Mit Elefanten-Boy inszenierten die Gebrüder Korda 1937 erstmals eine Geschichte nach den Motiven von Rudyard Kiplings Literaturklassiker „Das Dschungelbuch" und machten den indischen Jungdarsteller Sabu (Arabische Nächte) mit seiner ersten Filmrolle zum Star. Fünf Jahre später wagten sie sich dann mit der Geschichte um das Findelkind Mowgli, das im Dschungel von Wölfen aufgezogen wurde und gegen den gefährlichen und furchteinflößenden Tiger Shir Khan kämpfen muss, an eine weitere Erzählung aus Kiplings Werk. Zoltan Korda (Vier Federn) übernahm die Regie, Alexander Korda (Der rote Halbmond) produzierte den Film und der jüngste Bruder Vincent war für das Szenenbild verantwortlich. Die Hauptrolle des Mowgli übernahm abermals Sabu, dessen damalige Popularität Alexander Korda mit dieser ersten Verfilmung des Stoffes ausnutzen wollte.
In der Buchvorlage wird Mowglis Geschichte in drei einzelnen Erzählungen geschildert, die aber im Film zu einer einzigen Handlung zusammengefasst wurden. Dabei hält sich das Drehbuch jedoch nicht strikt an das Buch, sondern interpretiert die Geschichte teilweise recht lose, jedoch ist der Film keineswegs so weit von der Vorlage entfernt, wie der gleichnamige Zeichentrickklassiker aus dem Hause Disney. Zoltan Korda inszeniert Das Dschungelbuch als passable Abenteuergeschichte mit Action, Spannung und gutem Unterhaltungswert, mit einem spielfreudigen Sabu in der Hauptrolle. Dennoch wird man das Gefühl nicht los, dass dem Film etwas fehlt. Ursächlich dürfte hierfür der Streit der Brüder Korda über die Ausrichtung des Films sein. Während Zoltan einen realistischen Abenteuerfilm drehen wollte, bestand Alexander darauf, ein Fantasyspektakel zu inszenieren.
Letztendlich ist der Film keines von beidem geworden, was zum Teil zu einer Inkonsequenz führt, die sich etwa beim Umgang mit den Tieren zeigt. Während fast alle tierischen Dschungelbewohner zwar mit Mowgli kommunizieren können, aber nicht die menschliche Sprache sprechen, wird dies den Schlangen im Film zugestanden. Warum dies so ist, wird weder erklärt noch ist dies nachvollziehbar oder für die Handlung von besonderer Bedeutung. Vermutlich sollte sich hierdurch das gewünschte „Fantasyspektakel“ entfachen, was aber nicht gelingt, insbesondere nicht nach heutigen Maßstäben. Sprechende Gummischlangen und ein wilder Unterwasserkampf mit einem Plüschtiger sind alles andere als spektakulär. Gerade wenn man den ebenfalls von den Korda-Brüdern inszenierten Film Der Dieb von Bagdad kennt, wird man, sofern man bei Das Dschungelbuch wirklich ein Fantasyspektakel erwartet, enttäuscht sein, denn anders als Der Dieb von Bagdad setzt der Film keinerlei Maßstäbe im Bereich der Spezialeffekte, weshalb auch die Oscarnominierung in dieser Kategorie nicht nachvollziehbar ist.
Hingegen sind die Tieraufnahmen gut gelungen. Lee Garmes und W. Howard Greene haben äußerst sehenswerte Aufnahmen in Farbe gefertigt, die bis dato in einer solchen Fülle noch nicht zu sehen waren. Ebenso hat der Schnitt hier gute Arbeit geleistet, da man aus Sicherheitsgründen die Schauspieler nicht mit allen Tieren hat interagieren lassen. Im Schnitt sind diese einzelnen Aufnahmen aber so zusammengesetzt worden, dass es nicht unbedingt auffällt, dass die Szenen der tierischen und menschlichen Darsteller unabhängig voneinander entstanden sind. Lobend ist auch das mit einer Oscarnominierung bedachte Szenenbild von Vincent Korda hervorzuheben, der außerhalb von Los Angeles einen recht realitätsnahen indischen Dschungel nachgebildet hat.
Diese Realitätsnähe fehlt hingegen der Handlung. Vieles läuft zu glatt ab und die Figuren entwickeln keine Tiefe, was aber gerade bei Mowgli zu erwarten gewesen wäre. Während im Buch Mowgli sowohl von den Tieren im Dschungel, als auch von den Menschen im Dorf verstoßen bzw. ausgegrenzt wird und er sich deshalb in einem Zwiespalt befindet, weil er seinen Platz im Leben sucht, sieht es im Film anders aus. Zwar wird angedeutet, dass er nicht mehr in den Dschungel zu seinen tierischen Freunden zurückkehren kann, es fehlt aber an weiteren Informationen. Vielmehr scheint Mowgli sowohl in der Tierwelt, als auch in der Menschenwelt (zumindest anfangs) sehr beliebt zu sein. Während die Stimmung im Dorf irgendwann umschlägt, bleiben die Tiere ihm wohlgesonnen, sodass man die angedeutete Zerrissenheit der Figur, die nicht weiß, wo sie hingehört, nicht spüren kann. So bleibt Das Dschungelbuch ein durchschnittlicher Abenteuerfilm ohne Tiefgang, der sich aber immerhin kritisch zur sinnlosen Großwildjagd äußert und aufzeigt, was Macht und Gier für gesellschaftliche Folgen haben können.