Ach, Uwe, was soll man bloß mit dir machen? Der gebürtige Wermelskirchener Uwe Boll (Hanau) wird oftmals als einer der schlechtesten Regisseure aller Zeiten bezeichnet, was allein dadurch nicht sein kann, da man von dem schlechtesten Regisseur aller Zeiten vermutlich nie etwas gehört oder gesehen haben dürfte. Es lässt sich argumentieren: er ist vermutlich einer der qualitativ umstrittensten Regisseure aller Zeiten, der dutzende international vermarktete Filme mit professionellen Mittel realisierte. Für einen Selfmade-Man aus Deutschland ist sogar das eine irgendwie beachtliche Leistung und einen unbestrittenen Personenkult rund um sich und seine manchmal polemische, bisweilen cholerische, nicht selten fragwürdige, aber jederzeit von Grund auf ehrliche und authentische (und dadurch oft höchst amüsante) Art hat er damit zweifellos erschaffen. Uwe Boll lässt sich unmöglich seine unerschütterliche Kämpfernatur und seine Passion für seinen Lebenstraum absprechen, und das ringt einem unweigerlichen Respekt ab. Wenn sich das nur ansatzweise auf die Qualität seiner Filme übertragen würde…
Nach House of the Dead und Alone in the Dark lieferte Uwe Boll mit BloodRayne seine dritte Videospielverfilmung ab und konnte mit einem Budget von ca. 25 Millionen $ hantieren. Dies dürfte überwiegend in den Cast geflossen sein, denn da schmückt man sich mit einer erstaunlichen Promidichte. Aber auch das muss natürlich in Relation gesetzt werden. In Nebenrollen treten Geraldine Chaplin (Doktor Schiwago), Billy Zane (Titanic), Michael Paré (Straßen in Flammen), Udo Kier (Shadow of the Vampire) oder Meat Loaf (Fight Club) auf – die aber alle für nur wenige Minuten auftauchen und allesamt ihre besten Zeiten schon längst hinter sich hatten. So hart das klingt: jeden von ihnen bekam man damals schon für eine Handvoll Dollar für praktisch jede x-beliebige Produktion und genauso beliebig wie unnütz sind auch ihre jeweiligen Auftritte. Ob nun Geraldine Chaplin eine komplett überflüssige Szene als Wahrsagerin hinlegt, Michael Paré so schnell verschwunden ist wie er auftaucht oder Billy Zane und Udo Kier problemlos auch von Komparse XY ersetzt werden könnten, das ist reines Namedropping. Die größeren Rollen sind dabei leider nicht viel besser belegt.
Als Protagonistin tritt Kristanna Loken auf, deren erste große Rolle in Terminator 3 – Rebellion der Maschinen direkt so ein kolossaler Flop wurde, dass sie jetzt schon für so einen Part beinah dankbar sein konnte. Als Dhampir (halb Mensch, halb Vampir, warum auch immer so ulkig bezeichnet) kämpft sie an der Seite der Vampirjäger Vladimir (Michael Madsen, Reservoir Dogs, der ohne die aktive Sozialhilfe von Quentin Tarantino seit der Jahrtausendwende praktisch nur durch so was geistern würde), Sebastian (Matthew Davis, Pearl Harbor, damals schon im deutlichen Downswing) und Katarin (Michelle Rodriguez, Fast & Furios 10, damals noch ein sehr kleines Licht) gegen ihre Rape-Daddy und Ober-Blutsauger Kagan. Dieser wird von niemand geringerem verkörpert als Oscar-Preisträger Ben Kingsley (Gandhi), der dafür wohl eine Gage im siebenstelligen Bereich abgegriffen hat und offenkundig dafür nicht bereit war, auch nur einen Futz mehr als pure Anwesenheit anzubieten. Seine „Performance“ grenzt an Arbeitsverweigerung oder passiven Widerstand. Wie unfassbar lustlos, beinah schon angewidert er hier kreidebleich in der Gegen rumsteht oder bevorzugt nur sitzt, hat absoluten Seltenheitswert. Laut einem Interview mit Uwe Boll fielen während des Drehs Äußerungen, wie er würde keine Szene drehen, in der Michael Madsen (der zum damaligen Zeitpunkt wohl mit schweren Depressionen und Suchtproblemen zu kämpfen hatte) ein Schwert in der Hand hält. Muss man wohl dabei gewesen sein, aber das spricht schon Bände über den Zustand und die Stimmung einer Produktion, die bis auf ihren verblichenen Söldner-Cast an allen Ecken und Enden zu wünschen übriglässt.
Ein World-Building im klassischen Sinne existiert praktisch nicht. Wir sind irgendwo im Mittelalter, da gibt es Vampir (oder Dhampire), irgendeinen Geheimbund und Ben Kingsley als zu stark gebleichte Dracula-Schaufensterpuppe. Mittendrin ominöse Talismane, zahlreiche überflüssige Nebenfiguren und keinerlei Aufbau für irgendwas, das über reine Zweckmäßigkeit hinausgeht. Das sind die „Charaktere“, der da ist böse, das da wird gebraucht und hoffentlich ist bald Showdown. Genau so fühlt sich BloodRayne an. Möglichst hurtig stolpert man von Szene zu Szene, damit das katastrophale Drehbuch abgehakt werden kann. Gedreht vor maximal monotonen und lieblosen Sets, fast durchgehend (!) unterlegt von einem gruseligen Billo-Score aus der Konserve (halt dieser Scheiß, der auch immer bei ASYLUM-Produktionen in Dauerschleife blubbert) und ohne jeglichen Fluss, sei es narrativ oder wenigstens dynamisch. Erzählerisch schon schäbig dahingerotzt (wie gesagt, Hauptsache fertig), aber auch handwerklich extrem übel. Allein das Editing ist schrecklich, der Schnitt eine einzige Katastrophe. Da werden eventuell (rein spekulativ) halbwegs akzeptable Actionszenen komplett zersebelt, denn eine Sache ist bei BloodRayne gar nicht mal so schlecht: die plastischen Effekte, umgesetzt vom deutschen Indy-Gore-Regisseur Olaf Ittenbach (Premutos – Der gefallene Engel). Die sehen sehr gut aus, sind überaus drastisch und bescherten dem Film bei seinem Release direkt eine deutsche Indizierung, die inzwischen aufgehoben wurde. Da wird teilweise richtig deftig rumgesaut. Und weil man sich mit nichts anderem brüsten kann, gibt es zwischen Showdown und Abspann noch mal ein Splatter-Best-Off. Warum? Vermutlich genau deshalb. Das CGI ist dafür der hinterletzte Rotz, aber wen wundert es? Damit kann und muss ein Uwe Boll nicht punkten, dass ist selbst bei 25 Millionen $ (wovon vieles vermutlich allein für den Cast draufgegangen ist) nicht zu erwarten. Alles andere geht aber auf seine Kappe, und das grenzt schon ans Unschaubare.