Inhalt
Trickbetrüger Scott Lang besitzt die unglaubliche Fähigkeit, auf winzige Körpergröße zu schrumpfen und gleichzeitig seine Kräfte zu vervielfachen. Gemeinsam mit seinem Mentor Dr. Hank Pym muss Lang das Geheimnis um Pyms einzigartigen Ant-Man-Anzug vor einer gefährlichen Bedrohung beschützen und mithilfe eines spektakulären Raubzugs die Zukunft der ganzen Welt entscheiden.
Kritik
Nicht nur dem Verfasser dieser Kritik zerriss es das Herz, als die Neuigkeit publiziert wurde, dass der britische Regisseur Edgar Wright aus dem geplanten „Ant-Man“-Film wegen kreativer Differenzen ausstieg. Wright, der mit seinem Freund und Gefährten Joe Cornish („Attack the Block“) das erste Script zu „Ant-Man“ verfasste, wares dabei doch erst, der die Marvel Studios via eines selbstproduzierten Mini-Films über die cineastischen Qualitäten von Ant-Man und seinen Fähigkeiten überzeugte. Aber Flehen, Beten und Betteln half nichts. Wright stieg aus, liefert sich mit dem Studios noch kleinere Krabbeleien (u.a. dass er und Cornish als Autoren in den Credits genannt werden) und als Ersatzmann wurde Peyton Reed engagiert.
Dieser ist ein Regisseur, den man eher als Auftragsarbeiter bezeichnen kann und nicht wie Wright als visionären Erzähler. Aber für einen Regisseur wie Reed, der zuvor meist nur schnell vergessene Komödienware wie „Girls United“ oder „Trennung mit Hindernissen“ inszenierte, bedeutet ein Projekt wie „Ant-Man“ gewiss auch eine große Chance, sich beweisen zu können. Nun, mit großer Sicherheit wird er demnächst noch andere Blockbuster inszenieren, denn alles in allem liefert Reed mit „Ant-Man“ den besten Film der Marvel Studios seit James Gunns „Guardians of the Galaxy“.
Bevor innerhalb dieses Textes das Thema Edgar Wright endgültig abgeschlossen wird, sollte aber noch deutlich gemacht werden, dass man wirklich merkt, dass der „Shaun of the Dead“-Regisseur hier fleißig mit am Werkeln war. Vor allem was visuelle Gags und Einfälle angeht, spricht „Ant-Man“ filmisch deutlich und sehr oft mit der kinematographischen Sprache von Wright. So, dass soll es dazu gewesen sein. Nach dieser Personalakte geschlossen ist, kramen wir die nächste heraus, die von Michael Douglas. Der zweifache Oscar-Preisträger, der mit Filmen wie „Wall Street“ oder „Falling Down – Ein ganz normaler Tag“ sich durchaus einen Legendenstatus erarbeitet hatte, spielt in „Ant-Man“ Dr. Hank Pym und wie die Comicfans wissen, ist eigentlich dieser der originale Ameisensuperheld.
Bevor jetzt aber falsche Informationen zum Thema auf moviebreak.de hinterlassen werden, missachten wir einfach einmal diese Tatsache und beantworten stattdessen die Frage, wie sich Douglas in seinem ersten, großen, modernen Blockbuster zu macht. Die Antwort: Ähnlich wie Robert Redford in „Captain America: The Return of the First Avenger“ gibt er sich Mühe und stellt durchaus unter Beweis, warum er seinen darstellerisches Status besitzt. Allerdings bleibt seine Figur zu statisch gefangen in einem emotionalen Dilemma, welches hier nicht näher erläutert werden soll. Das Problem mit Douglas Rolle ist für Marvel-Verhältnisse relativ universell: Es fehlt ihr wirkliche, glaubhafte Tiefe.
Ein Makel die in „Ant-Man“ allgegenwärtig ist. Charakterliche Dispute werden hier einigermaßen dialoglastig ausgetragen. Mehr als eine Dramaturgie mit Seifenopfer-Niveau kommt dabei aber nicht heraus. Douglas und Evangeline Lilly („Der Hobbit: die Schalcht der fünf Heere“), die seine Filmtochter Hope mimt, sind dafür geradezu zwei Paradebeispiele. Ihre Charakterisierung ist zu dumpf geraten, vor allem Lillys Rolle wirkt in allen dargebotenen, filmischen Situation zu statisch, zu redundant. Der Familienzwist zwischen dem leicht verbitterten Hank und der mehr mechanisch als menschlich wirkenden Hope stiehlt „Ant-Man“ vor allem im zweiten Akt einiges an Schwung und Dynamik. Da ist es umso bedauerlicher, dass der Film eigentlich einige Charaktere in Petto hat, die gut dabei helfen, dass der neuste Blockbuster der Marvel-Studios mit Verve und elanvollem Esprit daher kommt.
Paul Rudd („Our Idiot Brother“), der zusammen mit „Anchorman“-Regisseur Adam McKay das Wright/Cornish-Script noch einmal überarbeitete, macht als Held Scott Lang grob gesagt einfach eine Menge Spaß. Zwar gibt es auch hier charakterliche Entwicklungen, die ein wenig zu grob mit dem Vorschlaghammer und Kitschölung geschehen, aber die Figur bietet eine durchaus passable Projektionsfläche und besitzt darüber hinaus genau die richtige Mischung aus leicht verpeilter Großmäuligkeit und einer gesunden Prise Pfiffigkeit. An Rudds Seite gesellen dazu noch ein Diebes-Trio, bei dem vor allem der aus zig Nebenrollen bekannte Michael Peña („End of Watch“, „Herz aus Stahl“) als liebenswerter Luis klar sich hervorhebt.
Zwischen Luis und Scott stimmt die Chemie teils so blendend, dass ihre kurzen, gemeinsamen Szenen zu den geheimen Highlights von „Ant-Man“ gehören. Dabei gelingt Regisseur Reed stets eine gute Dosierung dieser, nennen wir es einfach einmal Bromance. Das offensichtliche Highlight des Films sind aber natürlich die Action-, bzw. Schrumpfszenen. Liebevoll detailliert werden der Held und damit auch das Publikum in die Welt der Winzigen hineinkatapultiert. Dabei wird dieser Effekt zum Glück nicht inflationär bedient. Eigentlich ist es sogar so, dass erst im Showdown die Marvel Studios aus vollen Rohren feuern und dabei einige wirklich exquisite Actionszenen generieren.
Die aus den Trailern bekannte Schlacht auf einer Spielzeugeisenbahn erweist sich dabei noch nicht einmal als hübscheste oder kreativste Actionszene. Schon vorher spielen die Macher teils gekonnt mit den Größenunterschieden, etwa wenn Ant-Man durch ein Gebäudemodell aus Styropor läuft, welches gerade dabei ist zerstört zu werden. Genau diese Szenen lässt sich dabei auch gut als eine Art Kommentar lesen. Denn während der andere Blockbuster der Marvel Studios des Jahres, der Phase 2-Abschluss „Avengers: Age of Ultron“ mit zerstörten Städten und anderen megalomanischen Actionvehikeln letztlich doch nur wieder Dienst nach Vorschrift ablieferte, gelingt es "Ant-Man" mit kleinen Dingen großes Staunen zu bewirken.
Aber Achtung, liebe Action-Fans, die ihr jetzt vielleicht schon mit wässrigem Mund auf den Kinostart wartet! „Ant-Man“ bietet für eine Comicverfilmung aus dem Hause Marvel erstaunlich wenig Futter für Adrenalinjunkies. Marvel Studios führen, unter der Leitung von Produzent Kevin Feige, ihren Weg fort und unterfüttert ihre Solo-Abenteuer mit teils differenzierten Genre-Unterfütterungen. „Guardians of the Galaxy“ war ein Sci-Fi-Abenteuer, welches mehr als „Krieg der Sterne“ erinnerte als etwa an „Marvel’s The Avengers“ und der zweite Teil von Captain America versuchte sich als modernisierte, dem heutigem Mainstream angepassten Polit-Thriller. „Ant-Man“ hingegen ist ein Heist-Movie, also ein Film, in dem ein Raubzug, ähnlich etwa wie in „Ocean’s Eleven“ oder "Rififi"im Fokus steht.
Wären Film-Genres Musikstile wäre ein Heist-Movie wohl Jazz. Schade nur dass „Ant-Man", trotz passender musikalischer Untermalung von Komponist Christophe Beck, niemals so ganz dieses jazzige, stilvolle wie elegante Gefühl hinbekommt, die ein guter Heist-Movie braucht, um sich voll und ganz entfalten zu können. Peyton Reed traut sich dann leider doch nicht so ganz aus dem eher repetitiven als kreativen Schemabereich der Marvel Studios heraus. Das ist wirklich schade, denn so wird es allzu offensichtlich, dass er große Raubzug dann doch eher – trotz toller Actionmomente –spröde wirkt.
Das hängt auch damit zusammen, dass der Antagonist, gespielt von Corey Stoll („House of Cards“), zu blass sowie substanzlos bleibt und ähnlich wie Douglas und Lilly ein Opfer teils wirklich massiv elegischer Charakterisierung ist. Wenn Ant-Man endlich auf Yellowjacket trifft, dann fehlt es einfach an dramaturgischer wie klimatischer Reibung. Zum Glück macht der Ideenreichtum der Duellszene diese Verfehlung durchaus wett. Meistens zumindest. Dennoch ist es rückblickend schade, dass der Schurke so austauschbar geraten ist, auch weil Stoll eigentlich ein toller Darsteller ist.
„Ant-Man“ hat also einige Makel, die mit dafür sorgen, dass der groß/kleine Held nicht an die Qualitäten des bislang besten Marvel-Films, „Guardians of the Galaxy“ heranreicht. Aber der erste Filme der dritten Phase ist dennoch äußerst charmant. Das liegt an seinem leicht kecken Hauptdarsteller und an seinen wirklich hübschen Ideen und wie er diese teils atemberaubend umsetzt. Manchmal, mit einem Schubs in Richtung Nostalgie, gelingt es „Ant-Man“ sogar an den Kinderfilmklassiker „Liebling, ich habe die Kinder geschrumpft“ zu erinnern. Leider erreicht Peyton Reed aber nie die Faszination und inszenatorische Wucht eines „Die unglaubliche Geschichte des Mr. C“, den schwarzweißen Kultklassiker von Horrorikone Jack Arnold. Dafür besitzt „Ant-Man“ dann doch einen zu modernen Gestus. So gesehen kann und sollte man dem Film dankbar sein, dass er, wie zum Helden passend, sich auf kleine Spektakel begrenzt und das macht er insgesamt wirklich gut.
Ein paar Dingen müssen natürlich erwähnt werden: Selbstverständlich sollte jeder Marvel-Fan während des gesamten (!) Abspanns sitzen bleiben und wer sich während des Films fragt, wann Stan Lee endlich auftaucht, dem sei versichert, er wird kommen. Nur später als sonst – dafür in Originalgröße. Ach ja, dass auch „Ant-Man“ voller Gastauftritte bekannter und weniger bekannter Charaktere aus dem Marvel Cinematic Universe ist, sollte klar sein und der Film gibt auch eine gewisse Marschrichtung für den nächsten Film des Studios vor, welcher kein geringer ist als „Captain America 3: Civil War“.
Fazit
Nach dem über-konventionellen und an Gigantismus erstickenden „Age of Ultron“ schalten die Marvel Studios mit „Ant-Man“ zum Glück ein paar Gänge zurück und bieten - für ihre Verhältnisse - einen fast schon entspannenden Blockbuster, der gewiss die bislang kreativsten und pfiffigsten Actionszenen des Jahres auffährt. Wären da nicht dramaturgische Patzer, allesamt gekoppelt mit äußerst bräsigen Figurenzeichnungen, die den Film immer wieder recht unschön ausbremsen, „Ant-Man“ hätte das Zeug zum ganz großen Hit gehabt. So erweist sich das erste Kinoabenteuer des Ameisenflüsterers aber als charmanter Versuch einen Superhelden in einem Heist-Movie unter zu bringen. Das Ergebnis ist okay, macht aber insgesamt Laune.
Autor: Sebastian Groß