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Tiger

Kritik von Tiger

Gesehen: September, 2024

Zum Glück hat Hollywood das Potenzial von "Speak No Evil" aus dem Jahre 2022 erkannt und mit der Neuverfilmung alle Logikfehler und Unstimmigkeiten ausgebügelt. Allein die großartige Besetzung hebt den Film auf eine viel höhere Ebene als das Original und damit ist nicht nur der begnadete Schauspieler James McAvoy gemeint, sondern das gesamte Schauspielensemble. Während im Original der kleine Junge beinahe wie ein unbedeutender Komparse wirkt, bekommt im Remake der junge Darsteller Dan Hough weitaus mehr Beachtung und ist maßgeblich an dem Voranschreiten der Handlung beteiligt.

Auch die Interaktionen zwischen den Figuren sind viel durchdachter und die Reaktionen der Familie, die in die „Wildnis“ gelockt wurden, sind viel nachvollziehbarer. Hinzu kommt die ständige Spannung, die man James McAvoy zu verdanken hat, weil er eine unglaublich mächtige Aura hat und man wird von dem charismatischen Darsteller derart in den Bann gezogen, dass man jede einzelne Sekunde des Films angespannt bleibt, weil man jeden Moment damit rechnet, dass er explodiert. Wenn man sich den Originalfilm dagegen ansieht, dann spürt man diese ständige Bedrohung überhaupt nicht. Man sieht nur irgendeinem Kerl dabei zu, wie er immer noch recht harmlos daherkommt. So wirklich bedrohlich wird es erst bei der Tanzvorführung der Kinder.

Da fragt man sich schon die ganze Zeit, wieso einige Kritiker das Original so beeindruckend und vor allem so verstörend finden. Zum einen verhalten sich die Figuren derart unlogisch, dass man ihnen schon den suizidalen Drang unterstellen könnte, dann sind alle Szenen abgesehen von den finalen Szenen recht spannungsfrei inszeniert und auch das ungewöhnliche Ende kann es nicht wiedergutmachen, dass der Film hier und da schwächelt. Gerade wenn man sich die weibliche Figur ansieht, heult sie im Original nur herum und macht wirklich absolut gar nichts um ihr Kind oder ihre Familie zu retten. Dagegen ergreift die weibliche Hauptfigur, die fabelhaft von Mackenzie Davis im Remake verkörpert wird, die Gelegenheit beim Schopfe und tut alles, um da irgendwie lebend rauszukommen. Von dem männlichen Helden in der Originalverfilmung will man erst gar nicht reden. Besonders eine Szene sticht hervor: Als der Bösewicht kurz das Auto verlässt um zu pinkeln, lässt er die Schlüssel stecken und der Held dieser Geschichte weiß schon genau, was ihm blüht und er macht absolut gar nichts. Wo bleiben die berühmten menschlichen Überlebensinstinkte? Im Original scheinen sie bei den Figuren schlichtweg nicht zu existieren.

Zum Glück weiß man in Hollywood, wie man aus der mittelmäßigen Vorlage einen großartigen Film dreht, denn "Speak No Evil" aus dem Jahre 2024 ist in jeglicher Hinsicht perfekt. Auch das Ende ist genial! Und gerade dieses Ende führt dazu, dass man sich diesen Film immer wieder ansehen möchte, während man das Original schon nach fünf Minuten wieder vergisst. Er hat einfach nicht diese Kraft und vor allem nicht diese Wucht, die James McAvoy schon im Alleingang mitbringt! Für mich ist "Speak No Evil" einer der besten Filme des Jahres, weil dieser Film eine unglaubliche Tiefe und Schönheit besitzt. Er stellt Paddy, der von James McAvoy gespielt wird, nicht als einen beliebig austauschbaren Mörder ohne Hintergrundgeschichte dar (siehe Original), sondern lässt ihn die tragische Geschichte seines Lebens erzählen, während er im Restaurant das Gedicht von Philip Larkin  „This Be The Verse“ rezitiert:

They fuck you up, your mum and dad.
They may not mean to, but they do.
They fill you with the faults they had
And add some extra, just for you.

But they were fucked up in their turn
By fools in old-style hats and coats,
Who half the time were soppy-stern
And half at one another’s throats.

Man hands on misery to man.
It deepens like a coastal shelf.
Get out as early as you can,
And don’t have any kids yourself.

Das ist so schmerzvoll und wunderschön zugleich. Das Gedicht sagt im Grunde aus, dass wir alle von Opfern zu Opfern gemacht werden und, dass man aus diesem Teufelskreis nur ausbrechen kann, indem man sich erst gar keine Kinder anschafft.

"Speak no evil" aus dem Jahre 2024 ist wahre Poesie ...

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