Inhalt
Isabel und ihre Kinder ziehen in ein ungewöhnliches Luxusgebäude mit merkwürdig niedriger Miete. Nachdem sie als Mieter ausgewählt wurden, fangen drei ältere Bewohner aus dem Erdgeschoss an, ihr Leben durcheinanderzubringen.
Kritik
Wenn Cristian Bernard nach der Weltpremiere seines filmischen Horror-Märchens erklärt, dessen Handlung sei von seinen eigenen Nachbarn inspiriert, ist das tatsächlich ein bisschen gruselig. Zumindest aus Perspektive besagter Nachbarn, die vielleicht mal zu laut gehustet haben oder gar so heimtückisch waren, neu Eingezogene mit einem Präsent-Korb willkommen zu heißen. Wer im Hausflur nicht grüßt oder Duftsäckchen beim Auszug abzunehmen vergisst, ist ebenfalls des Teufels. Letzte gilt buchstäblich in dem geriatrischen Genre-Werk, dessen Stereotypen und Subtext noch vorgestriger sind als die altersschwachen Antagonistinnen.
Deren unheimliches Raunen stört die Nacht- und bald auch Tagesruhe der kindlichen Hauptfiguren. Lucia und ihr Bruder Ezequiel sind mit ihrer frisch getrennten Mutter Isabel (Maribel Verdú, Tödliche Einladung) in eine historische Altbauwohnung im Herzen Bilbaos. Die ungewöhnlich niedrige Miete erklären bald bizarre Vorkommnisse, die Isabel trotz Beharren ihrer Kinder nicht ernst nimmt. Flüstern aus dem Belüftungsschacht, ein ominöses Trio steinalter Schwestern und anonyme Geschenke wecken den Verdacht der Geschwister. Nicht nur der narrative Fokus auf die beiden lässt die plumpe Inszenierung über weite Strecken wie einen Kinderfilm wirken.
Die Effekte wirken wie Zauberkasten-Tricks, vermeintlich furchteinflößende Requisiten sehen wie Spielzeug aus und die Horror-Elemente sind so harmlos, dass sie eher albern wirken. Hinzu kommt ein nach dem Holzhammer-Prinzip inszenierte Story, die ihre Ideen aus Rosemary‘s Baby, Don‘t be Afraid of the Dark und „Hänsel und Gretel“ abkupfert. Wenn Lucia das Grimms-Märchen liest, ist das einer der Holzhammer-Verweise auf den Handlungsverlauf. Dessen aberwitzige Wendungen hinterlassen ein ganzes Bündel loser Handlungsfäden und abgerissener Erzähl-Stränge. Während Zusammenhänge und Logik verworren bleiben, wird die Message umso deutlicher.
Alleinerziehende Frauen sind schlimm, berufstätige Mütter noch schlimmer, kinderlose Frauen sind die allerschlimmsten! So vermittelt es der krude Plot, der Isabels Homeoffice als direkte Gefahrenquelle für ihre Kinder darstellt. Genauso ihre religiöse Nachlässigkeit, die ein vom abwesenden Vater gelerntes Gebet abfedert. Die teuflischen Nachbarinnen sind Verkörperungen mittelalterlicher Misogynie: ledige, kinderlose Kinderräuberinnen. Sie schließen Bünde mit Leuten, die ihren Nachwuchs gegen beruflichen Erfolg eintauschen - oder gegen eine Apartment-Überschreibung. Dass manche bei der Wohnungsknappheit ihre Seele - oder ihre Kinder - gegen eine schicke Altbauwohnung tauschen würden, ist immerhin ein glaubwürdiger Aspekt.
Fazit
Die grobschlächtige Umsetzung Cristian Bernards patriarchalischen Horror-Stücks lässt Schauer gar nicht erst aufkommen. So geschieht Flüstern auf Unterhaltungslautstärke, Ausnahmeereignisse haben keinerlei Konsequenz, Handlungsfakten werden festgestellt und im nächsten Moment ignoriert. Dramatische Details werden umständlich etabliert, aber tauchen nie wieder auf. Die Optik ähnelt einem alten Fernsehfilm ohne Vintage-Charme, die widersprüchlichen Charaktere geben dem Cast kaum schauspielerische Möglichkeiten. Sämtliche potenzialreichen Ideen sind von besseren Werken übernommen, doch zu willkürlich zusammengeworfen, um zu funktionieren. Echt gruselig ist dafür der plakative Tenor von Klerikalismus, patriarchalischer Werte und Altersdiskriminierung.
Autor: Lida Bach