Der vermutlich beste Actionfilm des Jahres, der auf jeglichen Green Screen verzichtet. Top Gun: Maverick ist zweifelsohne für die Kinoleinwand geschaffen worden: Brachialer Sound, ehrfürchtige Cockpitaufnahmen und verrückte Flugchoreografien werden den Zuschauer:innen derart um die Ecke geknallt, dass man an den Kinosessel gebannt wird und das Spektakel mit großem Staunen und Grinsen betrachtet. Dennoch ist der Nachfolger von Tony Scotts drögen Testosteron-überlaufendem Streifen aus dem Jahr 1986 eine faule, peinlich-genaue Rekonstruktion der damaligen Handlungsstruktur. Harold Faltermeyers markantes Main Theme, Kenny Loggins‘ Danger Zone, das Starten und Landen auf dem Highway des Flugzeugträgers – Das Intro ist damit ein atemberaubender Fan-Service, aber darüber hinaus kehren noch so viele weitere Kernelemente aus Top Gun zurück, dass sich zu der Nostalgie leider auch Schnulze hinzugesellt.
Die Botschaft der US Navy ist hier ebenfalls zu erkennen, dieses Mal mit einer Schlitzohrigkeit zwischen den Zeilen. Nachdem das Feindbild des Russen sich nun im Standby-Modus befindet, ist der auserkorene Gegner des US-Militärs auf dem Blatt unklar, aber auch unmissverständlich: Der „Schurkenstaat“. Das kann im Grunde genommen jede Nation außerhalb des NATO-Bündnisses sein, sobald es geopolitisch aus der Reihe tanzt und es von US-Seite dann heißt: „Macht nur einen falschen Schritt und wir hetzen unsere Jungs auf euch!“ Das amerikanische Militär zeigt sich vorbereitet und in der Lauerstellung.
Die Vorbereitung richtet sich unter anderem auf den gegenwärtigen Auftrag, den Maverick von Admiral Beau Simpson (Jon Hamm) erhält, nachdem er wieder zur Top-Gun-Flugbasis im San Diego-Viertel Fightertown beordert wird: Ein Schurkenstaat hat unter einer Gebirgskette ein Kraftwerk mit Silos errichtet und reichert damit Uran an, um natürlich neben Strom auch Atomwaffenkörper herstellen zu können. Welcher Staat mit diesem Vorhaben aktuell in der realen Welt gemeint sein könnte, kann man sich denken. Diese Silos gilt es zu zerstören mittels Lenkraketen und präzisen Flügen. Dank dieser Mission arbeitet Top Gun: Maverick ab Ende des ersten Drittels auf ein konkretes Ziel hin, bei dem drei Dinge auf dem Spiel stehen: Das Unterbinden von feindlichen Machtbestrebungen, die sichere Heimkehr der Pilot:innen und selbstverständlich die Reputation der US Navy. Im Vorgänger stand hingegen nur das Absolvieren der Abschlussprüfung für Maverick mit tragischen Umwegen und eine eilig herbeigerufene Zusatzmission im Vordergrund, aber das wurde auch schnell belanglos wegen der überdrehten, werbehaften Inszenierung der US-Elitepiloten.
Abseits der Vorbereitungsflüge schlittert der Film in eine oberflächliche Beziehungsgeschichte zwischen Maverick und der Barkeeperin Penny (Jennifer Connelly), die in der Nähe der Flugbasis arbeitet, hinein. Glücklicherweise wird hier nicht Berlins Take My Breath Away angestimmt, aber die hier angewandte seichte Untermalung im Hintergrund kann ihr Zusammenspiel nicht aufwerten. Der damalige Rivale Iceman, gespielt vom Kehlkopfkrebs stark gezeichneten Val Kilmer, erscheint, um Maverick für die halsbrecherische Mission mental fit zu machen und die emotionalen Stakes bei den Zuschauer:innen zu erhöhen. Obendrein trifft er in der Flugbasis auf den Sohn seines verstorbenen Kollegen Goose mit dem Codenamen Rooster (Miles Teller). Hier gilt es eine obligatorisch schwierige Vergangenheit zwischen den beiden aufzudröseln. Dies gelingt auch im Zuge des Finales, das fast einer Simulation gleicht durch das undeutliche Feindbild, aber dafür die Düsenjet-Staffel fantastisch einfängt. Zeitweise zieht sich dort die Geschichte, nur um dann hastig zum Ende zu fliegen. Der Soundtrack schmiegt sich in die kitschige Geschichte ein mit 80er-Soundanleihen und augenrollenden Versen von Lady Gaga wie: "Hold my hand, everything will be okay; I heard from the heavens that clouds have been grey" oder "You can cry every last tear; I won't leave 'til I understand; Promise me, just hold my hand".
Unterm Strich ist Top Gun: Maverick die letzte Lobeshymne auf die Ära der Kampfjets und markiert den Übergang hinüber zu den ferngesteuerten Militärdrohnen. Die typografische Entscheidung, die Schrift Futura für den Einführungstext zu verwenden, ist nicht ohne Grund gefallen, denn nach dem Flieger ruft die Einsatzzentrale für weltweite Drohnenmissionen. Die Werbung für das stets in Bereitschaft stehende US-Militär und der als Mission getarnte Wink mit dem Zaunpfahl in Richtung eines nahöstlichen Staates sollte man ebenfalls nicht aus den Augen lassen. Das Ganze wird mit einem Blockbuster-Konstrukt der Extraklasse unterstützt, das seine Längen hat. Tom Cruise glänzt in seiner Rolle mit einem emotionalen Fundament und generell zeigen alle Kampfpilot:innen eine grundsolide Performance. Wie hier die g-Kräfte auf ihre Gesichter einwirken und diese sie bisweilen in die Bewusstlosigkeit zwingt, ist beeindruckend mitanzusehen. Der Sound der Kampfflugzeuge, der actiongeladenen Dogfights und der Explosionen aus jedem Blickwinkel sucht seinesgleichen. Jedoch stören der Kitsch an jeder zweiten Ecke und das Männergehabe etwas, aber davon abgesehen wird man mit einer spektakulär eingefangenen Flugshow konfrontiert.