Mir “Lost River” präsentiert uns der Schauspieler Ryan Gosling nun seinen eigenen Film. Im Gegensatz zu anderen Darsteller*innen wie Barbra Streisand, Zach Braff oder Chris Evans, spielt Ryan Gosling in seinem Debütfilm selbst nicht mit. Stattdessen übernehmen die Hauptrollen Christina Hendricks, mit der Ryan bereits in “Drive” zusammen gespielt hat und die vor allem aus der Serie “Mad Men” bekannt ist. Außerdem der schottische Schauspieler Iain De Caestecker, der neben James McAvoy in “Drecksau” spielte und sich einen Namen in der Serie “Marvel’s Agents of S.H.I.E.L.D.” machte. Saoirse Ronan, die bereits mit ihrer Performance in “Abbitte” eine Oscar Nominierung ergattern konnte und der britische Darsteller Matt Smith, den viele aus der Serie “Dr. Who” kennen.
Außerdem wirkt im Film Ryan Goslings Lebensgefährtin Eva Mendes mit, die auch Kostüme für “Lost River” organisierte. Dafür wollte sie weder Gage noch sonstige Anerkennung haben. “Lost River” ist auch ihr bisher letzter Film.
Man merkt, dass die Zusammenarbeit mit Nicolas Winding Refn, Einfluss auf Ryan Gosling genommen hat. Außerdem ist Gosling ein großer Fan von David Lynch. In einem Interview berichtete er, wie sehr in damals der Film “Blue Velvet” beeindruckt hat. Man erkennt in Goslings Erstlingswerk die ästhetische Gewandtheit, die auch Nicolas Winding Refn in seinen Filmen vertritt. Atmosphärisch hat “Lost River” etwas von “Only God Forgives” im Zusammenspiel mit “Lost Highway”. Die Bilder, die Kameramann Benoît Debie, präsentiert fangen die Tristesse der Gegend gekonnt ein.
Im Wechsel von Nahaufnahmen und unterschiedlichen Kamerawinkeln, unternimmt das Publikum eine Reise in die Seele der Protagonist*innen und der Umgebung. Besonders künstlerisch sind die Aufnahmen in den Ruinen der Kleinstadt. Eine Einstellung von Benoît Debie zeigt ein Gebäude, das von innen gefilmt wird: Die Kamera beginnt oben an der Decke und wandert langsam die Wand hinunter zum Boden. Diese Einstellung lässt das Gebäude beinahe wie eine Kathedrale wirken. Das Zusammenspiel von Licht und Schatten, machen die Szene noch eindrucksvoller.
Die Dreharbeiten von “Lost River” fanden in Detroit statt. Ryan Gosling kam auf die Idee, als er dort in der Nähe gerade “The Ides of March – Tage des Verrats” von und mit George Clooney drehte. “Lost River” handelt vom Untergang des amerikanischen Traums. Familien in Reihenhäusern, mit weißen Gartenzäunen, der Wohlstand der Arbeiterklasse. An der Stadt Detroit, der einst stolzen Arbeiterstadt, die großartige Autos und Rapper Eminem hervorbrachte, erkennt man den Zerfall der USA sehr gut. Kriminalität ist an der Tagesordnung, viele zerstörte Stadtviertel, Häuser ohne Strom und Wasser, siedeln sich in Detroit an. Oder bestehen dort seit vielen Jahren.
Für Ryan Gosling ist die Stadt Detroit ein Symbol vom Niedergang der USA. Den amerikanischen Traum gibt es nicht mehr. Dennoch halten einige Einwohner*innen daran fest. So wie auch in seinem Film “Lost River”, der eine Stadt zeigt, die einst das Sinnbild des amerikanischen Traums darstellte. So wie die Häuser im Film zerfallen, zerfällt auch die USA in immer weitere kleine Teile. Das System hat Risse, es bröckelt von den Wänden ab und wird zum Schatten seiner selbst. Die Menschen leben in einer Hülle und sind Gefangen in ihrem Traum. Sie halten daran fest und sind bereit, alles dafür zu tun, selbst wenn sie dabei ihre Grenzen überschreiten.
Die versunkene Stadt, die unter einem See liegt und deren Straßenlaternen aus dem Wasser ragen kann als Sinnbild gesehen werden, wie ein Weg, der ins Nirgendwo mündet. So wie die Protagonist*innen, die an ihrem Traum festhalten, in eine Richtung gehen und dann vor einer Sackgasse stehen. Tatsächlich gibt es wirklich eine Stadt, die das Schicksal mit der aus “Lost River” teilt.
Als Kind entdeckte ich beim Stromern durch die Wälder eines Tages tatsächlich eine Straße, die direkt ins Wasser hineinführte. Meine Mutter erzählte mir, dass es unter dem Wasser eine Stadt gab, weil man das Gebiet vor etlichen Jahren überflutet hatte, um einen Schiffskanal zu bauen. Dass ich damals in einem Fluss geschwommen bin, in dem es eine Unterwasserstadt gibt – das finde ich auch heute noch faszinierend.
Ryan Gosling im Interview mit der Frankfurter Rundschau | Hier ganzes Interview lesen
Erst wenn wir alles verloren haben, sind wir frei, alles zu tun.
Chuck Palahniuk – Fight Club
Ob es Ryan Goslings Intension war, mit “Lost River” auf Chuck Palahniuks Zitat anzuspielen? Genau so habe ich es empfunden. Die Protagonist*innen können erst frei sein, wenn sie nichts mehr haben, was sie an diesem trostlosen Ort hält. Erst wenn alles niedergebrannt oder komplett zerstört ist, würden sie aufgeben und ihre Mühen auslassen.
EIN ENSEMBLE DAS HERAUSSTICHT
Darstellerisch kann vor allem Ben Mendelsohn mit dem Ryan Gosling bereits in “The Place Beyond the Pines” zusammen arbeitete, glänzen. Seine Performance im letzten Akt des Films ist überragend. Ebenso begeistern konnte Saoirse Ronan (In meinem Himmel), die zu den besten Charakterdarsteller*innen ihrer Zeit zählt. In “Lost River” zeigt sie auch, was sie gesanglich auf dem Kasten hat. Matt Smith (Morbius) der mir vor allem aus “The Crown” bekannt ist, konnte als schmieriger, gewalttätiger Rowdy vollends überzeugen. Besonders heraus sticht jedoch Christina Hendricks (Das krumme Haus), die das Publikum nicht nur mit ihren Blicken fesselt, sondern auch mit ihrer Darbietung an die Emotionen der Zuschauer*innen appelliert. Eva Mendes (Ghost Rider) liefert eine großartige Tanzeinlage ab, hält sich in “Lost River” jedoch eher im Hintergrund. Die Bühne gehört ganz klar Ben Mendelsohn und Christina Hendricks.
Aris Costner, im Film als Mama Aris auftritt ist gar kein fester Bestandteil des Ensembles. Tatsächlich ist sie eine Anwohnerin, die zufällig an der Tankstelle vorbei kam. Matt Smith und sie entwickelten die Szene gemeinsam, dass es sich hierbei um eine Amateurin handelt, fällt gar nicht auf. So schafft es Ryan Gosling seine Protagonist*innen in “Lost River” echt wirken zu lassen. Man kann sich mit ihnen identifizieren, da nichts verschönt oder überzeichnet wird. Tatsächlich können alle beteiligten Darsteller*innen sich künstlerisch voll entfalten, was auch selten in einer Filmproduktion ist.
Der Soundtrack, von Johnny Jewel wechselt zwischen 40er Jahre Nummern über 80er Synthie-Sounds und bleibt im Ohr.
Da im November 2014 ein Hackerangriff auf Sony stattfand, konnte “Lost River” nicht regulär in den Kinos anlaufen und wurde stattdessen im April 2015 als Direct-to-Video-Produktion zu veröffentlicht. (Quelle: Wikipedia)
FAZIT:
Schlussendlich ist "Lost River" ein Kunstwerk, das nicht perfekt ist, aber als „urbanes Märchen“, wie Gosling es selbst nennt, gesehen werden kann. Ein Film mit Einschlägen des Neo Noir Genres. Mit den beeindruckenden Bildern, der Ästhetik und dem Soundtrack kann "Lost River" mit den Werken von David Lynch und Nicolas Winding Refn mithalten und das Publikum begeistern. Allerdings muss man sich auf diese Kunst einlassen, sonst wird man am Ende enttäuscht werden.