Inhalt
„Es war klar… nur einer von uns Beiden würde überleben ….“
Kritik
Die 10 jährige Natascha Kampusch ( Amelia Pidgeon) lebt in ganz normales Leben in Wien, doch dies sollte sich am 2. März 1998 schlagartig ändern, denn auf ihrem Schulweg wird sie plötzlich von einem Mann niedergeschlagen und entführt. Als Natascha nach einigen Stunden wieder aufwacht, findet sie sich in einem kleinen, kargen Raum wieder, aus dem es auf den ersten Blick keinen Ausweg zu geben scheint. Bereits nach kurzer Zeit besucht sie ihr Peiniger Wolfgang Priklopil ( Thure Lindhardt) und erklärt ihr, dass sie ihre Eltern nie wieder sehen würde, da diese seinen Lösegeld Forderungen nicht nachkommen. Priklopil versucht zunächst über liebevolle Gesten, später über Gewalt und Demütigung den Willen des jungen Mädchens zu brechen, doch Natascha ( Antonia Campbell-Hughes) zerbricht nicht an der Gefangenschaft. Täglich gelingt ihr ein kleiner zorniger Sieg über ihren Entführer – bis dieser schlussendlich einen Fehler begeht.
Der Fall Natascha Kampusch erschütterte 2006 die Weltöffentlichkeit und zog ein bis dato noch nie Dagewesenes Medienecho hinter sich her, bei dem Journalisten viele Tabus brachen und deren Arbeit von vielen Menschen kritisiert wurde. Der im Jahre 2011 verstorbene Produzent Bernd Eichinger („Der Untergang“, „Das Parfüm“) verfolgte das Geschehen zu der Zeit sehr genau und schrieb 2010, mit der Hilfe von Natascha Kampusch, das Drehbuch zum Film, der auf der gleichnamigen Autobiographie Kampuschs basiert. Ohne großartige Effekthascherei bringt schließlich Eichinger einen Film auf die Leinwand, der den Zuschauer mit einem sprichwörtlichem Kloß im Hals zurücklässt, da er den Schmerz und die Demütigung, der Natascha all die Jahre über ausgesetzt war, schonungslos verfilmt hat. Maßgeblich dazu beigetragen hat Regisseurin Sherry Hormann („Wüstenblume“), die dem Film ihre eigene Note verpasst hat, stets mit dem Bestreben im Hinterkopf, die Wahrheit über die Geschichte bestmöglich wiederzugeben.
Der Film wird in kleinen Episoden, Fragmente einzelner Tage, erzählt, wodurch die Entwicklung in der Beziehung zwischen Kampusch und Priklopil im Grunde sehr gut nachvollziehbar ist. Jedoch sind gerade diese Zeitsprünge ab und an auch ein großes Manko des Films. Wenn etwa die Zeit von Tag 104 plötzlich auf Tag 1468 springt, während die Charakter Entwicklung aber scheinbar stehen geblieben ist, nur um sich dann in den folgenden 10 Minuten radikal zu ändern, dann fällt es dem Zuschauer schwer dem Ganzen gut folgen zu können. Zwar sind solche Sprünge die Ausnahme, dennoch wäre ein sanfterer Schnitt hier angebracht gewesen. Ein weiterer Kritikpunkt ist die überstrapazierte Verwendung von Szenen, in denen Priklopil handgreiflich gegenüber Natascha wird. Auch wenn dieser Zustand im Leben von Natascha traurige Realität war, so verliert er im Film leider allzu schnell die Intensität. Zwar fühlt man sich in jeder Szene unwohl, doch verglichen mit einem Film wie „Die weiße Rose“, oder „Anne Frank“, in denen die drohende Gewalt wie ein dunkler Schatten über dem gesamten Werk schwebt , ist sie hier leider zu oft nur Mittel zum Zweck.
Ein Projekt wie dieses steht und fällt natürlich mit den Schauspielern, die in diesem Film wirklich alles geben und, gerade im Fall von Antonia Campbell-Hughes, auch körperliche Grenzen ausloten.
Die Figur der Natascha Kampusch wird zunächst von der 11 jährigen Amelia Pidgeon verkörpert, die mit ihrem Leinwand-Debüt gleich zeigt was für Talent in ihr schlummert. Nach rund 25 Minuten übernimmt dann Antonia Campbell-Hughes („Albert Nobbs“, „Bright Star“), die sich für ihre Rolle körperlich völlig hingibt. So hungerte sie sich etwa herunter, um den furchtbaren körperlichen Zustand von Natascha Kampusch, ausgelöst durch tagelangen Nahrungsentzug, adäquat auf die Leinwand zu bringen. Zudem schafft sie es das breite Gefühlsspektrum, von Trauer, über Freunde, bis hin zu brennendem Hass, oft nur durch ihre Mimik zum Ausdruck zu bringen, eine Leistung vor der man wahrlich den Hut ziehen muss, da fällt es kaum ins Gewicht das ihre 30jährigen Gesichtszüge denen einer 14 jährigen nicht unbedingt ähneln.
Im Vergleich zu der Rolle von Natascha Kampusch fällt die Darstellung ihres Peiniger, gespielt von Thure Lindhardt ( Illuminati, Tage des Zorns), etwas schwächer aus. Denn obwohl Lindhardt großartig spielt, wirkt seine Figur an manchen Stellen einfach zu überzeichnet, als wollte man krampfhaft versuchen ihn als das personifizierte Böse darzustellen. Das der wahre Wolfgang Priklopil ein psychisch gestörter Mann war steht außer Frage, dennoch wird er in dem Film zu sehr als das Monster dargestellt, dass die Boulevard Blätter aus ihm gemacht haben, was daher klar im krassen Widerspruch zu Eichingers Ziel, die Geschichte möglichst Wahrheitsgetreu wiederzugeben, steht.
Fazit
Wahrlich, von Unterhaltung kann man im Falle von „3096 Tage“ kaum sprechen, dafür geht einem das Geschehen auf der Leinwand viel zu nahe, gerade mit dem Wissen im Hinterkopf das dies eine wahre Geschichte ist. Was Eichinger und Hormann ins Kino bringen ist ein wichtiges Stück Zeitgeschichte, dass, ähnlich wie etwa „Anne Frank“, vor allem für kommende Generationen wichtig ist. Ob man sich dies jedoch im Kino ansehen muss ist zumindest fraglich, denn Spaß machen die 109 Minuten mit Sicherheit nicht.
Autor: Sebastian Pierchalla