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»Eine ganz normale Familie«

Malinche

Von Malinche in »Ich stellte mir Freaks vor« — Interview mit »El Clan«-Regisseur Pablo Trapero

»Eine ganz normale Familie« Bildnachweis: © 20th Century Fox

Mineralwasser statt Mate-Tee — trotzdem kommt sofort argentinisches Flair auf, als ich an dem kleinen runden Tisch Platz nehme, um Pablo Trapero mit Fragen zu löchern. Das liegt an der Sprache. Den Interviewslot teile ich mir nämlich mit der argentinischen Journalistin Alejandra López von Funkhaus Europa, unsere Fragen werden wir im Wechsel stellen. »Sprechen wir Spanisch?«, fragt Pablo Trapero etwas überrascht.

Alejandra López kontert: »Wie wär’s, wenn wir ins Schwedische wechseln?«

»Nein«, sagt Trapero und grinst verschmitzt, »ich bevorzuge Schweizerdeutsch.«

Am Ende wird es natürlich doch Spanisch. Zwei Argentinier quasi unter sich, ich bin umgeben von dem weichen, singenden Río-de-la-Plata-Spanisch und starte das Diktiergerät.

Trapero wirkt entspannt. Der argentinische Regisseur hat im spanischsprachigen Raum bereits einiges an Trophäen eingeheimst. Seine Filme dringen bevorzugt in Mikrokosmen der argentinischen Gesellschaft ein, mit »El Clan« hat er sich das erste Mal eines realen Stoffs angenommen. Dass der Film ihn noch immer begeistert, merkt man sofort: Auch wenn Trapero manche unserer Fragen schon sehr oft gehört haben dürfte, antwortet er auf jede lebhaft und mit sichtbarer Freude daran, das alles ganz genau auszuführen.

Du warst 13 oder 14, als die Verbrechen der Familie Puccio aufgedeckt wurden. Wie hast du diese Nachrichten damals wahrgenommen? Wie präsent waren sie?

Es war eine total verrückte Nachricht. Die Schlagzeile lautete ungefähr so: »Eine Familie aus San Isidro entführt ihre Freunde und Bekannten aus dem Viertel, kassiert Lösegeld und bringt sie um«. So in etwa. Ein paar Jahre später gab es die Nachricht von dem, was am Ende des Films mit Alejandro im Gericht passiert (das verraten wir natürlich hier nicht), und das war auch eine sehr wichtige Nachricht. Ich war schon älter, es waren ein paar Jahre vergangen seither. Und erst 2007 begann ich, mir zu überlegen, dass man aus dem realen Fall möglicherweise einen Film machen konnte. Zu jener Zeit arbeitete ich gerade an meinem Film »Löwenkäfig«, parallel dazu begann ich mit »El Alacrán«.

Schon zu jenem frühen Zeitpunkt war ich mir sicher, dass der Film nicht primär ein Thriller oder ein Krimi oder ein Film über einen speziell argentinischen Kontext sein würde, sondern in allererster Linie der Film über die Beziehung zwischen einem Vater und seinem Sohn. Oder, wenn man so will, zwischen einem Vater und seinen Söhnen, nicht? Aber vor allem Alejandro und Arquímedes.

Deshalb ist der Film letztendlich eher universell. Sogar in Argentinien ist der Fall zwar bekannt, aber er war nie wirklich berühmt. Es gab nicht viel Information. Die jüngeren Generationen haben vermutlich mal den Namen Puccio gehört, aber keine Ahnung, wer das ist. Für meine Generation und die davor war es ein Fall, der im Gedächtnis blieb, aber bis ich anfing, den Film zu drehen, war jenseits der Nachrichten aus den 80er Jahren nicht viel bekannt.

Es ist also eine Vater-Sohn-Geschichte, eine sehr universelle Geschichte. Sind die Puccios also eine ganz normale, archetypische argentinische Familie?

Die Puccios sind eine ganz normale Familie, in diesem Sinne: typisch für überall. Und das war ja das Überraschende an jener Nachricht. Als ich mit meinen Recherchen begann, fragte ich mich: Wie waren die Puccios wohl, wenn sie unter sich waren? Ich stellte mir Freaks vor, so in der Art der Familie bei »True Dective«. Aber als wir mit den Leuten sprachen, verstanden wir langsam, wie es wirklich war und was den Fall vor allem so schockierend machte: Die Puccios waren nach außen und nach innen eine ganz normale Familie, mal davon abgesehen, dass sie ein paar Leute entführt hatten — aber sonst?

Er war ein bekannter Buchhalter, die Mutter Lehrerin in einer sehr respektablen Schule. Alejandro war ein Star, aber nicht einfach nur ein Star, sondern wirklich eine Referenz für seinen Club: beliebt, bewundert, talentiert. Eine der Töchter unterrichtete selbst in einer anderen Schule. Das alles heißt: Es war eine extrem gut in die Gesellschaft integrierte Familie, und vor allem sehr beliebt in ihrem Viertel.

Tatsächlich war es so, dass nach der Verhaftung die Leute sich einfach weigerten, das zu glauben. In den Nachrichten hörte man Aussagen von Leuten, die sagten, »nein, das ist eine Lüge, sie sind Opfer eines Komplotts geworden«. Alejandros Freunde haben ihn noch jahrelang im Gefängnis besucht, bis irgendwann nach langer Zeit zwischen den Beweismitteln ein Notizbuch auftauchte — jenes Notizbuch, das Arquímedes im Film hat. Da standen die Namen jener Freunde drin, die Alejandro noch im Gefängnis verteidigten … nur standen sie eben auf der Liste seines Vaters für zukünftige Entführungsopfer.

Das Faszinierende ist also in Wahrheit, dass die familiäre Dynamik die jeder beliebigen Familie ist. Der Vater hilft seiner kleinen Tochter bei den Hausaufgaben, frühstückt mit der Familie und geht arbeiten. Nur ist Arbeiten eben, die Entführten zu töten, oder sie in den Keller zu sperren.

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