Bei seinem zweiten Spielfilm, sechs Jahre nach dem durchaus wohlwollend aufgenommenen Debüt Villegas, widmet sich der argentinische Regisseur und Autor Gonzalo Tobal einem augenscheinlichen Justizthriller, der sich viel mehr als innerfamiliäres Drama um Loyalität, Opferbereitschaft, Vertrauen und die Furcht vor einer möglichen Wahrheit entpuppt, die das krampfhaft aufrecht gehaltene Bild einer harmonischen und starken Einheit für immer vernichten könnte.
Etwas fragwürdig ist es dabei, dass zu Beginn explizit darauf hingewiesen wird, dass es sich hier um einen rein fiktiven Fall handeln würde und alle eventuellen Parallelen zu realen Ereignissen rein zufälliger Natur wären. Im Umkehrschluss wird der Film jedoch mit dem direkten, inspirativen Bezug zu dem Fall des „Engel mit den Eisaugen“ Amanda Knox beworben. Jener US-amerikanischen Studentin, der in einem spektakulären Prozess vorgeworfen wurde, 2007 im italienischen Perugia ihre Kommilitonin Meredith Kercher ermordet zu haben. Ihre Schuld wurde nie bewiesen, sie in letzter Instanz 2015 endgültig aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Selbst ohne den direkten Hinweis des Verleihs sind die Überschneidungen zu diesem weltweit aufsehenerregenden Verfahrens kaum zu leugnen. Das merkt jeder, der nur mal am Rande davon gehört hat. Damit bildet Verurteilt – Jeder hat etwas zu verbergen keine Seltenheit, seitdem verwendeten viele Filme die Thematik inoffiziell für sich. Zuletzt gar der einstige italienische Skandal-Genre-Filmer Ruggero Deodato (Nackt und zerfleischt) in Ballad of Blood. Warum Tobal dies so vehement von sich weist ist gelinde gesagt seltsam, ist es doch kein Problem sich an realen Fakten zu orientieren, diese jedoch so weit abzuwandeln und zu interpretieren, dass man sich nicht dafür rechtfertigen braucht. Vielleicht eine rechtliche Zwickmühle, aber selbst das wäre ja angesichts der Vermarktung schon wieder hinfällig.
Der Film selbst beschäftigt sich erfreulich wenig – und in dem Fall einzig richtig – mit dem Versuch einer (nun mal rein fiktiven, aber bezieht man das abgestrittene Vorbild dahingehend ein) Wahrheitsfindung. Verurteilt – Jeder hat etwas zu verbergen ist kein Whodunnit, will es auch nie sein und macht dies schon früh deutlich. Geht sich und seiner Methodik aber zwischenzeitlich unabsichtlich selbst auf dem Leim, bzw. kann es nicht verhindern, in diese Richtung doch zu viele Abweichungen wenigstens kurz, aber zu markant und dadurch unvorteilhaft irritierend einzuschlagen. Denn eigentlich ist und sollte es völlig egal sein, ob Dolores (sehr gut: Lali Espósito) die Tat begangen hat oder nicht. Für den Film, seinen Plot, die Pointe. Wichtig ist es natürlich für die involvierten Figuren und darum dreht es sich schlussendlich. Was macht so ein schwerwiegender, medienwirksam ausgeschlachteter Verdacht mit dem Umfeld der Angeklagten? Der sie tagtäglich an den Pranger stellt, ein normales Leben unmöglich macht, ihren Freundeskreis zwangsläufig in zwei Lager spaltet und besonders ihre Familie bis an die Schmerzgrenze belastet. Da sich auch die insgeheim die Frage stellt, ob ihre Tochter/Schwester zu so einer Tat fähig wäre, obwohl sie das nach Außen natürlich nie zugeben würden. Und dürfen, will man nicht zum Zünglein an der Waage werden. Stärke, Geschlossenheit und Sicherheit gilt es zu demonstrieren, innen drin dominieren natürlich die Zweifel und die Furcht vor den Konsequenzen.
Nicht ungeschickt neutral, sachlich, ja beinah kühl beobachtet Verurteilt – Jeder hat etwas zu verbergen zunächst ein Geschehen und konzentriert sich dabei klar auf die Auswirkungen einer Tat, nicht um den Versuch diese aufzuklären. Würde er das ganz konsequent durchziehen, Hut ab. Jedoch erliegt der Film dem Reiz, doch noch die Schuldfrage auch für den Zuschauer zu stellen. War sie es oder nicht? Hier mal ein loser Hinweis, da mal eine wieder ein Schwenk in die andere Richtung…und am Ende tappt er selbst in eine so nie beabsichtigte Falle. Final ist man nicht unbedingt schlauer, aber so darauf fixiert es zu sein, das der Film unbefriedigend wirkt. Er hat eine richtig starke Sequenz (am Brunnen), die deutlich macht, in welche Richtung er selbst mit einem „Schuldgeständnis“ funktionieren könnte. Aber das erhält er nicht aufrecht, versteht vielleicht auch gar nicht, was ihm da durch die Finger gleitet. Die Intention des Films ist löblich, die fachliche Umsetzung ordentlich, das Ergebnis ist wieder so ein weder Fisch noch Fleisch-Hybrid, bei dem das Liegengelassene schon arg ärgert.