter Tobak geworden, sodass die Bezeichnung „Nichts für schwache Nerven!“ gänzlich untertrieben scheint. Auch gibt es in Dashners Reihe wenig bis gar keine romantischen Aspekte und ist daher eher für Jungs geeignet. Anscheinend dachte sich Autorin Suzanne Collins, dass das umgehend geändert werden müsse, kopierte die Geschichte, veränderte sie leicht und machte daraus eine Sci-Fi-Romaze für Mädchen mit dem Titel „The Hunger Games“, zu Deutsch „Die Tribute von Panem“. Und so kam der Stoff zu Veronica Roth, die sich wiederum dachte, dass zu wenig Sci-Fi-Elemente darin enthalten seien. Soviel dazu. Falls man jedoch diesen Aspekt außer Acht lässt, kann sogar ein eingefleischter Filmkenner dabei Spaß haben. Denn trotz der aufgewärmten Geschichte punktet der Film in Sachen Darsteller und Charaktere ordentlich.
Allen voran Shailene Woodley als „Tris“, was sich sehr in den Momenten zeigt, wo sie an sich selbst zweifelt, nicht weiß, wo sie jetzt eigentlich hingehört und sich dennoch fängt und eine völlig andere charakterstarke Person wird, die auch mal ordentlich austeilen kann. Zusätzlich hat Miles Teller sehr überrascht, der gekonnt die Rolle des Peter verkörpert und von dem man gerne noch mehr erfahren hätte, da er doch ein sehr interessanter Charakter ist, jedoch fast nie die Chance hat, das auch unter Beweis zu stellen. Theo James dagegen ist weniger interessant, bekommt aber mehr Screentime, weil er eben eine wichtige Rolle spielt, aber man am Anfang bei ihm eher das Gefühl hat, dass er ein Mädelsmagnat denn ernsthafter Charakter ist. Dies ändert sich gleichwohl im Laufe des Films glücklicherweise. Neben unzähligen Newcomern sind außerdem langjährige Schauspieler wie Ray Stevenson, Ashley Judd, Tony Goldwyn, Maggie Q, Mekkhi Pfifer und Jai Courtney dabei. Leider stechen aus der Masse nur die zwei Erstgenannten hervor, die einen wichtigen Part in der Geschichte spielenspielen und für Veränderungen sorgen. Bei Jai Courtney und Mekkhi Pfifer hingegen kann man nur hoffen, dass sie im nächsten Teil eine größere und wichtigere Rolle haben – wirklich viel gesehen hat man von ihnen nämlich nicht. Gleiches gilt für Maggie Q und Tony Goldwyn. Hinsichtlich der Figurenwandlungen begeistert „Divergent“ vor allem, z.B. in der Einstellung von Miles Tellers Charakter Peter und macht das Ganze für den Zuschauer in der Tat spannend und mitreißend.
Neben dem Cast wartet BurgerBurger mit echten Sets auf; man merkt dass er echtes Interesse hatte, einen guten Film zu machen. So kommt zum Glück wenig bis gar keine Greenscreen-Aufnahmen oder anderweitiger CGI-Brei zum Einsatz. Von den Kämpfen her ist der Film nichtsdestotrotz eher schwach, und, ehrlich gesagt, ausbaufähig gehalten.
Am enttäuschendsten aber ist Kate Winslet in ihrer Rolle. Sie bleibt völlig blass. Ihre Hintergründe, warum sie eigentlich unbedingt diese Ordnung aufrechterhalten will, fehlt völlig. Man kann sie durchaus als eindimensionalen Antagonisten bezeichnen, der den gesamten Film über einen ähnlich nichtssagenden Gesichtsausdruck wiederholt. Anzeichen dafür erkennt man ironischerweise im Trailer, wo sie Tris im Ferox-Unterschlumpf in die Augen blickt. Man weiß nicht, was man mit ihr anfangen soll. Trotzdem: Im Buch ist das mit ihrem Charakter Jeaninne nicht anders. Am schlimmsten erweist sich im Gegenzug der standardisierte Score von Junkie XL. Es klingt nach einer Mischung aus „Inception“, „Man of Steel“ und „The Dark Knight“. Wohl auch daher, dass Junkie XL alias Tom Holkenburg an allen drei Filmen mit beteiligt war. Allerdings wird das im Gegenzug kompensiert durch Songs von Ellie Goulding, Woodkid und vielen weiteren.
Fazit: „Divergent“ ist eine Sci-Fi-Lehrstunde für Jugendliche, die noch nie etwas von Philip K. Dick gehört haben und mit dem Begriff Dystopie nichts anfangen können. Anders als „Die Tribute von Panem“ konzentriert sich Neal Burgers Entwurf vermehrt auf gesellschaftlich wichtige Themen, die gekonnt aufgegriffen werden. Jedoch dürfte es für erfahrene Cineasten trotzdem ein Ärgernis sein, da es diesen Subtext bereits in unendlich verschiedenen Variationen gab und „Divergent“ insgeheim vielmehr als eine Zusammenfassung dieser taugt.
Trotz allem schafft es Neil BurgerBurger, diese derart pointiert zu bündeln, dass der „normale Kinogänger“ denkt, die Story sei unverbraucht. Weitere Pluspunkte: Der Film kann insbesondere durch die hervorragende Leistung der Newcomer Shailene Woodley und Miles Teller unterhalten sowie auch Ray Stevenson und Ashley Judd.
Es ist aber noch genügend Potenzial vorhanden, das in den nächsten Fortsetzungen weiter ausgebaut und erweitert werden kann.