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memorylab

Kritik von memorylab

Gesehen: Februar, 2022

Das Drama C’mon C’mon von Mike Mills verfolgt die Arbeit des Radiojournalisten Johnny (Joaquin Phoenix), der Jugendliche in Detroit und weiteren Großstädten der USA interviewt und sie nach ihrer Zukunft unter anderem befragt. Eines Tages wird er von seiner Schwester Viv (Gaby Hoffmann) angerufen, die ihn darum bittet nach Los Angeles zu kommen, damit er ihren Sohn Jesse (Woody Norman) sehen kann. Obwohl sie seit einem Jahr nach dem Tod ihrer Mutter keinen Kontakt mehr zueinander hatten, folgt Johnny ihrer Bitte und lernt Jesse näher kennen. In Vivs Familie kriselt es, denn sie schafft es nicht mehr sich gleichzeitig um Jesse und ihren Mann Paul zu kümmern, der wegen psychischen Problemen in Oakland therapiert wird. Darum bitte sie ihren Bruder, dass er eine Woche lang auf ihren Sohn aufpasst. Johnny akzeptiert dies und es beginnen für ihn ein Balanceakt zwischen dem Fortführen seiner Arbeit und die auf ihn übertragene Mutter-Rolle für Jesse.

Ein Appell an die Erwachsenen

Die monochrome Bildsprache lässt den Film wie ein zeitloses Abbild der Jugend wirken, dessen Inhalt für die vergangenen und nachfolgenden Generationen nicht an Gültigkeit verlieren wird. Der Film springt zwischen zwei inhaltlichen Zeitachsen: Während wir das hier und jetzt mit Johnny und Jesse verfolgen, geben die Radiointerviews einen Blick von Außen über das künftige Leben der Jugend in Amerika. Die Gespräche werden sehr authentisch geführt: Johnny stellt eine herausfordernde, aber leicht formulierte Frage und lässt die Interviewten überlegen, aussprechen und bildet aus ihren Antworten vertiefende Fragen – einfach, aber das ist auch die Kunst des Zuhörens. Die Antworten sind ehrlich, bedrückend, abwechslungsreich und zeugen von einer erfrischenden Reife: „Erwachsene sollten sich nicht so oft wie Bosse benehmen“, „denken zu viel in Schubladen“ und sie wollen eine verbesserte Version ihrer Eltern sein – viele Aussagen sind wie ein überfälliger Weckruf an die ältere Generation zur Neuausrichtung ihrer Denkweise.

Mutterschaft kennt keine Anleitung

In die temporäre Erzieherrolle stolpert Johnny erwartet hinein – ein schwerer, anstrengender Aufstieg hinauf zum Freundschaftsgipfel beginnt. Hin und wieder zeigt Jesse ihm den Weg hinauf, indem er Szenarien wie das Leben eines Waisenkindes durchspielt und Johnny darauf eingehen muss – es fällt ihm mit seiner zu sachlichen Art schwer, da zunächst mitspielen zu wollen. Teilweise verliert er auch die Route zur Bergspitze, wenn er mit seiner Arbeitskollegin telefoniert und dabei Jesse aus den Augen verliert. Jesse merkt sich dieses Fehlverhalten, kreidet es ihm an und er testet Johnny keineswegs – jede Unaufmerksamkeit wird notiert und imitiert z.B. ein pantomimisches Tippen auf dem Smartphone. Jesse weiß auch Bescheid über die Abwesenheit seines Vaters und umgeht dies bewusst mit exzentrischem Dirigieren bei lauter, klassischer Musik gemeinsam mit seiner Mutter oder er lauscht per Kopfhörer dem Klang am Strand, in Parks und urbanen Vierteln dank Johnnys Beruf. Gelegentlich telefoniert Johnny mit seiner Schwester Viv und sie gibt ihm dabei Ratschläge, wie er mit Jesse umzugehen hat und was seine Eigenheiten sind. Johnny merkt an, dass ihm diese Rolle sehr schwer fällt und sie indirekt dafür lobt, dass sie auch dies meistert – ein Beleg für die schweren Herausforderungen und das ständige Anpassen in der Mutterschaft. Zwischen Johnny und Jesse entsteht eine wunderbare Freundschaft, die sich über die gesamte Handlung hinweg organisch entwickelt.

C’mon C’mon ist der aufmunternde Gegenentwurf zu Maggie Gyllenhaals The Lost Daughter zum Thema Mutterschaft. Während Gyllenhaal das Scheitern dieser Aufgabe behandelt, präsentiert Regisseur Mike Mills das aufregende, mühselige Meistern der vielen Hürden, das sich am Ende auszahlt. Joaquin Phoenix und Woody Norman harmonieren auf ihrer Reise durch die Metropolen toll miteinander und machen die Schwarzweiß-Bilder richtig lebendig. Ebenfalls könnte man den faszinierenden Interviews mit Amerikas Jugend noch stundenlang zuhören, weit über die letzte Zeile des Abspanns hinaus. Weg mit dem kategorisierten Denken, weg mit der unbegründeten, stets währenden Abgebrühtheit der Erwachsenen und mehr Aufmerksamkeit und Zuneigung für die Gefühle und Bedürfnisse der jungen Generation – ein dringender, schön verpackter Appell an unsere Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

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