Inhalt
Ende des 2.Weltkriegs durchlebt Livia Mazzioni mit dem Anwalt Ugo Oggiano auf einer Reise nach Venedig die Höhepunkte ihrer sexuellen Hingabe. Ugo ist ein Informant ihres Ehemanns, einem hohen Ministerialbeamten. In Venedig ist Livia mit ihrem teuflischen Geliebten, dem Wehrmachtsoffizier Helmut Schulz verabredet. Sie leben ihre glühende Liebesaffäre. Die Stadt ist zu dieser Zeit ein Tummelplatz für zahlreiche Gauner und Abenteurer. Durch überraschende Umstände wendet sich das Blatt für Livia
Kritik
Auch wenn man dafür einen Schritt aus seinem spießbürgerlichen Seifenblase wagen muss, darf man Tinto Brass durchaus als einen Regisseur bezeichnen, der mindestens dazu in der Lage ist, interessante Filme auf die Welt loszulassen. Besonders hervorzuheben sind dabei der verschwenderische Skandal-Klassiker „Caligula“ und der mit Helmut Berger markant besetzte „Salon Kitty“, mit denen der Italiener in den 1970er Jahren für reichliche Furore sorgte und sich infolgedessen seinen Ruf als rolliger Schmierhansel vom Feuilleton abholte. Dass diese Werke aber über immer eine tiefe Ebene in ihrer Kontroversität anstrebten, war vielen Zuschauern zu hoch, schließlich ist es ja auch ein äußerst anspruchsvolles Unterfangen, über seinen eigenen Schatten zu springen und einen Film, der die persönliche lebensweltliche Komfortzone nicht gerade streichelt, auf respektvoller Augenhöhe zu reflektieren. Allerdings gilt Tinto Brass sicherlich nicht als qualitative Versicherung - und sein 2002 entstandener „Black Angel – Senso '45“ gehört fraglos zu den Filmen, denen man nur schwerlich etwas Positives abgewinnen kann.
Wieder einmal hat es Tinto Brass, der hier auch eine kleine Nebenrolle, eher einen Cameo, ausfüllen darf, mit „Black Angel – Senso '45 in den zweiten Weltkrieg verschlagen. In Schwarz-Weißen-Illustrationen werden wir im März des Jahres 1945 empfangen, das 23. Jahr der faschistischen Herrschaft zählt der Kalender, während der Zuschauer weiß, dass sich die letzten Tage des zweiten Weltkrieges bereits eingeleitet haben. Hier treffen wir auf Livia (Anna Galiena) und Ugo (Franco Branciaroli), die sich gemeinsam auf den Weg machen, Livias leidenschaftliche Affäre, den SS-Lieutenant Helmut Schultz (ein blonder Adonis wie der junge Helmut Berger: Gabriel Garko) ausfindig zu machen. Warum, wird zu Beginn noch nicht erläutert, und kurze Zeit später erfolgt ein Sprung in die Vergangenheit, in dem nun nicht nur satte Farben den Bildschirm zum Erblühen bringen dürfen, die feurigen Liebschaft zwischen Livia und Helmut wird bis auf ihren schlüpfrigen Urknall nachgezeichnet. Wie es sich für Tinto Brass geziemt, klebt die Kamera von „Black Angel – Senso '45“ fortwährend an den langen weiblichen Beinen, den tiefen Dekolletés und den herzförmigen Pobacken.
Kulminieren wird die Brass'sche Lüsternheit in einer über 10 Minuten ausgedehnten Orgienszene, in denen dann auch entblößte Geschlechtsorgane beim brunftigen Liebesspiel in minutiösem Voyeurismus abgelichtet werden. „Black Angel – Senso '45“ jedoch nutzt sich unfassbar schnell ab, sein nach Nuditäten lechzender Habitus möchte niemanden mehr hinter dem Opfer herlocken, auch nicht in Kombination mit einer offensiven Nazi-Ästhetik. Tinto Brass schafft es nicht, seinen Exploiter über den Status salbungsvoller Altherrenphantasterei hinabzubewegen und konstruiert „Black Angel – Senso '45“ mit omnipräsenter Beule in der Hose immer auf den wollüstige Moment hin. Motive wie geschlechtliche Machtverhältnisse und die gelangweilte Ehefrau, die in einer Spirale unstillbarer Sinnlichkeit der pathologischen Eifersucht verfällt, wirken selbstverständlich nur wie unbehandelte Anhängsel im so selbstzweckhaften wie geschmäcklerischen Kosmos, in dem sich „Black Angel – Senso '45“ fortwährend aufhält. Und wer dem Ganzen wirklich noch Kreativität in seiner achronologischen Narration zugestehen möchte, der würde wohl auch Livias preziöses Voice Over als „poetisch“ titulieren.
Fazit
Großes Gähnen. Tropfende Vaginas, gespreizte Arschbacken und pralle Phalli filmt Tinto Brass ja mit Vorliebe ab, das ist weitreichend bekannt und es spricht auch nichts dagegen. Während Filme wie „Caligula“ und „Salon Kitty“ allerdings immer noch über eine subversive Dimension verfügten, geht „Black Angel – Senso '45“ der doppelte Boden vollends verloren. Mit fast 130 Minuten weiß Tinto Brass zudem auch nichts anzustellen, reiht eine Lüsternheit an die nächste und giert sabbernd nach Nudität, wie es sich für einen alten Stelzbock wohl auch geziemt. „Black Angel - Senso '45“ nutzt sich in seiner omnipräsenten Sexualität unfassbar schnell und verkommt zum außerordentlichen Langweiler. Passenderweise dudelt auch der Score von Meisterkomponist Ennio Mooricone konsequent am Thema vorbei.
Autor: Pascal Reis