Ursprünglich wollte Regisseur Ritesh Batra eine Dokumentation über die Dabbawala von Mumbai drehen, doch bei der Recherche entschied er sich um und nutzt seine gesammelten Erfahrungen, um daraus in seinem ersten Langfilm von einer ungewöhnlichen Freundschaft zu erzählen, die vor allem wegen der Tatsache, dass sich Saajan und Ila nicht sehen an romantische Klassiker wie „Rendevouz nach Ladenschluss“ oder dessen Quasi-Remake „E-Mail für dich“ erinnert. Dabei umschifft Batra allerdings amerikanischen Hollywood-Kitsch, genau wie die, vor allem im Westen als Selbstverständlichkeit ausgelegten Klischees des sogenannten Bollywood-Kinos. Das Ergebnis ist erfrischend bodenständig und dabei dennoch herzerwärmend und appetitanregend, denn neben der schriftlichen Beziehung zwischen den Hauptfiguren spielt das Essen eine ebenso wichtige Rolle.
Da Saajan und Ila körperlich nie in Kontakt kommen und der Film die finale Entscheidung, ob die beiden wirklich füreinander gemacht sind oder ihre Einsamkeit sie nur dazu verleitet, nimmt das Essen den Platz der Sinnlichkeit an. Wirklich groß in Szene setzt Batra das Verzehren von Ilas Mahlzeiten nicht aber Saajan-Darsteller Irrfan Khan (den das westliche Publikum aus internationalen Produktionen wie „Slumdog Millionär“, „Life of Pi – Schiffbruch mit Tiger“ und „The Amazing Spider-Man“ kennt) vermag es mittels nuancierten Spiel perfekt zu übermitteln, welch ein Genuss es ist, das Mahl von Ila zu verspeisen. Ihr Essen ist der Beginn eines Befreiungsschlags in Saajans Leben und für Ila ist die leere Lunchbox, die ihr die Dabbawala nachmittags wieder nach Hause bringen, ein Zeichen, dass sie doch etwas Wert ist. Ja, dass eine Frau wieder Lebensfreude findet, in dem sie einen Mann bekocht, wirkt antiquiert und lässt nicht gerade emanzipatorische Jubelstürme zu, doch Ila und Saajan werden von Batras gleichberechtigt behandelt und keiner der beiden Charaktere wird auf reine Wesentlichkeiten reduziert.
Eine weitere Stärke von „Lunchbox“ und Batras Regie ist, wie er den Schmelztiegel Mumbai einfängt. Ein bunter Hexenkessel, der jedoch niemals zur Hauptattraktion verkommt, sondern der Geschichte und Beziehung zwischen Ila und Saajan umkleidet. So ist der Verlust der Freiheit, den beide empfinden, noch um einiges direkter spürbar, wird er doch kontrastiert von Bildern der lauten Stadt, in der man funktionieren muss, um nicht von ihr verschluckt zu werden (natürlich auch ein Sinnbild für die heutige Arbeitsgesellschaft). Die Geschichte von Saajan und Ila, das unphysische Zusammentreffen zweier verlorener Seelen, die dank der Aufmerksam- und Ehrlichkeit des jeweils anderen wieder an das eigene Leben glauben, ist gewiss nicht unerforschtes und –besuchtes Terrain, aber Batra formt daraus und aus der lukullischen Sinnlichkeit des Essens dennoch ein eigensinnig-liebenswertes Porträt, zwei verlorener Seelen. Am Ende schenkt Batras diesen beiden und den Zuschauer das Beste: Hoffnung.