Jeder kennt die "X-Men"-Trilogie. Und sie zählt wohl mit zu den besten Comicverfilmungen im Marvel-Universum. Braucht man dazu dann wirklich ein Prequel? Insbesondere da „X-Men – Der letzte Widerstand“ mit seinem recht offenem Ende und dem Cliffhanger nach dem Abspann durchaus die Möglichkeit zuließ einen vierten Teil zu inszenieren. Zusätzlich wurden die Charaktere wohl alles andere als ausgeschöpft. Dennoch entschied sich Jungregisseur Matthew Vaughn, der erste Erfahrungen mit „Der Sternwanderer“ und „Kick-Ass“ sammelte, die Vorgeschichte der Mutanten zu verfilmen. Eine schlechte Idee? Ganz und gar nicht. Denn schon in „Kick-Ass“ bewies Matthew Vaughn ein Händchen für Story und Figuren. Nun konnte er sich einmal mehr beweisen.
Mit „X-Men: First Class“ schließt sich der Kreis. Gut inszeniert ist hier vor allem der Einstieg mit einer uns nicht unbekannten Szene, die noch einmal aufgegriffen wird. Auch wenn man bei der "X-Men"-Trilogie wenig über die Vergangenheit der Figuren erfährt, so fällt einem das nicht negativ auf. Bis jetzt. Manchmal weiß man eben erst dann was fehlt, wenn man es in den Händen hält. So verhält es sich auch hier.
„X-Men: First Class“ weiß die Trilogie mit dem Prequel zu verbinden. Matthew Vaughn hat ein Händchen dafür altes und bekanntes mit dem Neuen zu verknüpfen. Am meisten macht sich dies wohl in den Charakteren bemerkbar. Bestes Beispiel hierfür ist wohl die Figur des Charles Xavier, umwerfend verkörpert von James McAvoy. Uns bekannt als der ruhige und überlegende Professor zeigt er sich hier von einer gänzlich anderen Seite. Man mag es kaum glauben, aber der Professor war mal ein Ladykiller; charmant, witzig, gutaussehend. Sodass er so einige Lacher auf seiner Seite hat. Unpassend? Ganz im Gegenteil. Sicherlich ist dies durch das Mitwirken von James McAvoy unerlässlich, der einfach die Sympathie auf seiner Seite hat und gar nicht anders kann, als der Figur seinen eigenen Charme zu vermitteln. McAvoy weiß das Publikum mit seiner Art zu begeistern und an die Leinwand zu fesseln. Gerne hat man so ein Bild von dem jungen Charles Xavier.
Michael Fassbender steht dem jedoch in nichts nach. Wo Charles Xavier charmant ist, ist Erik Lehnsherr der coole, abgehärtete Typ. Ein Mann, der nichts mehr zu verlieren hat und seinen ganzes Leben nur einer Sache widmet, der Rache. Michael Fassbender glänzt auf ganzer Linie. Er spielt die Figur des Magneto mit einer solchen Leinwandpräsenz, dass so manche Darsteller neben ihn teilweise sehr blass aussehen. Das mag daran liegen, dass auf seine Vergangenheit das Hauptaugenmerk gelegt ist. Umso mehr bekommt dieser Charakter enorme Tiefe, die einen dann mit Sicherheit die X-Men Trilogie mit anderen Augen sehen lässt.
Auch Kevin Bacon als Bösewicht fügt sich perfekt in die Besatzung mit ein. Er spielt die Figur des Sebastian Shaw herrlich arrogant. Er spricht verschiedene Sprachen, er hat Stil, aber er bleibt dabei ein absoluter Kotzbrocken. Eine Rolle, die ihm wie auf den Leib geschneidert ist.
Ebenso versprühen die anderen Darsteller wie Jennifer Lawrence als Mystique jede Menge unverbrauchter Naivität, die man als Jugendlicher so schnell nun mal nicht ablegt. Schön eingearbeitet in die kleineren Rollen sind unter anderem die Mutantenkräfte, die man noch nicht kennt. Zum Teil wunderschön anzusehen oder auch einfach nur beeindruckend, wie zum Beispiel Angel mit ihren Feenflügeln oder auch Riptide, der regelrechte Wirbelstürme erzeugen kann. Dies gibt dem Prequel einiges an Frische.
Außerdem hat der Film so manche Magic Moments zu bieten. Hier vor allem erwähnenswert wie Erik endlich lernt seine Kräfte zu kontrollieren oder auch die Rekrutierung und das Training der zukünftigen X-Men.
Positiv hervorgehoben werden kann zusätzlich die Action, die in dem Film nicht zu kurz kommt. Allen voran die Szene mit dem Schiffsanker, die auch ohne 3D Effekt einem das Gefühl gibt mittendrin, statt nur dabei zu sein. Generell sind die Effekte eine Wucht und lassen einen tiefer in den Sessel rutschen. Die Musik tut ihr übriges um das Herz schneller rasen zu lassen.
All das klingt zu schön um wahr zu sein und ist es leider auch. So gern man es sich wünschen würde, kann man gewisse Sachen leider nicht ignorieren. Zum einen hat der Film ab und zu dann doch mal seine Längen, bei der man sicher die ein oder andere Szene hätte kürzen können. Zum Anderen konnte man es doch nicht verhindern, dass sich in Bezug zur "X-Men"-Trilogie so manche Fehler eingeschlichen haben. Sei es nun wie Charles Xavier zu seinem Rollstuhl kam oder wer der Erfinder von Cerebro war. Des Weiteren ist von der Zeitspanne her der Break zwischen den beiden Freunden viel zu schnell erfolgt. Diesbezüglich äußerst passend der deutsche Titel „Erste Entscheidung“, jedoch nicht im positivem Sinne. Hier hätte man wesentlich mehr Luft lassen können. Trennt man das jedoch von der Trilogie sind diese „Fehler“ umso schneller zu verzeihen.
Fazit: „X-Men: Erste Entscheidung“ ist wohl das erste Prequel, dass es locker mit den Original Filmen aufnehmen kann, eventuell sogar überbietet. Ein Film, der die ganze Trilogie noch abrundet, einfach nur Spaß macht und kleinere Logikfehler hinten über fallen lässt.