Wenn man sein Verhältnis zum Kino des Michael Bay (The Rock – Fels der Entscheidung) möglichst adäquat und bündig beschreiben möchte, dann könnte man auf ein inzwischen inaktives Sozialnetzwerk zurückgreifen, auf dem man einst seinen Beziehungsstatus in diverse Kategorien einteilen konnte. Neben 'vergeben' und 'solo' gab es dort auch 'es ist kompliziert'. Kompliziert ist seit jeher auch der Umgang des Feuilleton mit dem Schaffen Michael Bays: Neben einmaligen Set Pieces stand auch immer ein unverhohlener Hang zur Menschenverachtung, neben den das Nervenkostüm aufs Äußerste malträtierende Schnittgewittern musste man sich zwangsläufig auch eingestehen, dass Filme wie Armageddon, Pearl Harbor, Bad Boys II und zuletzt das Transformers-Franchise in ihrem Mut zum realitätsentrückten Größenwahn ein gehöriges Maß an Faszination freilegten. Michael Bay steht für Abscheu und Euphorie.
Gleiches lässt sich nun auch auf den Action-Thriller 6 Underground beziehen, den ersten über Netflix publizierten Film, den Michael Bay in Szene setzen durfte. Satte 150 Millionen US-Dollar standen ihm dabei zur Verfügung. 150 Millionen US-Dollar, die er nach Lust und Laune verpulvern durfte, denn wie wir inzwischen (und das nicht immer auf erfreuliche Art und Weise) feststellen durften, steht der marktführende Streamingdienst für genau die künstlerische Freiheit ein, die auch ein arrivierter und eigentlich nicht mehr anzuweifelnder Regisseur wie Martin Scorsese (The Irishman) nicht mehr im klassischen Studiosystem Hollywoods für sich beanspruchen darf. Was Michael Bay aus dieser schöpferischen Ungebundenheit herausholt, erfüllt tatsächlich treffsicher all die Erwartungen wie Befürchtungen, die man von vornherein an dieses Projekt stellen durfte.
Im Zentrum der Geschichte steht ein sechsköpfiges Eliteteam, welches unter dem Radar all die Versäumnisse der amerikanischen Regierung ausbügelt. Teamleader One (Ryan Reynolds, Killer's Bodyguard) darf uns in der Eröffnung auch direkt vollmundig verdeutlichen, wie geil es eigentlich ist, wenn man vom Rest der Welt für tot gehalten wird, schließlich wartet in diesem (Nicht-)Zustand des Seins die Freiheit, sich an all den Fieslingen zu rächen, die die Gerechtigkeit mit Füßen treten. Bevor sich der Ghost Squad dann auf die Jagd nach einem arabischen Despoten begibt, wartet erst einmal eine 15-minütige Verfolgungsjagd durch die geschichtsträchtigen Gassen von Florenz, die sich direkt als Härtetest für den Zuschauer erweist: Mit Vollgas werden hier kulturelle Marksteine demoliert, Passanten niedergemäht, Körper durchlöchert und mit einem Augapfel jongliert.
6 Underground greift sich die menschenverachtende Taktung aus Bad Boys II und vermengt diese mit der visuellen Brachialgewalt eines Transformers 3 bis 5, um sich nebenbei noch durch die Motive von Filme wie 22 Mile, Fast & Furious, Miami Vice und Mission: Impossible zu fleddern. Wenn ein erneut unendlich egaler Ryan Reynolds gerade nicht aus dem Off darüber schwafeln darf, dass er und sein Team allesamt Geister sind und niemand sie vermissen wird, dreht Michael Bay den Regler seiner inszenatorischen Manierismen bis zum Anschlag auf. Kaum fünf Minuten kommen ohne poppige Untermalung aus, die unzähligen Farbfilter lassen jeden Musikclip der letzten Jahre wie einen Schwarz-Weiß-Streifen von anno dazumal wirken, die atemlosen Kamerafahrten wie -Schwenks sind reine, technische Maßlosigkeit und der unentwegte Stakkatoschnitt erklärt dann auch die Epilepsiewarnung zu Anfang.
Über das grandios unverschämte Product Placement, den immer wieder und mit Vorliebe in Zeitlupe eingestreuten (Männer-)Pathos und den nach wie vor exponierten Sexismus müssen an dieser Stelle wohl keine Worte verloren werden: 6 Underground ist Fetischkino. Eine Aneinanderreihung von überstilisierten Exzessen und infantilisierten Extravaganzen, die in ihrem Größenwahn zeitweilig durchaus launig erscheinen, den Film im Großen und Ganzen aber nicht davor bewahren, bereits nach kürzester Zeit rigorosen Erschöpfungserscheinungen heraufzubeschwören. Letztlich auch, weil Michael Bay bis auf die Episode über den gefluteten Hochhausschluchten von Hongkong keine genuinen Einfälle dahingehend besitzt, die Geographie des Bildkaders auf virtuose Art und Weise zum Beben zu bringen. Wie gesagt, die Beziehung zu Michael Bay bleibt kompliziert, aber nicht uninteressant. Vielleicht ist genau diese Reibung das größte Problem an der ganzen Sache.