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Quelle: themoviedb.org

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Inhalt

Steven und Anna sind ein erfolgreiches und scheinbar glückliches Ärzte-Ehepaar und Eltern von zwei Teenager-Kindern. Doch in Stevens Leben hat sich der Halbwaise Martin eingeschlichen, der das Leben der Familie bedroht. Steven wird ein undenkbares Opfer bringen müssen.
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Quelle: themoviedb.org

Kritik

In dem griechischen Mythos um Iphigenia wird der griechische Herrscher Agamemnon von der Jagdgöttin Artemis bestraft, weil dieser im heiligen Hain eine für die Götter geweihte Hirschkuh tötete. Als Folge wurde sein Schlachtzug gegen Troja von der Göttin durch eine Windstille auf See unterbrochen. Agamemnon konnte das Gleichgewicht zwischen ihm und der Göttin nur wiederherstellen, indem er ebenfalls ein Opfer erbrachte: seine Tochter Iphigenia. Eine Entscheidung dieser Art kennt jeder, wenn auch in wesentlich harmloseren Umfängen. Es stehen einem mehrere Optionen zur Verfügung, die alle in eine unglückliche Richtung führen, doch wenn man sich nicht entscheidet, tritt das schlimmstmögliche Szenario ein. Man trifft also die  Wahl des kleinsten Übels. Unter dieser Prämisse entführt der griechische Regisseur Yorgos Lanthimos (Dogtooth) das Publikum in die unbeträchtlich surreale Welt von The Killing of a Sacred Deer und wirft ihn in eine im schwarzen Humor getränkte Moralbredouille. 

Wie auch schon in seinen bisherigen Filmen eröffnet Lanthimos mit The Killing of a Sacred Deer keinen großen Kosmos, sondern beschränkt sich auf eine kleine Riege an Figuren. Steven Murphy (Collin Farrell), ein wohlhabender Herzchirurg lebt zusammen mit seiner Frau Anna (Nicole Kidman) und seinen beiden Kindern Kim (Raffey Cassidy) und Bob (Sunny Suljic) das perfekte Leben. Doch scheint als wäre dieses nichts weiter als ein Trugbild, denn ist Steven alles andere als normal. So artikuliert sich der Familienvater in bizarren Manierismen, die ihn wie ein programmierten Apparat eines sich tagtäglich wiederholenden  Systems erscheinen lassen. Gefangen in einem Algorithmus, durch den er sich mit seiner aufgesetzten, apathisch Art schlägt. Allerdings gibt es auch Momente abseits dieser Norm. Ab und an trifft er den jungen Martin (Barry Keoghan), der sein ordinären Alltag in eine gewagte Missordnung versetzt und für den er so etwas wie einen Adoptivvater darstellt. Der Grund dafür ist, dass Martins Vater nach einem Unfall auf dem OP-Tisch von Steven starb. In dieser tiefen Schuld fühlt sich Steven verpflichtet, für den Jungen da zu sein, vor allem weil er nicht ganz unbeteiligt an dem Tod des Vaters ist. Doch was Steven zunächst nicht ahnt: Martin ist auf Rache aus. Er stellt Steven vor die Wahl ein Mitglied seiner Familie zu töten. Trifft er keine Wahl, sterben auf mysteriöse Weise alle. 

Mit dieser Grundkonzeption verpackt Lanthimos den uralten griechischen Mythos der Ihigenia in ein neues Gewand. Die Welt wirkt entfremdet, die Atmosphäre wie eine eingesperrte Ekstase und die Figuren, als wären sie jeglichen Moralvorstellungen abhanden gekommen. Hinzu kommt der Lanthimos-typische Humor. Szenen, die verdammt eindringlich und verwerflich erscheinen, werden durch rabenschwarzen Humor und eine Dialektik der Perversion aufgebrochen und als Zuschauer möchte man oftmals lachen, doch schämt sich zugleich für dieses Vorhaben. Lanthimos versteht es den Zuschauer in einen Konflikt mit sich selbst zu versetzen, indem er moralische Fragen stellt, die schwer bzw. nicht auf die richtige Weise zu beantworten sind. Er jagt den Zuschauer durch seine eigenen Moralvorstellungen und schafft dadurch die Ruhe, die dem Film innewohnt, in ein Unbehagen umzuschlagen. Dieses unbehagliche Gefühl wird  zudem durch die Auswahl der Musik potenziert. Sei es nun ein klassisches Stück von Bach oder ein moderner Pop-Song von Ellie Goulding, der von Raffey Cassidy gesungen wird. Das Spektrum ist vielfältig und sorgt jedes Mal auf eine andere Weise für ein Misstrauen in Publikum. 

Die Darsteller brillieren dabei allesamt in ihren Rollen, allen voran Colin Farrell (7 Psychos). In seiner Performance fühlt man sich ihm oftmals verbunden, doch durch seine unbeholfene Manier distanziert er sich wieder vom Zuschauer. Es ist ein ständiges Wechselspiel aus Sympathie und Antipathie, bei der die Erwartungsdiskrepanz im Publikum immer wieder wächst und schrumpft. Farrell spielt die Figur des nach und nach manisch werdenden Familienvaters überzeugend gut und lässt den Zuschauer keinen Augenblick von seinen aufgewühlten Gefühlen und Gedanken weichen, egal ob diese über die Dialoge oder seine Gestik und Mimik zu erkennen sind. Nicole Kidman (Eyes Wide Shut) macht ihre Aufgabe ebenfalls mehr als solide, auch wenn sie manchmal ein wenig im Schatten ihres Schauspielkollegen steht. Die Rolle einer reichen Vorstadtmutter mit dem Drang zur Gleichgültigkeit passt ihr wie auf den Leib geschnitten. Doch der eigentliche Star neben Farrell ist Barry Keoghan (Dunkirk), der ein Schauspiel im Schauspiel liefert. Zunächst als dummer Jüngling wahrgenommen, der die Welt nicht versteht, entpuppt sich dieser nach und nach als psychopathisches Genie, wobei die Wortwahl von Genie hier ein wenig fragwürdig erscheint. Er und Farrell liefern sich einen glattzüngigen Kampf unter Unehrenmännern, bei dem das Zusehen schon fast schmerzhaft ist. Eine teils minimalistische, aber wahnsinnige Darstellung beider Männer. 

Fazit

Es ist immer wieder schön zu sehen, dass neben dem generischen Blockbuster auch Konstanten für qualitatives Kino abseits des Mainstreams existieren. Eine dieser Konstanten trägt den Namen Yorgos Lanthimos, denn nach "Dogtooth" und "The Lobster" schafft es der griechische Regisseur erneut einen außergewöhnlichen Trip durch eine psychedelische Welt zu inszenieren und das Publikum mit Moralzerwürfnissen und einer Prise bitterbösem Humor in Argwohn zu versetzen. Dabei schafft es Lanthimos das Grundkonstrukt einer Rachegeschichte, von dem schon aberdutzende Male Gebrauch gemacht worden ist, auf eine einzigartige Weise neu aufleben zu lassen. Der Streifen hat raffinierten Biss, den nötigen Mut und scheut sich keine Sekunde dies zu verbergen. "The Killing of a Sacred Deer" ist feinste Unterhaltung der skurrilen Sorte und eines von Lanthimos stärkeren, wenn nicht sogar das stärkste Werk seiner bisherigen Filmografie.  

Kritik: Oliver Koch

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