Das ein Low-Budget-Horrorfilm auf irgendwelchen Genre-Festivals zum großen Hit, Publikumsliebling, Preisträger und somit gleich vorschnell zum neuen Geheimtipp auserkoren wird, ist nichts Neues und schon immer nicht automatisch mit einer Empfehlung gleichzusetzen. Wir reden hier ja nicht von den Filmfestspielen in Cannes, sondern meist von besseren Fan-Conventions, auf dem sich die Szene selbst feiert und das Publikum zu großen Teilen aus absoluten Geeks besteht, die aus der Flut von billigen Metzelfilmchen ihren König krönen. Aber das muss natürlich nicht immer der Fall sein. Die belgische Crowd-Funding-Produktion „Camp Evil“ (im Original deutlich passender: „Welp“) sticht aus der Masse wahrhaftig hervor und beweist, dass auch Low-Budget-Horror: A) nicht zwingend billig aussehen muss, B) in der Lage ist, aus altbekannten Bausteinen sein ganz eigenes Bild zusammenzusetzen und C) auch NICHT Found Footage sein kann.
Von Beginn an erstaunt Regisseur und Co-Autor Jonas Govaerts bei seinem Spielfilmdebüt mit einem durch und durch professionellen Auftreten, was man dem Film im ersten Moment vielleicht nicht unbedingt zugetraut hätte. Das begrenzte Budget macht sich weder bei der handwerklichen oder stilistischen Inszenierung negativ erkennbar, noch bei den Darstellern. Es gibt einige deutlich größere Produktionen, die sich im Vergleich beschämt in die Ecke verkriechen sollten. Fast verwunderlich unter dem Aspekt, dass „Camp Evil“ dabei keinesfalls zu Kompromissen bei der Umsetzung gezwungen scheint. Es entsteht nie der Eindruck, dass dieses oder jenes mit mehr finanziellen Möglichkeiten großartig anders gemacht worden wäre oder dies nötig gehabt hätte. Soviel sei jetzt schon verraten: Gerade im Schlussspurt geizt der Film keinesfalls mit expliziten Momenten, die nicht aussehen wie vom Horrorfilm-Flohmarkt. Gut, darin investiert so mancher Genre-Beitrag alles was der klamme Sparstrumpf hergibt, dafür sieht der Rest dann entsprechend aus. Nicht so hier. Und das ist ja nur eines der positiven Merkmale.
Was bei einem B-Horrorfilm nie ein Maßstab sein sollte, ist eine besonders gute, kreative oder gar neuartige Geschichte, mehr die eigen Interpretation der gewohnten Praktiken und Motiven. Da fühlt man sich als Genre-Fan auf eine gewisse Weise „geborgen“, wenn es denn funktioniert. Gerade das gelingt „Camp Evil“ durchgehend. Einiges erinnert an große Vorbilder, ohne dass der Film dabei seine eigene Note verliert. Er würfelt referenziell viel zusammen; vom Camp-Slasher eines „Freitag, der 13.“, dem dunklen Wald mit angeblich böser Vergangenheit (da gibt es wirklich genug Beispiele), Comig-of-Age-Horror (spontan: „Der Werwolf von Tarker Mills“) oder sogar dem perfiden Fallenspielchen der „Saw“-Reihe, bei dem ein pfeilschnell servierter Bienenstich der Auftakt für wenige, aber sehr garstige Exemplare bietet. Der große Pluspunkt ist zweifellos die Wahl einer kindlichen Perspektive, was jedesmal wesentlich wirksamer, empathischer und unheimlicher wirkt, als wenn mal wieder unsympathische, prollige Sauf-Kiff- und Bums-Teenager einer nach dem anderen zu Hackfleisch verarbeitet werden. Es hat diesen Lagerfeuer-Gruselgeschichten-Charme, diese natürliche Angst in Kombination mit dem Nicht-ernst-genommen-werden, wodurch die Geschichte erst richtig funktioniert. Das toucht auf einer naiven, urängstlichen Basis, in die sich wohl jeder noch hineinversetzen kann.
Das hier nicht von Anfang an die dicke Gore-Keule geschwungen und sich in Sachen Bodycount lange zurückgehalten wird kommt dem Film nur zu Gute. Neben der angenehm entwickelten Story mit leichtem Suspense-Anteil wirkt es umso eruptiver, wenn plötzlich selbst der auch in Horrorfilmen oft praktizierte Welpenschutz keine Gültigkeit mehr besitzt. Und damit ist nicht nur die Hunde-Piñata gemeint. Das Tempo zieht enorm an, die Boshaftigkeit erreicht einen heftigen Level und am Ende gehen die Macher ein gewisses Risiko ein, dass insgesamt betrachtet wohl der richtige Weg ist. Von den gestellten Fragen wird eigentlich keine konkret beantwortet, Freunde unstrittiger Definitionen dürften damit ihre Probleme haben. Es werden diverse Optionen lose angedeutet und erwähnt, mit Erklärungsansätzen gespielt, viel schlauer ist man beim Abspann aber kaum. Doch was wäre denn besser? Welche der möglichen, zur Diskussion stehenden Lösungen wäre gänzlich präsentiert nicht auf eine gewisse Art überzogen, Waschküchen-psychologisch oder zumindest sehr angreifbar (wenn man so was ernsthaft in Erwägung zieht)? So gesehen zieht sich „Camp Evil“ sehr clever aus der Affäre, liefert interpretativen Spielraum und muss sich nicht die Blöße geben, sich für die „falsche“ Option entschieden zu haben. Smart.