Als Teenager kommt es schon mal vor, dass man sich fühlt, als würde der eigene Körper nicht zu einem selbst gehören. Dieses Gefühl der Fremdartigkeit, von dem Pubertierende oftmals betroffen sind, äußert sich aber nicht nur hinsichtlich des eigenen Selbstwertgefühls sowie durcheinander geratenen Hormonhaushalts, sondern auch in Bezug auf das äußere Umfeld. In Brian Yuznas (The Dentist) Society wird der jugendliche Billy Whitney ebenfalls von Problemen verfolgt, die ihn nach und nach an seiner Umgebung zweifeln und schließlich fast verzweifeln lassen.
Wenn der 17-Jährige zu Beginn im Büro seines Therapeuten sitzt und diesem erzählt, dass ihm sein ganzes Leben wie ein Albtraum vorkommt, etabliert der Regisseur gleichzeitig die atmosphärische Stimmungslage, der nahezu jede Szene dieses Films unterliegt. Angesiedelt ist die Handlung in der traumhaften Kulisse von Beverly Hills, wo bekanntlich die Reichen und Schönen residieren. Auch Billy scheint sich rein äußerlich sowie familienbedingt perfekt in dieses soziale Milieu einzufügen, in dem Geld keine Rolle spielt und luxuriöse Statussymbole weiten Vorrang vor der eigenen Persönlichkeit genießen. Dass nicht immer alles so ist wie es scheint, beweist Yuzna allerdings noch in derselben Szene, in der die Hauptfigur im Büro des Therapeuten sitzt.
Als Billy nach einem Apfel greift und beherzt in diesen hineinbeißt, blickt er anschließend auf einen ekelerregenden Haufen von Würmern, die sich im Inneren des Obstes räkeln. Unweigerlich wird man als Zuschauer in dieser Szene an David Lynchs (Lost Highway) großes Meisterwerk Blue Velvet erinnert, das nur drei Jahre vor Society veröffentlicht wurde. Auch im Film des brillanten Surrealisten offenbart die Kamera unter der Oberfläche saftig grüner Wiesen eine Anhäufung von pechschwarzen Insekten, die der strahlenden Symbolkraft von weißen Gartenzäunen und blühenden Rosen in den Gärten der amerikanischen Vorstadt als tief verborgene Schattenseite entgegenwirken.
Auch Billy, der optisch dem typischen 80er-Jahre-Klischee des amerikanischen Highschool-Yuppies entspricht, welcher in modischer Sportjacke und mit schnittiger Vokuhila-Frisur die Herzen seiner Mitschülerinnen zum Schmelzen bringt, misstraut der trügerischen Idylle seiner makellos glattpolierten Umgebung und fühlt sich in der eigenen Familie wie ein Fremder. Verstärkt wird sein Gefühlschaos zusätzlich durch eine Begegnung mit dem Ex-Freund seiner Schwester, der Billy eine heimlich aufgezeichnete Tonbandaufnahme aus dem Haus der Whitneys vorspielt. Hierauf ist zu hören, wie die Familie im Rahmen einer anstehenden Party der Schwester von verwegenen Sex-Szenarien fantasiert, in denen nicht nur Fremde in eine Art Orgie verwickelt werden, sondern auch die Familie untereinander in inzestuöse Ekstase verfällt.
Billy, der hinter seiner abgeklärten Fassade zunehmend wie ein verschüchterter, unsicherer Junge wirkt, wird von nun an vermehrt von Ereignissen erschüttert, bei denen er beispielsweise Mitschüler tot auffindet, die wenig später quicklebendig vor ihm erscheinen, oder für kurze Momente auf entblößte Körper blickt, die sich vor seinen Augen auf bizarre Weise verdreht haben. Yuzna hält sich mit expliziten Effekten und konkretem Horror lange zurück und inszeniert sein Werk zusammen mit der großartigen Musikuntermalung von Mark Ryder und Phil Davies als surreal angehauchtes Wechselspiel zwischen Realität und Einbildung. Indem der Zuschauer durchwegs in die subjektive Perspektive der Hauptfigur versetzt wird, lässt sich nie eindeutig unterscheiden, welche Szenen gerade wirklich stattfinden, was sich womöglich nur in der verwirrten Psyche von Billy ereignet und was tatsächlich in Form von grauenhaften Abgründen in die Lebenswelt des Protagonisten hereinbricht.
Auch wenn Society über die ersten zwei Drittel der Laufzeit hinweg somit einem eher langsameren, behutsamen Spannungsaufbau folgt, entfaltet sich zwischen den Figuren und Dialogen, die bewusst überzeichnet wirken und gängigen Stereotypen des 80er-Kinos entsprechen, eine mitreißende Stimmung aus Teenager-Paranoia und dem Kontrast zwischen verführerischen Impulsen sowie abstoßenden Einstellungen voller unwirklicher Fragwürdigkeiten. Seinen Höhepunkt, der selbst im von unzähligen Möglichkeiten durchzogenen Genre des Horrorfilms noch hervorsticht, erreicht Yuznas Film aber schließlich in den letzten 15-20 Minuten.
In den grotesken Einstellungen, die von orange-rötlichem Licht hypnotisch ausgeleuchtet sind und mit Effekten aufwarten, die der Special-Effects-Künstler Screaming Mad George kreierte, wandelt sich Society vollends zur ebenso stürmischen wie unvergesslichen Gesellschaftskritik. Dabei gibt sich die wohlhabende Oberschicht in Gestalt von skurrilen Wesen nicht nur einer hemmungslosen Orgie hin, bei der die schleimigen Körper miteinander verschmelzen, sondern saugt die ärmlichere Gesellschaftsschicht im wahrsten Sinne des Wortes aus. In diesem Finale, bei dem selbst eine Body-Horror-Ikone wie David Cronenberg (Videodrome) vor Neid erblassen dürfte, gerät Society endgültig zu einer außergewöhnlichen Perle des Genres, die man nicht nur, aber vor allem aufgrund des Schlussaktes, der wie ein albtraumhaftes Gemälde im Stil von Salvador Dalí wirkt, unbedingt gesehen haben sollte.