Gut zwanzig Jahre vor Detroit hat sich Kathyrn Bigelow mit Strange Days bereits mit der Frage beschäftigt, wie ein Einzelvorfall eine ganze Gesellschaft verändern kann. Als Kommentar auf die Unruhen in Los Angeles im Jahre 1992 (und ganz konkret Rodney King) ist Strange Days bereits ein apokalyptisch angehauchter Diskurs über die Verheerungen des Rassismus und wie dieser sich zur festen Konstante unseres gesellschaftspolitischen Gefüges entwickelt hat. Verpackt wird diese brandaktuelle Abhandlung in einem hochgradig stimmungsvollen wie spannungsgeladen inszenierten Cyberpunk-Noir, in dem Ralph Fiennes die heißeste Trenddroge unter das Volk bringt: Fremde Erinnerungen. Durch eine Art Drahthaube, die mit einer Minidisc vernetzt ist, taucht man in Sinneserfahrungen ab, die man selber nie erlebt hat. Nie erleben durfte. Und das Los Angeles des Jahres 1999 schreit nach Erinnerungen, da sich die Menschen immer stärker von selbst entwurzelt haben und offenkundig nur dazu erschaffen wurden, eigene Reminiszenzen verblassen zu lassen. Natürlich thematisiert Strange Days über Fiennes' Droge, die die Tore zu einer virtuellen Realität öffnet, auch die Möglichkeit sowie die Gefahren von medialem Konsum in Verbindung mit dem technischen Fortschritt. Auf der Straße wird die Bevölkerung kontinuierlich von der Polizei niedergeknüppelt. In unseren Köpfen sind wir alsbald auch nicht mehr in der Lage, diesen Schreckensbilder zu entfliehen. Sie werden uns anerzogen, zur Alltäglichkeit erklärt und wir reproduzieren sie. Strange Days weiß, dass die besten Dystopien auf unserer Wirklichkeit fußen. Wenn Veränderungen her sollen, müssen wir dafür allerdings auf der Straße anfangen. Fernab des Digitalen, auf Tuchfühlung mit dem Analogen, den knochenbrechenden Knüppeln und jenen Menschen, die diese schwingen lassen.