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frenzypunk

Kritik von frenzypunk

Gesehen: März, 2023

Kritik im Original

Todd Fields Musikdrama “Tár” fängt ungewöhnlich an. Üblicherweise wird das Publikum zu Anfang mit Bildern oder bereits einem Geschehen der Handlung konfrontiert. “Tár” beginnt mit dem Abspann. Das heißt nicht ganz, denn es wird nur der Stab aufgezählt und sonst nichts weiter. Ungewöhnlich, jedoch irgendwie künstlerisch diese Herangehensweise.
Wie ich es in der letzten Zeit so halte, sehe ich mir weder Trailer an, noch befasse ich mich zu sehr mit der Handlung eines Films. Das lässt eher zu, dass mich Filme überraschen können und auch, dass ich die Handlung nach und nach selbst erforschen kann. So auch bei “Tár”. Ich wusste, Cate Blanchett würde die Hauptrolle spielen, es handelte sich um eine Dirigentin und der Film ist für den Oscar im Rennen. Allerdings wusste ich nicht, in welcher Kategorie.
Ich ließ mich also ohne Vorbehalte auf “Tár” ein und dachte mir während der stolzen 158 Minuten, die der Film hat, ob das nicht ein Fehler war. Todd Fields Stilmittel in “Tár” ist besonders das Pferd von Hinten aufzuzäumen. Natürlich ist mir diese Art der Erzählung bekannt, eine Szene wird angerissen, das Publikum versteht erst einmal gar nichts und Stück für Stück endet das ganze in einem dramatischen Aha-Effekt. “Tár” reißt viele Szenen an, die völlig aus dem Kontext gerissen wirken.
Die ganze Zeit über fragte ich mich, ob ich vielleicht vorher die Kurzbiographie von Lydia Tár (Cate Blanchett) hätte lesen sollen, um die Handlung besser zu verstehen. Nach dem Kinobesuch versicherte ich mich, dass es um Lydia Tár (Cate Blanchett) eine fiktive Person handelte und ich im Vorfeld gar keine Informationen über sie herausfinden hätte können. Auch diverse Skandale, scheinen mir entgangen zu sein, so dachte ich. Die Handlung von “Tár” spielt immerhin nach dem Corona-Lockdown im Jahr 2019. Auch steht Social Media stark im Vordergrund, sowie die #MeToo Kampagne, People of Color und die LGBTQIA+ Bewegung.

Leider ist das genau das Problem von “Tár”, vieles wird angerissen und nicht vollendet. Es gibt viele Szenen, die wirken, wie eine Idee, die nicht zu Ende geführt wird. Als hätte Todd Field in seinem Drehbuch einen Satz begonnen und wurde abgelenkt. Er traut sich nicht, auf diverse Themen näher einzugehen. Schlussendlich fragt sich das Publikum am Ende, was genau “Tár” aussagen wollte. Ist es die #MeToo Debatte, der schlechte Umgang mit People of Colour oder die Frage: Kann man die Kunst von Künstler*innen trennen? “Tár” lässt schlussendlich viele Fragen offen und scheint sich in zu vielen Themen zu verlieren. Gleichzeitig bekommt man auch den Eindruck, Todd Field wollte, wie Darren Aronofsky in “Black Swan”, eine Geschichte kreieren, dessen Erfolg eine Künstler*in in den Wahnsinn treibt.
Lydia Tár (Cate Blanchett) wacht jede Nacht auf, wird immer geräuschempfindlicher und scheint Dinge zu hören, die gar nicht vorhanden seien. Diese Szenen ließen mich Nina Sayers (Natalie Portman) ins Gedächtnis rufen, deren Perfektionismus in “Black Swan” sie in Wahnvorstellungen trieb. Ähnlich scheint es mit Lydia Tár (Cate Blanchett) zu sein, die den Druck nicht aushalten kann und immer weiter den Hang zur Wirklichkeit verliert. Cate Blanchett mimt dies mit Bravour und trägt den Film auch völlig alleine auf ihren Schultern. Die anderen Darsteller*innen sind beinahe nicht nötig oder erblassen neben ihrem grandiosen Schauspiel. Kalte und statische Kulissen untermalen Lydia Társ Charakter, die wohl ebenso kalt zu sein scheint, wie ihre Wände im gemeinsamen Heim mit Ehefrau Sharon (Nina Hoss), das einem Museum gleicht.

Hildur Guðnadóttirs Musikauswahl ist berauschend. Für Klassikliebhaber*innen ist “Tár” allein schon deswegen ein Genuss. Florian Hoffmeister glänzt mit großartiger Kameraarbeit. Ruhige Bilder schaffen eine ruhige, jedoch nicht langweilige Atmosphäre. Außerdem scheint Hoffmeister ein Gespür dafür zu haben, die Hauptdarstellerin immer im richtigen Licht zu präsentieren. Hell- und Dunkelkontraste, sowie Nahaufnahmen im Detail, runden das Bild ab. Technisch ist “Tár” wahrlich ein Kunstwerk, angefangen bei dem Abspann am Anfang, Kameraarbeit, Kulissen, Musik und Cast. Doch kann “Tár” nicht immer fesseln, vor allem, weil Zuschauer*innen ständig mit dem Gedanken spielen, wo die Reise am Ende hingeht und was “Tár” schlussendlich sein will. Ein Biopic? Gesellschaftskritik? Oder einfach den Verfall einer Person im Rampenlicht?

Vor allem die Debatte, Künstler*innen von ihren Werken zu trennen, scheint den Focus der Handlung hin und wieder einzunehmen, neben der Tatsache, dass Lydia Tár (Cate Blanchett) eine Frau ist, die sich in einem Männerberuf behauptet hat und sogar erfolgreicher ist, als alle anderen. Sie wird nicht als Überfrau beschrieben, jedoch als eine starke Persönlichkeit, die eben schaffen kann, was ebenso ein Mann schaffen kann. So ist es völlig gleich, welches Geschlecht man hat, wenn man genug Talent und Ehrgeiz hat, kann man alles schaffen. Lydia Tár (Cate Blanchett) bringt dies mit, vor allem, weil sie mehr in ihrem Beruf lebt, als bei ihrer Familie. Irgendwann steht einmal der Satz im Raum “man wird schon als schuldig gesprochen, ehe die Schuld bewiesen ist”, was wir in den letzten Jahren mehrmals gesehen haben.
Johnny Depp, Bill Cosby, Chris Noth und Luke Mockridge sind einige Beispiele, an die sich der ein oder andere sicherlich erinnert. Ich will niemanden dieser Personen in Schutz nehmen, jedoch ist es besonders in den Sozialen Medien bereits Trend, Personen zu degradieren, ehe man weiß, ob sie schuldig sind. Lydia Tár (Cate Blanchett) scheint ein ähnliches Schicksal erleiden zu müssen und diskutiert selbst auch mit ihrem ehemaligen Lehrmeister Andris Davis (Julian Glover) inwieweit man Personen von ihren Werken trennen sollte. Sollte am Ende nur die Kunst im Raum stehen, völlig unabhängig von Künstler*innen? Sollten wir einfach nur das Werk betrachten, völlig unabhängig davon, wer es erschaffen hat? Ist es richtig Filme wie “Corsage” aus dem Kino zu nehmen und in die Schublade zu stecken, weil ein Kameramann einen Fehltritt hatte, der unverzeihlich ist, jedoch nun auf den Schultern aller, die am Projekt beteiligt waren, getragen werden muss.

FAZIT:

“Tár” ist schlussendlich nur so gut, weil seine Hauptdarstellerin das Publikum fasziniert. Jedoch ist “Tár” mindestens eine halbe Stunde zu lang und erzählt quasi viel und eigentlich auch nichts. Todd Field reißt in seinem Werk einiges an und bringt gute Ansätze, führt diese jedoch nie wirklich zu Ende. Der rote Faden scheint immer wieder aufgezogen zu werden und verliert sich dann nach ein paar Minuten im Nichts. Vielleicht ist es aber auch genau das, was Todd Fields mit “Tár” bezwecken wollte. Uns aus unserer Komfortzone locken, unangenehme Themen anzusprechen und uns darüber Gedanken zu machen.


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