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Die begnadete Dirigentin und Komponistin Lydia Tár ( Cate Blanchett) steht an der Spitze der klassischen Musikszene. Auf dem Höhepunkt ihrer Karriere plant sie eineEinspielung Gustav Mahlers Fünfter Sinfonie. Doch während der Proben gerät die Welt der egomanischen Star-Dirigentin aus den Fugen. Frühere Lebensentscheidungen, Anschuldigungen und ihre eigenen Obsessionen überschatten was ihr größter Triumpf werden sollte.

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Quelle: themoviedb.org

Kritik

Musik, Macht und Manipulation sind die Leitmotive einer cineastischen Komposition, die nicht nur ebenso brillant, sondern auch ambivalent, anstrengend und antipathisch ist wie ihre Titelfigur. Deren präzise Verkörperung durch Cate Blanchett (Borderlands) ist der faszinierende Fixpunkt eines Psychogramms, dessen systemkritische Subtilität und kunstanalytische Komplexität eine sorgsam konstruierte Fassade verbirgt. Oberflächlich betrachtet seziert Todd Fields (The Creed of Violence) in einem mehr als zehnjährigen Arbeitsprozess entworfene Studie einer grandiosen Dirigentin, deren avisierter musikalischer Triumph von Anschuldigungen beruflicher sexueller Ausbeutung bedroht wird.

Doch bereits diese erste der vielen thematischen Schichten entwirft das selten gezeigte Bild einer unterprivilegierten Figur, die das diskriminierende System, gegen das sie sich erfolgreich durchgesetzt hat, nun zugunsten ihrer eigenen Position darin unterstützt. Von ihrem Künstler-Alias, das ihre Arbeiterklasse-Herkunft verschleiert, bis zu den Designeranzügen, die Stil und Silhouette ihrer Kollegen imitieren, ist Lydia Tár (Blanchett) perfekt assimiliert an ihr männerdominiertes Berufsfeld, dessen patriarchalischen Konservativismus sie zwar offiziell abstreitet, aber didaktisch und diskursiv fortsetzt.

In dieser Hierarchie nutzt sie ihren relativen Vorteil als westlich, weiß und cis hinter dem Schutzschild ihrer Identität als queere Frau zur systematischen Diskreditierung derjenigen, welche die konservativen Strukturen aufbrechen könnten. Ausnahmen bilden potenzielle Sexobjekte wie die hochbegabte Cellistin Olga (Sophie Kauer) und einst Társ Partnerin und Konzertmeisterin Sharon (Nina Hoss, The Contractor). Zweite ist eine der Wenigen, die sich von Társ missbräuchlichem Einfluss zu lösen versuchen, als deren Schikanen ein früheres Opfer in den Tod treiben.

Wenn Tár auf Beutezug buchstäblich auf die Fresse fällt und die Verletzungen als Überfall ausgibt, offenbart sich das Kalkül einer absolutistischen Autoritätsperson, die ihr persönliches Umfeld so souverän dirigiert wie ihr Orchester. Doch das menschliche Metronom, mit dem sie sich in einem Interview vergleicht, ist aus dem Takt, verraten sarkastische Symbolbilder. Diese verflechten sich mit albtraumhaften Ankündigungen der egomanischen Eskalation der äußerlich kühlen Komponistin und markieren zugleich den Übergang von parabolischem Portrait zum phantasmagorischen Psychothriller.

Die Neuralgien und Nervosität der perfiden Protagonistin manifestieren sich als körperliche Konsequenz der unerbittlichen Unterdrückung der eigenen Persönlichkeit, die sie predigt; angeblich im Namen der Musik, tatsächlich jedoch im Dienste einer zutiefst intoleranten Institution. Als Társ Karriere ins Straucheln gerät, bewirk das keine etwaige „Cancel Culture“, sondern ihr eigenes elitäres Establishment. Dem geht es nicht um Rechtschaffenheit, sondern die Aussonderung unerwünschter Subjekte in einem musikalischen Mikrokosmos, der das Gegenteil der von ihr postulierten Identiätslosigkeit darstellt.

Fazit

Geschickt in die Fiktion verwobener Realismus und Horror-Elemente steigern die subtile Suspense der hypnotischen Handlung, die entscheidende Informationen in flüchtigen Momenten versteckt. Jedes Detail der analytischen Inszenierung spiegelt eine Facette der perfiden Protagonistin, deren musische Brillanz sie nicht vor der fatalen Fehleinschätzung ihrer Stellung innerhalb eines rigiden Statussystems bewahrt. Hildur Guðnadóttirs kongenialer Soundtrack erweitert den Deutungsreichtum Todd Fields pessimistischen Dramas von Kunst und Konservativismus, Genie und Grausamkeit, Ichverlust und Identitätspolitik vor dem Hintergrund eines eindrucksvoll recherchierten Milieus.

Kritik: Lida Bach

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