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Tomofan

Kritik von Tomofan

Gesehen: Mai, 2018

Herzlich willkommen im Filmolymp Mister Lanthimos.

Ich bin mir nicht ganz sicher, ob hinter Lanthimos` Filmographie ein festes Konzept steckt, welches alle seine Werke zu einem grotesken Puzzle verschmelzen lässt, aber auch The Killing of a Sacred Deer erweckt den Eindruck, dass sein Schaffen einem beständigen roten Faden folgt, der alle Fragmente zu einem allumfassenden gesellschaftlichen Rundumblick zusammenfügt. Dass sein zweiter Hollywoodfilm auf einer griechischen Tragödie aufbaut, versinnbildlicht ein wenig den Status, den Lanthimos aktuell innerhalb der Filmlandschaft besitzt. Auch wenn er mittlerweile auf eine respektable Anzahl prominenter Schauspieler zurückgreifen kann, konfrontiert er den Zuschauer immer noch mit den für ihn typischen Unannehmlichkeiten, die bereits in Dogtooth verankert waren und dem ein oder anderen Publikum einen unangenehmen Filmgenuss verschafft haben. 

Wie nicht anders zu erwarten, verzichtet Lanthimos auf eine behutsame Eröffnung der Szenerie. Für einen kurzen Moment verharrt die Kamera beim Anblick eines offenen, pumpenden Herzens, ehe sie den zuständigen Chirug und Protagonisten Steven einführt. Die nächsten Szenen verschaffen etwas mehr Gewissheit - Stevens Leben bzw. sein Tagesablauf scheint einem unverrückbaren Schema zu folgen, welches auch seine Frau Anna und die beiden gemeinsamen Kinder Kim und Bob einschließt und einem perfektionierten Uhrwerk ähnelt. Den passenden Dialog dazu liefern Steven und sein Anästhesist in einer der ersten Szenen. Dass die Vollkommenheit der amerikanischen Oberschicht auch die ein oder andere Tücke birgt, wird im weiteren Verlauf klar, wenn der junge Halbwaise Martin in das Geschehen eindringt. Anfangs noch unsicher und auf eine spezielle Art nach Zuneigung fragend, reißt Martin das Lügenkonstrukt von Steven ein und konfrontiert ihn mit einem der dunkelsten Kapitel ihrer gemeinsamen Vergangenheit. Mit dem Wissen, dass Steven seiner psychischen Macht unterliegt, nistet sich Martin ähnlich einem Parasiten in dem Leben der Vorzeigefamilie ein und verwandelt das stahlende Anwesen in eine Art Vorhölle. Martin ist wie eine Eisenstange, die die Zahnräder zum Stoppen bringt, er drängt Steven in eine Situation, in welcher er die Verantwortung nicht einfach beliebig verschieben oder mit Alkohol betäuben kann. Stattdessen übergibt Martin ihm eine derart gigantische und folgenschwere Entscheidungsgewalt, an dessen Schwere er stückweise zerbricht. 

Ich bin ein wenig überrascht, dass so viele Zuschauer den Racheakt von Martin als zentralen Aspekt des Filmes sehen, für mich ist Martin eher ein Initiator, der das Trugbild entlarvt, hinter dem sich Steven verschanzt. Bevor er Steven unaussprechlichen psychischen Qualen aussesetzt, könnte Martin als eine Verkörperung von Stevens Schuldgefühlen verstanden werden, die der Familienvater mit Geschenken zu kompensieren versucht. In diesen Momenten spiegelt sich, wie so oft bei Lanthimos, die Unfähigkeit der Charaktere miteinander zu kommunizieren bzw. auf einer zwischenmenschlichen Ebene zu interagieren wider. Lanthimos baut einen tristen, gefühllosen Mikrokosmos auf, nur um diesen im nächsten Moment in sich einstürzen zu lassen. Die Funken, die die Zerstörung auslösen sind Emotionen, auch wenn es nur der pure Hass ist. 

Es ist immer wieder eine Freude, wenn Lanthimos den Zuschauer an seinen unterkühlten Impressionen teilhaben lässt. Wie schon in The Lobster und Dogtooth schickt Lanthimos sein Publikum auf eine mikroskopisch präzise Reise durch die Arglist einer modernen Gesellschaft und streut in den nervenaufreibendsten Momenten auch noch Salz in Form von bitterbösem Humor in die Wunde. Seine beiden großen Vorgängerwerke zeichnete vor allem aus, dass sie ihre Essenz in fein ausgearbeiteten Metaphern verschlüsselten, aber trotzdem recht deutlich auf das hinwiesen, was sie zu kritisieren versuchten. The Killing of a Sacred Deer ist da mMn etwas rätselhafter und stellt sicherlich für die Meisten, mich eingeschlossen, in mehreren Situationen ein Buch mit vielleicht nicht sieben, aber schon ein paar Siegeln dar. Es bleibt nur zu hoffen, dass Lanthimos auch noch in Zukunft seine Seziermesser schwingt, bis auch die letzten Synapsen die kollektive Überforderung melden.

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