Tessa wurde 1994 in Stamford geboren und starb 2008 in Bridgeport; ihr Tod hat ein Loch in die Gegenwart gerissen, den Lauf der Vergangenheit geändert, eine Zukunft geraubt.
Kritik
Türen ins Nichts öffnen und schließen sich als universelles Symbol des Transzendentalen in Miryam Charles metaphysischem Langfilmdebüt, werden zu magischen Portalen zwischen imaginärer und tatsächlicher Biografie, eigenen und fremden Erinnerungen, physischen Räumen und spirituellen Sphären. Die Regisseurin und Autorin beruft sich in mehrfacher Weise explizit auf ihre haitianischen Wurzeln in einer Phantasmagorie über die Sehnsucht der Toten nach dem Leben und die Sehnsucht der Lebenden nach dem Tod. Er ist Ausgangs- und Endpunkt der Geistesreise.
Zweite beginnt nach der Art einer animistischen Fabel mit einer ruhelosen Seele, die sich nach Zuhause sehnt. Jenes rastlose Herz spricht zu den illusorischen Aufnahmen einer Insel, die Haiti sein könnte, aber nicht ist, von seinem Verlangen nach Rückkehr. Solche halb gespenstischen, halb wehmütigen Visionen illustrieren zugleich das diffuse Heimweh nach kultureller Identität und projizierte Bedürfnisse ihrer verstorbenen Cousine Tessa (Schelby Jean-Baptiste). Zweite ist der eigentliche Hauptcharakter der atmosphärischen Grenzwanderung zwischen Traum und Tod.
Ihm begegnet die semi-biografische Handlung mit spielerischer Leichtigkeit, die den Ernst der unterliegenden Themen dennoch bewahrt. Indem sie Lebenserfahrungen, die Tessa nie machen konnte, nachstellt, ihr somit gleichsam eine fiktive Biografie schreibt, exorziert Charles die hartnäckige Vorstellung, die Toten würden das Leben „verpassen“. Ironischerweise ist es das Konstrukt der Verstorbenen selbst, das ihrer Cousine berichtet, dass es kein Wiedersehen auf einer anderen Seite gibt. Das Ende ist nichts weiter als das und damit vollkommen genug.
Fazit
Obzwar die Synopsis nach einem Kriminalstück klingt, sind die Hintergründe des frühen Todes der Hauptfigur in Miryam Charles hypothetischer Biografie nachrangig. In intuitiven Szenen, deren bühnenhafte Arrangements zugleich Kinderspiele und magisch-realistische Romanwelten andeuten, horcht die Filmemacherin auf das emotionale Echo von Verlust, Trauer und Entwurzelung. Das ungelebte Leben ihrer jung verstorbenen Cousine wird zur fiktiven Alternativexistenz. Aus der spricht weniger Todessehnsucht als Todesneugier und das Wissen, dass Kunst die einzig mögliche posthume Existenz ist.
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