MB-Kritik

Bigger Than Us 2021

Documentary

Xiuhtezcatl Martinez
Mary Finn
Melati Wijsen
Mohamad Al Jounde
Rene Silva
Memory Banda

Inhalt

Sie sind jung und sie wollen etwas bewirken. Die 18-jährige Melati kämpft seit sechs Jahren gegen die Plastikverschmutzung ihrer Heimat Indonesien. Sie hatte Erfolg, doch sie ist noch lange nicht fertig. Um neue Kraft zu schöpfen, bereist Melati die Welt: Sie will Gleichgesinnte treffen, von ihnen lernen, sich vernetzen. Sie sucht nach der Energie und dem Momentum des gemeinsamen Kampfes – und wird fündig. Sechs junge Menschen vom Libanon über Afrika bis Rio de Janeiro zeigen Melati ihre ganz eigene Welt der Courage und des Engagements. Sie kämpfen für Menschenrechte, für das Klima, für Meinungsfreiheit, soziale Gerechtigkeit und den Zugang zu Bildung oder Nahrung. Und sie sind in der Lage, alles zu verändern. Getragen von einem überzeugten Humanismus, von Mut und Hoffnung vereinen sie sich, um Teil von etwas zu sein, das größer ist als sie selbst. 

Kritik

Ganz im Sinne der filmischen Botschaft, dass es nie zu spät für einen positiven Wandel sei und alle unabhängig von Möglichkeiten und Mitteln einen solchen erreichen könnten, gelingt Flore Vasseurs amateurhaftem Aktivismus-Aufruf kurz vor Ende doch noch eine prägnante Beobachtung: Die meisten jungen Menschen, die sich im Kampf um politische und ökologische Veränderung zusammenschließen, glaubten selbst nicht an den Erfolg ihrer Projekte und würden engagierten sich weniger für ideologische Ziele als um des Gemeinschaftsgefühls willen.

Statt an diesem Punkt anzusetzen und die individuelle Motivation sowie die sozialen und ökonomischen Voraussetzungen für erfolgreiche Agitation zu untersuchen, wiederholen die Regisseurin und ihre Co-Drehbuchautorin und Protagonistin Melati Wijsen ein in den letzten Jahren in zahlreichen deckungsgleichen Dokumentarfilmen vorgetragenes Mantra: Jede:r einzelne hat das Zeug zum erfolgreichen Aktivisten. Man muss nur wirklich wollen. Die damit einhergehende naive Nivellierung familiärer, finanzieller, gesundheitlicher und struktureller Ungleichheiten steht in auffälliger Nähe zum meritokratischen Mythos der Chancengleichheit.

So bewundernswert die Errungenschaften des halben Dutzend Generationsangehöriger, mit denen die 18-jährige Melati vor der Kamera spricht, sind, so simplifiziert und schematisch ist deren Darstellung. Konflikte und Kontrahenten, Hürden, Hindernisse oder Zweifel am eigenen Einsatz kommen nie zur Sprache. Diesen inhaltlichen Mangel an Transparenz und Konzeption spiegeln auf inszenatorischer Ebene repetitive Einstellungen und ausdrucksschwache Bildsprache. Eine dramaturgische Verbindung der Porträts fehlt hier genauso wie ein überzeugendes Fazit. Es überwiegt der zwiespältige Eindruck einer wohlmeinenden Werbekampagne.

Fazit

Mehr als eine Idee, die man weitererzählt, braucht es nicht, um die Welt ein Stückchen besser zu machen. So realitätsfern und reduktiv, wie es die junge Aktivistin Melati Wijsen einer syrischen Schulklasse darstellt, erscheint erfolgreiches Engagement auch in Flore Vasseurs gleichförmiger Galerie jugendlicher Persönlichkeitsporträts. Die an Insta-Stories erinnernden Episoden vermitteln von den vorgestellten Nachwuchskämpfer:innen für politische, ökologische und soziale Veränderung ein denkbar flaches Bild, das die Herausforderungen, Voraussetzungen und Kompromisse eines solchen Einsatzes verschweigt.

Autor: Lida Bach
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