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Quelle: themoviedb.org

Inhalt

Der Verlust ihrer Mutter hat bei der verbliebenen Familie rund um die Söhne Iman und Payar sowie dem Vater nicht nur ein seelisches Loch hinterlassen. Ihr Grundstück inklusive Landfläche im Norden Teherans wird vom Onkel umworben und die Einkommenswege der Familie sind begrenzt. Dem umtriebigen Iman hat es ins Drogengeschäft verschlagen, in der Hoffnung das schnelle Geld zu verdienen und damit das Grundstück halbwegs verwalten zu können. Mit seinen nächtlichen Geschäften knüpft er Kontakte mit reichen, jungen Erwachsenen, doch bei einem Deal setzt er auch den Zusammenhalt in der Familie aufs Spiel.

Kritik

Ob die Fahrt auf dem Motorrad bei Nacht, das Bestreiten von Boxkämpfen in einer Halle oder das Wiedersehen von Freunden – in seinem Spielfilmdebüt setzt sich der im Iran geborene Regisseur Emad Aleebrahim-Dehkordi (Lower Heaven) mit den verschiedenen Formen von Wegen auseinander. Zum einen im wortwörtlichen Sinne mit den Routen von A nach B, meist gefilmt in der Dunkelheit, zum anderen im übertragenen Sinne als Kompensationsmechanismus und Umschreibung für schwerwiegende Umstände. Exemplarisch wird dies an einer nun dreiköpfigen Familie veranschaulicht, die im Norden der iranischen Hauptstadt Teherans lebt und den Verlust der Mutter zu verkraften hat. Während der Vater (Behzad Dorani, Der Wind wird uns tragen) seelisch sowie körperlich schwer gezeichnet und auf die Einnahme allerlei Medikamente angewiesen ist, verarbeiten seine zwei sich in den Zwanzigerjahren befindenden Söhne Iman (Iman Sayad Borhani) und Payar (Payar Allahyari) ihre Trauer mit physisch fordernden Tätigkeiten, die sie sich entsprechend mit Geld auszahlen lassen.

Das eindrückliche Familienporträt wird dabei vom guten Schauspiel und den kräftigen Kontrasten in den Lebensstilen der Söhne geprägt. Bei Iman schwingt neben der Trauer auch ein Maß an Frustration mit. Er sieht sich nun in der Verantwortung den begehrten Landbesitz der Familie zu verwalten. Seine Impulsivität drängt des Öfteren an die Oberfläche und er versucht das schnelle Geld über den Verkauf von Drogen einzutreiben. Eine Line nach der nächsten wird geschnieft, Hauspartys mit Techno-Beats innerhalb der vier Wände werden besucht, wo ebenfalls Zweckfreundschaften entstehen und im berauschten Eskapismus kann sich Iman noch einen kleinen Ruf aufbauen.

Payar bildet dagegen den ruhigen Gegenpol, trifft mit Hanna (Masoume Beygi) eine Freundin aus seiner Kindheit wieder und lernt ihren Freundeskreis kennen. Inmitten seiner Behutsamkeit sowie seiner Toleranz gegenüber den Aktivitäten seines Bruders versucht er sein Können als Boxer, sodass er legales und „ehrlich verdientes“ Geld sein Eigen nennen kann. Dies ist dringend nötig, denn die Familie befindet sich auf einer finanziellen Durststrecke. Ein Teil ihres Landbesitzes, dem auch Kindheitserinnerungen beiwohnen, soll für eine künftige Verbindungsstraße in dem nördlichen Viertel herhalten, das sich durch die wohl situierte Lage der dort lebenden jungen Erwachsenen auszeichnet.

So bietet Chevalier Noir neben dem Familienporträt auch einen Einblick in das Leben von wohlhabenden Iraner:innen. Die Kamera, häufig sich hinter Iman befindend, ist distanziert und der weitestgehende Verzicht auf non-diegetische Untermalungen lässt eine ruhige Beobachtung sowie neutrale Sichtweise zu. Erstaunen tun der Drogenkonsum, die Techno-Musik und der materielle Besitz in dieser Gesellschaftsschicht wenig, nur höchstens in ihrem westlichen Einfluss, der sich auch in den Gesprächen bei Iman widerspiegelt. Mit Payars Perspektive, die gerne mehr Raum in der Handlung verdient hätte, zeigen sich bei den jungen Erwachsenen ein paar weitere Facetten, dennoch wäre die ein oder andere deutlichere Kante und Ecke in der Zeichnung dieser Gesellschaftsschicht wünschenswert gewesen.

Reflexive Betrachtungen in Bezug auf den Lebensstil und die Wohnlage werden nur innerhalb der sich in der Not befindenden Familie und bei einem Künstlerfreund von Iman ersichtlich. Der Blick auf diese jungen Erwachsenen birgt zwar ein Interesse, dieser verleiht ihnen jedoch eine eingeschränkte Stimme durch das Festfahren in Stereotypen und erscheint isoliert vom restlichen Geschehen in der Hauptstadt. Ob mit dieser Isolation entfernte Bezüge zu den anhaltenden Protesten und dem Verhältnis zwischen reichen, jungen Iraner:innen und Regierung hergestellt werden kann, lässt sich nur mutmaßen. Zu einer gründlichen Investigativ-Reportage muss sich Chevalier Noir nicht in erster Linie entwickeln, aber das gute Auge von Aleebrahim-Dehkordi für Gespräche, Atmosphäre sowie Kameraführung böten künftiges Potential in diese Richtung, sofern dies im Iran möglich sein wird.

Fazit

Emad Aleebrahim-Dehkordi hat mit „Chevalier Noir“ ein gelungenes und von Tragik geprägtes Familienporträt kreiert, das sich durch ruhige Observationen und starken Darbietungen der Protagonisten inmitten ihres fragilen Wohlstands auszeichnet. Diese Ruhe und Neutralität in der Beobachtung wird auf die rare Verortung des Debütfilms, dem Norden der iranischen Hauptstadt und den dort gut situierten, jungen Erwachsenen, mit gemischten Ergebnissen übertragen. So wird die Sicht auf diesen Gesellschaftszweig im Iran von den Drogengeschäften als absehbarer Handlungsmotor- und Wegweiser getrübt.

Kritik: Marco Focke

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