Inhalt
Als Judah Ben-Hurs Jugendfreund Messala (Stephen Boyd), der ihm einst das Leben rettete, nach Jersualem kommt, um dort neuer römischer Kommandant zu werden, ist die Wiedersehensfreude auf beiden Seiten groß. Die Freundschaft zwischen Messala und Judah (Charlton Heston) wird auf die Probe gestellt, als Judah die jüdischen Aufständischen verraten soll. Nachdem bei einer römischen Parade der neue Statthalter vor Judahs Haus schwer verletzt wird, verdächtigt man Judah und seine Familie des Attentats. Unschuldig in den Kerkern gefangen, schwört Judah sich blutig für das begangene Unrecht an Messala zu rächen. Mit seiner Verbannung auf eine Galeere beginnt für den stolzen Judah eine Odyssee, die ihn von den Meeren über die Wagenrennen in Rom Jahre später wieder nach Jerusalem bringt, wo Judah hofft seine Familie zu finden und seine Rachepläne zu vollenden.
Kritik
Denkt man an die opulenten Produktionen des Hollywoodkinos der 1950er und 60er Jahre zurück, so hält sich auch hier die romantische Vorstellung eines Kinos, das uns in aufregende, fremde Welten entführt, nur mit Mühe gegen das Bild aufblitzender Dollarzeichen in den Augen der Bosse der Traumfabrik. Da bildet auch der von William Wyler inszenierte Monumentalfilm Ben Hur keine Ausnahme, wurde seine siebenjährige Produktion doch in die Wege geleitet, um das kurz vor dem Bankrott stehende Studio MGM vor dem Niedergang zu retten. Unter einem für damalige Zustände enormen finanziellen und materiellen Aufwand hauchte Wyler der Adaption von Lew Wallaces Romanvorlage Leben ein und brachte dem Studio MGM den erhofften Geldregen. Trotz des dahinterstehenden wirtschaftlichen Kalküls machte Wyler dem Medium Film mit seiner Fassung der Geschichte um den Fürsten Judah Ben Hur (gespielt von Charlton Heston) alle Ehre. Ihm gelingt es mit bewundernswerter erzählerischer Leichtigkeit, uns für dreieinhalb Stunden in die Welt seiner schillernden Figuren zu entführen und der romantischen Vorstellung vom inspirierenden Abenteuerkino dann doch für diese Zeit die Oberhand über das aufdringliche Kassenklingeln des Kommerzes gewinnen zu lassen.
Die Geschichte um den israelischen Fürsten, der erst zum Galeerensklaven und dann zum Bürger Roms und Helden seines Volkes wurde, wird sowohl musikalisch als auch erzählerisch geschickt eingerahmt. Zu Beginn wird dem Zuschauer in Form einer Ouvertüre eine erste Geschmacksprobe von Miklós Rózsas gewaltiger Filmmusik gegeben und in der Mitte des Films liefert die Intermission der Geschichte einen weiteren Eckpfeiler. In erzählerischer Hinsicht ist die Handlung um Judah Ben Hur als kleiner Schicksalspfad in die großen Ereignisse im Leben Jesu Christi eingebettet. Während der Prolog die Geburt Jesu zeigt, steht am Ende des Films das Schicksal Ben Hurs in enger Verbindung mit der Kreuzigung auf Golgatha. Dieser erzählerische Rahmen lässt erahnen, dass es sich bei Ben Hur wahrlich um ein filmisches Werk von biblischem Ausmaße handelt.
Die zentrale Botschaft des Films steht im engen Zusammenhang mit dem Christentum, was Burt Lancaster dazu bewegte, die Rolle des Judah Ben Hur mit der Begründung abzulehnen, dass er als Atheist keine Werbung für das Christentum machen wolle. Zu Beginn frischen Judah und sein Jugendfreund Messala, der als Tribun von Rom nach Jerusalem gesandt wurde, nach langer Trennung ihre Freundschaft auf. Sie werfen nacheinander einen Speer in die Kreuzung eines Gewölbebalkens und besiegeln mit den nah beieinander einschlagenden Speerspitzen ihre enge Beziehung. Es ist eine der zahlreichen Szenen des Films, die einem als beseelt und temperamentvoll in Erinnerung bleiben. Was diese Anfangsszene angeht, ist die intensive Spannung zwischen Judah und Messala wohl nicht zuletzt der Tatsache geschuldet, dass Wyler ohne das Wissen des konservativen Charlton Heston mit Messala-Darsteller Stephen Boyd vereinbarte, dass er sich die Beziehung zwischen den beiden Charakteren als homosexuell geprägt vorstellen sollte.
Jedoch entzweien sich Judah und Messala schon bald aufgrund politischer Meinungsverschiedenheiten und Messala nutzt seine Position aus, um Judah als Sklave auf die Galeeren zu verbannen. Judah schwört Rache und kehrt nach einigen Jahren als Bürger Roms nach Jerusalem zurück, um seinem Erzfeind gegenüber zu treten. Der aufmerksame Zuschauer wird hier erkennen, dass sich unter anderem Filme wie Ridley Scotts Gladiator in vielerlei Hinsicht Wylers Ben Hur als Vorbild genommen haben. Parallel zu der von Hass geprägten Fehde zwischen Judah und Messala verkündet Jesus die christlichen Worte, dass man die Feindschaft durch Liebe überwinden solle, was bei Judahs Geliebter Esther (Haya Harareet) auf offene Ohren stößt. Erst ganz zum Schluss gelingt es der christlichen Botschaft, das Herz und den Verstand Judahs zu erobern und damit auch ihre treffende Wirkung am Zuschauer zu erproben.
Bevor das berühmte Quadriga-Rennen in seiner wuchtigen Inszenierung einen tiefen Eindruck hinterlässt, sorgt der Auftritt von Hugh Griffith als Scheich Ildirim für einige unvergessliche Szenen. Mit seiner einnehmenden gewitzten und offenherzigen Art bringt er Schwung in die Erzählung. Griffith gelingt es dabei mit schlafwandlerischer Sicherheit, den Humor bis kurz vor dem Umkippen in Albernheiten auf die Spitze zu treiben und dann gefühlvoll in Ernsthaftigkeit umzuwandeln, sodass man die Figur des Scheichs nur prompt in sein Herz schließen kann. Zurecht wurde Hugh Griffith hierfür der Oscar als bester Nebendarsteller (einer von insgesamt elf, die der Film erhielt) überreicht, der ihm allein schon aufgrund seines beeindruckenden Mienenspiels zustand.
Die alles übertrumpfende Stärke des Films liegt jedoch in seinem monumentalen Setdesign und einer Kraft der Bilder, die in die Filmgeschichte eingegangen ist. In jeder Einstellung wird deutlich, dass sich William Wylers Perfektionismus, für den er sich den Spitznamen „90-Take-Wyler“ einheimste, am Ende ausgezahlt hat. Ob Charlton Hestons kantiger Kopf schweißüberströmt im Bauch einer Kriegsgaleere im Rudertakt vor- und zurückschwenkt oder neun Streitwagen unter Fanfarenstößen in die Arena einfahren und Staub von dem mit 40.000 Tonnen angekarrtem Mittelmeersand bedeckten Boden aufgewirbelt wird, stets ist die Liebe zum Detail und der unerhört maßlose Aufwand des Films spürbar. 1959 läutete Ben Hur mit einem Paukenschlag die goldenen Jahre des Sandalenepos ein und bis heute gibt es nur wenige Werke dieses Genres, die es auch nur ansatzweise mit ihm aufnehmen können.
Fazit
William Wyler setzte 1959 mit seiner Verfilmung des Romanklassikers „Ben Hur“ in vielerlei Hinsicht neue Maßstäbe. Die menschlichen Mühen, die hinter diesem Monumentalfilm stehen, lassen sich von der schweißglänzenden Stirn seines Hauptdarstellers ablesen. Das Werk unterstützt seine zutiefst christliche Botschaft durch eine atemberaubende Bilderschau und erhabene musikalische Klänge. Selten gab es eine ähnlich kunstvolle Verstrickung von Historiendrama und Mythos, die uns in den abenteuerlichen Strom vergangener Zeiten reißt und von den Geschehnissen berauscht wieder auftauchen lässt. Ein Gigant von einem Film.
Autor: Jonas Göken