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Inhalt

Zwei Dinge liebt Selma (Björk) über alles: amerikanische Musicals und ihren kleinen Sohn. Die Musik erleichtert ihr die harte Arbeit in der Fabrik und bringt Leben in ihre Welt, aus der langsam das Licht schwindet. Denn Selma hat ein trauriges Geheimnis: Sie wird blind. Um ihren Sohn vor dem gleichen Schicksal zu bewahren, spart sie sich für dessen Operation das Geld vom Munde ab. Doch dann stiehlt ein verschuldeter Nachbar in seiner Verzweiflung Selmas Vermögen und löst damit eine Kette unglücklicher Ereignisse aus, die Selma schließlich in eine aussichtslose Situation treiben...
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Quelle: themoviedb.org

Kritik

It’s, oh, so quiet

Shhhh, Shhhh

Das dieser bereits 1995 veröffentlichte Song der isländischen Indie-Pop Elfe Björk in diesem Film keine Verwendung fand ist eine beinah nicht wiedergutzumachende Verfehlung. Wie perfekt hätte er in den letzten Akt gepasst, wenn die von ihr verkörperte Selma um jede Form von Akustik und Rhythmik verzweifelt fleht, um so zumindest für den Moment wieder in eine Parallelwelt entkommen zu können. Dort, wo das Amerika der 1960er Jahre kurzzeitig so ist wie in den leidenschaftlich verehrten Musicals, die schon in der tschechoslowakischen Heimat ihr Bild von den USA blumig prägte. Nun, als bettelarme Immigrantin und alleinerziehende Mutter eines 12jährigen Sohnes, findet diese Ideologie nur noch auf der Leinwand statt. Oder vor ihrem geistigen Auge, wenn sie sich mal wieder in ihre Tagträume rettet. Diese manifestieren sich mehr und mehr, umso unbarmherziger die Realität auf sie eindrischt.

Ursprünglich sollte Björk nur die Musik für das damals neueste Werk des umstrittenen Arthouse Enfant Terribles Lars von Trier (The House That Jack Built) komponieren und arrangieren, schließlich konnte sie der Regisseur doch davon überzeugen, ihre erste Hauptrolle in einem Spielfilm zu übernehmen. Eine einschneidende und offenbar ziemlich strapaziöse Erfahrung (wen wundert es?), so dass sie im Anschluss ihre Schauspielkarriere abrupt wieder an den Nagel hängte (ausgenommen einen Auftritt in dem von ihrem Lebensgefährten Matthew Barney inszenierten Drawing Restraint 9 aus dem Jahr 2005). Eine konsequente Entscheidung, trotz des überwiegend großen Lobes. Nominiert für und ausgezeichnet mit etlichen Preisen war Dancer in the Dark vor allem in Cannes der große Sieger mit der goldenen Palme im Rückreisegepäck. Die Kombination von dieser beiden stets um Konventionen und Kompromisse große Bogen schlagenden Individualisten lässt keinen Zweifel daran, wie kompliziert der Dreh eines eh schon ziemlich ungewöhnlichen Films gewesen sein muss. Umso beachtlicher ist es, was sich daraus ergeben hat. Vermutlich genau aus diesen wenig kompatiblen Reibungspunkten, die in ihrer Kombination etwas dadurch noch Spezielleres erschaffen.

Dancer in the Dark ist ausdrücklich kein Musical. Welches aber immer wieder versucht, dessen Elemente in einen Plot zu integrieren, der kaum weiter entfernt von dem gewohnten Terrain sein könnte. Dogma-95-Stilistik vermengt sich spielerisch mit inszenatorischem Eskapismus. Ein Paradoxon, wie das ganze Werk. Die Asymmetrie ist bereits zu Beginn das Konzept, obgleich dort der Musical-Bezug nur in der Theorie besteht. Selma hat sich die Hauptrolle in einer Laien-Aufführung von The Sound of Music gesichert, verdient sich mühselig jeden Dollar in einer Fabrik und sorgt sich nebenbei um ihren Sohn Gene, dem sie außer Liebe nicht viel bieten kann. Da sie das hart ersparte Geld benötigt, um für ihn eine anstehende Operation zu bezahlen. Sie selbst sieht kaum noch etwas und wird aufgrund einer Erbkrankheit bald endgültig ihr Augenlicht verlieren. Das gleiche Schicksal droht ihrem Sohn, weswegen sie sich erst in die USA begeben hat. Bald könnte sie das benötigte Kleingeld zusammenhaben, bis dahin gibt es nur Entbehrungen. Auch für Gene, dem Selma verheimlicht, was ihm droht und weshalb sie ihm nicht mal zum Geburtstag ein kleines Präsent gönnt. Zu diesem Zeitpunkt ist das Musical nur eine Leidenschaft, aber noch nicht essentiell. Doch als sie beginnt alles Stück für Stück zu verlieren, bleibt nur noch die Flucht nach vorne. In eine Wahrnehmung, die ihr jeden Nackenschlag vorgaukelt zu verarbeiten und zu ertragen. Aber letztlich kein Stück hilft. Denn das Leben ist kein Musical.

Björk ist natürlich in erster Linie Musikerin und weniger Schauspielerin, verliert sich jedoch mit Haut und Haar in der Rolle der Selma. Der wunderbar abstrakte Stil, der bereits ihr musikalisches Schaffen prägte, überträgt sich erstaunlich nahtlos auf ihre Leinwandpräsenz. Das erscheint nicht erlernt oder perfektioniert, sondern instinktiv und leidenschaftlich. Eine verschmelzende Performance, die sich ideal in das gesamte Gefüge dieses einzigartigen Filmexperiments integriert. „Weil in Musicals nie etwas Schreckliches passiert“ wird hier an einer Stelle direkt erwähnt und genau deshalb ist Lars von Trier’s desillusionierte Ode an eine aufopferungsvolle, selbstlose und unglaublich tapfere Frau (von wegen misogyn) das Anti-Musical schlechthin, welches man trotzdem in seiner hoffnungslosen und grausamen Schönheit ganz fest an sich drücken möchte. Dieser Film ist eine emotionale Odyssee ohne Netz und doppelten Boden, also ein von Trier wie bestellt und abgeliefert. Erschütternd und ungerecht, aber in seiner Grausamkeit vielleicht unbemerkt herzlich und emphatisch. In seinen stillen Momenten saugt sich der Fokus sogar so dicht und intim an die Figuren heran wie einst bei Ingmar Bergman & Sven Nykvist (Herbstsonate), dass Dancer in the Dark sogar deren Tradition mit dem des Muscials vereint. Und was könnte bitte konträrer sein?

Fazit

Björk + Lars von Trier = Ein liebevolles Abstraktum. Mehr Melancholie & gleichzeitig Hoffnung in der Dunkelheit geht wohl kaum in Kombination. Wunderschön, seltsam und (dis)harmonisch in Perfektion.

Kritik: Jacko Kunze

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