Als Fotojournalist steht man vor der Wahl, ob man sich in die Verzweiflung herabbegibt oder die Schönheit zelebriert.
– so ungefähr sinniert der Autor Sylvain Tesson über den Beruf von Vincent Munier, der sich der Lebensaufgabe verschrieben hat die Natur und die Tierwelt mit ihrem gebührenden Respekt zu begegnen und sie in Bildern einzufangen. Die filmische Adaption des gleichnamigen Buches von Tesson entscheidet sich für die zweite Option und präsentiert den Zuschauern eine verborgene, intakte Natur in den tibetanischen Gebirgen, in der die Tiere die Landschaft und die widrigen Lebensbedingungen in- und auswendig kennen. Sylvain und Vincent haben sich nicht nur vorgenommen dem raren, titelgebenden Wächter dieser Gefilde begegnen zu wollen, sondern versuchen mittels Bildern und Philosophie die ursprünglichen Kräfteverhältnisse auf der Welt darzustellen und die Ehrfurcht vor dem Taktgeber – die Natur – zu vermitteln, dem sich der Mensch fügen muss.
Nature loves to hide
Sich der Natur zu fügen benötigt vor allem eines: Geduld, sich für Stunden auf die Lauer zu begeben und den Blick auf die Landschaft durch das Teleobjektiv zu werfen, so wie es die beiden Herren vormachen. Man gerät dabei in einen Sog aus meditativen Kameraeinstellungen: Eine Antilopen-Herde, die in eigenständigen Formationen über die Gebirgskette wandert, Yaks, die ihre Präsenz Richtung Kamera oder Sonnenlicht ausüben oder Pallaskatzen, die sich im Zickzack an kleine Hamster heranpirschen – die Bilder besitzen eine Mischung aus Unversehrtheit, Faszination und Respekt, bei denen man sich wünschen würde sie viel länger sehen zu dürfen. Dazu gesellen sich die genauso atemberaubenden, vom Überlebenskampf geprägten Fotografien der erwähnten Tiere von Vincent sowie die passende, musikalische Untermalung von Nick Cave und Warren Ellis. Das alles ebnet schlussendlich den Weg für die ergreifende Begegnung mit dem scheuen Schneeleoparden in seiner anmutigen Gestalt.
Der Schneeleopard ist ein visuell beeindruckender Appell zur Entschleunigung und Erinnerung an die Lebendigkeit um uns herum, indem die Zuschauer für 90 Minuten (oder am besten weit darüber hinaus) ihre Augen auf die Welt der Natur und Tiere Tibets richten, ihre facettenreiche Gestalt erkennen und bewahren.