Inhalt
Eines Nachts klopft Kevin, der heranwachsende Sohn ihrer Haushaltshilfe, bei strömendem Regen an Cecilias Tür. Aus Angst lässt die mit ihrem kleinen Kind allein lebende, finanziell abgesicherte Soziologiedozentin ihn nicht hinein. Am nächsten Tag wird Kevins Leiche in einem Fluss gefunden. Die Nachbarschaft beschuldigt die Polizei, Jagd auf den Teenager gemacht zu haben, und soziale Unruhen erschüttern das ärmliche Viertel. Auch Cecilias Realitätsbegriff ist zunehmend Erschütterungen ausgesetzt, ihre Stimmungen schwanken, sie hört und sieht Dinge.
Kritik
Wohl im Bewusstsein der stilistischen Biederkeit seiner schnöden Parabel stellt Francisco Márquez (The Long Night of Francisco Sanctis) unmissverständlich deren gewünschte Auslegung klar - sowohl durch unilaterale Inszenierung als auch im Presseheft. Das präsentiert sein fades Gesellschaftsdrama als Psychothriller mit Horror-Elementen und sozialkritischem Unterton. Den hat die zähe Mär der alleinerziehenden Mutter Cecilia (Elisa Carricajo, La Flor, verzieht keine Miene) in gewisser Art tatsächlich, allerdings anders, als intendiert. Was als Lehrstück über Klassendünkel angelegt ist, gerät zum Exempel über die Selbstverständlichkeit männlicher Privilegien.
Letzte bestimmen die Perspektive des Regisseurs, der seine Hauptfigur systematisch in den Augen des Publikums diskreditiert. Eine akademistische Sicht trübt bereits ihre Sicht als Lehrerin mit dem Hauptfach - tata! - Soziologie. Das erlaubt Co-Drehbuchautor Marquez, seinen dramaturgischen Ansatz durch zwei Studierende haarklein erklären zu lassen. Damit jeder rafft, worum es in den nächsten anderthalb Stunden geht. Natürlich checkt Celia es nicht und rät den Beiden zu einer konventionellen Herangehensweise. Sie ist nunmal kleingeistig und überängstlich.
Diese Attribute gelten als Gründe, dass sie ihrer Haushälterin erwachsenen Sohn (Eliot Otazo) nicht einlässt, als er nachts unvermittelt anklopft. Dass er am nächsten Morgen durch Polizeigewalt ermordet wurde, ist implizit Cecilias Mitschuld. Die Argumentation wäre selbst fragwürdig, wäre Cecilia ein Typ Format The Rock. Keine Frau lässt spät einen Fremden in ihr Haus. Täte sie es, wäre sie nach weiterverbreiteter Ansicht „selbst schuld“ an einem Übergriff. Beneidenswert, wenn man(n) das nicht bedenken braucht.
Fazit
In biederer Kulisse inszeniert Francisco Marquez eine eindimensionale Allegorie fataler Auswirkungen von Wohlstandsprivilegien. Bezeichnenderweise ist die dröge Lektion, die nie die angekündigte Thriller-Spannung und psychologische Tiefe liefert, verblendet von chauvinistischem Selbstverständnis. Eine alleinstehende Mutter eines kleinen Kindes als paranoide Elite-Verkörperung darzustellen, weil sie nachts keine fremden Männer ins Haus lässt, erfordert schon verdammt viel Macho-Arroganz. Die hat der Regisseur. Sein dröge bebildertes, apathisch gespieltes Moralstück ist der Gegenentwurf der Sozialkritik, die es proklamiert.
Autor: Lida Bach