Inhalt
Vor sieben Jahren ist Tricias Mann spurlos verschwunden, und Tricia hat nie aufgehört, nach ihm zu suchen. Nun steht ihre kleine Schwester Callie auf der Matte und möchte die Schwester bewegen, endlich mit der Vergangenheit zu brechen. Doch gerade, als Tricia ihren Mann für tot erklären lässt und Anstalten macht, sich romantisch neu zu orientieren, setzen brutale Spukerscheinungen ein. Die Vorfälle scheinen im Zusammenhang zu stehen mit einem Fußgängertunnel ganz in der Nähe. Der ist auch Callie schon negativ aufgefallen.
Kritik
Im Horror-Genre kann man es sich als Regisseur relativ einfach machen. Anstatt ausgetretene Pfade zu verlassen, reicht es oftmals aus, eine Gruppe naiver Teenager von einem übermächtigen Killer jagen und um die Ecke bringen zu lassen, irgendwelche CGI-Monster zu beschwören oder mit generischen Jump-Scares durch einen Knall auf der Tonspur für kurzzeitige Schocks zu sorgen. Neben denjenigen, die das Genre wirklich aufrichtig für die schier unbegrenzte Anzahl an kreativen Möglichkeiten lieben, sind die Ansprüche moderner Horror-Zuschauer bedauerlicherweise immer niedriger und somit anspruchsloser zu bedienen, weshalb nach richtigen Perlen mühsam gefischt werden muss. Regisseur Mike Flanagan ("Oculus") richtet sich mit seinem Langfilmdebüt "Absentia" ganz klar an die Gruppe Horror-Zuschauer, die einfallsreiche und neuartige Impulse innerhalb des Genres zu schätzen wissen.
Gerade einmal ungefähr 70.000 Dollar Budget hatte Flanagan zur Verfügung und dementsprechend kann "Absentia" nicht mit optisch ausgefallenen Vertretern aus dem High-Budget-Sektor mithalten. Der Film kommt mit wenigen Locations aus, hat nur eine Handvoll Darsteller zu bieten und enthält so gut wie keine Spezialeffekte, um den Horror künstlich zu visualisieren. Trotzdem kann man den Film ruhigen Gewissens als eines der besten Debütwerke aus dem Horror-Genre der letzten Jahre bezeichnen, denn "Absentia" ist zeitweise wirklich extrem furchteinflößend, saugt den Betrachter ganz tief in seine Welt und lässt ihm einen eiskalten Schauer über den Rücken laufen. Das liegt vor allem auch daran, dass der Streifen über weite Strecken kein reiner Horror-Film ist, sondern lediglich unerklärliche, übernatürliche Elemente unterstützend verwendet, um ein psychologisches Drama zu erzählen.
Die Geschichte dreht sich um Tricia, deren Ehemann Dan seit sieben Jahren spurlos verschwunden ist. "Absentia" handelt anfangs von Themen wie Schuldvorwürfen, Trauerbewältigung und quälender Ungewissheit. Nicht zu wissen, was mit einem geliebten Menschen geschehen ist, ob man ihn jemals wiedersieht und inwiefern man vielleicht auch persönliche Mitschuld an dessen Verschwinden trägt, sind schwerwiegende Gedanken, die weitaus beängstigendere Früchte tragen, als ein konkretes Monster oder blutiger Horror. Mithilfe von schaurigen Erscheinungen trägt Flanagan die inneren Dämonen seiner Protagonistin an die Oberfläche, die sich dazu durchringen muss, ihren Ehemann nach einer so langen Zeit offiziell als tot zu erklären. Doch nach der ersten Hälfte verleiht der Regisseur dem Film einen völlig neuen Dreh und Dan steht auf einmal vollkommen verstört und bleich vor der Haustür seiner Frau. Parallel zum bis dahin eingeschlagenen Kurs verwebt Flanagan das Geschehen von nun an eng mit einem alternativen Erzählstrang, in welchem er die Mythologie eines fürchterlichen Monsters etabliert, das Opfer in eine Art Zwischenwelt entführt und dort gefangen hält.
Mit einem raffinierten Spiel aus Licht und Schatten, dem bedrohlich-intensiven Sound-Design und grauenvollen Impressionen, die immer wieder puren Horror versprühen, verzahnt der Regisseur psychologische Schuldbelastung, traurige Realität und übernatürlichen Terror so geschickt ineinander, dass irgendwann eine gänzlich neue Ebene entsteht, bei der man sich fragen muss, ob hier überhaupt irgendeine Form von unerklärlichem Horror existiert oder alles nur der Vorstellungskraft und Traumata der Figuren entspringt. Flanagan hat genau verstanden, dass der größte Schrecken immer noch in den Köpfen entsteht, setzt hierfür auf sehr vage Andeutungen und lässt sich bis zum Schluss sowie darüber hinaus nie offen in die Karten schauen. "Absentia" ist genau deswegen so effektiv und packend, denn er konfrontiert den Zuschauer mit unbequemen, zutiefst nachvollziehbaren Fragen, verortet grauenvollen Schrecken in alltäglichen Situationen und Schauplätzen und brennt sich langsam, aber umso eindringlicher unter die Haut.
Fazit
Hierzulande sicherlich ungeschickt vermarktet und zu Unrecht abgestraft entpuppt sich "Absentia" als eines der gelungensten Horror-Debüts der letzten Jahre. Regisseur Mike Flanagan setzt auf psychologischen, langsamen Horror, der sich nur hin und wieder zu eindeutigen Höhepunkten aufschwingt und konfrontiert den Betrachter viel lieber mit einem tragischen Drama, das von Verlust, Schuld und Ungewissheit erzählt. Sollte man als aufrichtiger Horror-Fan mindestens mal antesten.
Autor: Patrick Reinbott