Inhalt
Nach dem traumatischen Tod seiner Ehegattin findet Verden Fell in der bildhübschen Rowena ein wie aus dem Ei gepelltes Duplikat. Natürlich zu schön, um wahr zu sein…
Kritik
Man sollte aufhören, wenn es am schönsten ist. Ganz genau genommen hätte damit auch die Regiekarriere von Roger Corman damals schon sein verfrühtes Ende gefunden. Sein acht Filme (in vier Jahren!) umfassender Edgar Allan Poe-Zyklus findet mit diesem leicht aus dem üblichen Rahmen fallenden und nicht nur deshalb interessantesten Beitrag seinen krönenden Abschluss. Der sich selbst von Corman-Prunkstücken innerhalb dieser Saga noch bewusst entfernt und trotz kleiner, narrativer Durststrecken am Ende als so individuell und wenig plakativ herausstellt, dass es völlig verständlich ist, wenn Stammgast und Hauptdarsteller Vincent Price (Der Hexenjäger) dies als seinen Favoriten bezeichnet.
Wie so oft, mit der literarischen Vorlage hat das im Ablauf extrem wenig zu tun. Es geht hier mehr um Motive und Grundstimmung, und da ist ausgerechnet dieser Film – trotz sehr flexibler Plot-Interpretation – der Vorlage auf Umwegen sehr nahe. Erfasst ihre poetische Tragweite, über selbstgewählte Abzweigungen. Den Tod seiner Geliebten Ligeia (im Deutschen Lygeia, was zu der merkwürdigen Titelverfremdung führt) hat Verden Fell (Vincent Price) nie verkraftet. Ausgerechnet während der Jagd auf den von seiner verstorbenen Gattin als Haustier importierten Fuchs, plumpst quasi deren Ebenbild Rowena (Elizabeth Shepherd, Omen 2 – Damien) direkt auf deren letzte Ruhestätte. Mit der Tür ins Haus fallen, noch direkter wohl kaum praktikabel. Der noch trauernde, aber bereits mehr als aufgeschlossene Witwer erkennt die verblüffenden Parallelen sofort, nur das Objekt der Begierde weiß selbstverständlich gar nicht, was in einem eher schleichenden Prozess geschieht. Am Ende wird eine schwarze Katze beinah zum warnenden Propheten. Aber wer hört schon auf eine Katze.
Im Finale seiner lukrativen Poe-Interpretationen scheint Roger Corman auch stilistisch das Ende deutlich hervor zu kehren. Von seinem Serien-Debüt und bisherigen Klassenprimus Die Verfluchten – Der Untergang des Hauses Usher an wirkten alle sieben Werke wie aus einem Guss. Was nicht nur aus wirtschaftlicher Sicht keinesfalls negativ gemeint ist. Wie sagenhaft clever Corman sämtliche Sets, Requisiten und Ideen schamlos recycelte, das war bisher auch ein Merkmal seiner Kunst. Nun verzichtet er lange darauf, nur die blauen Kerzen aus Satanas – Das Schloss der blutigen Bestie scheinen es in den Fundus geschafft zu haben. Erst im letzten Drittel kommt einem die Umgebung mit seinem leicht avantgardistisch-psychedelischen Gothic-Design im Stile eines Mario Bava (Die Stunde wenn Dracula kommt) wieder sehr bekannt vor. Davor wagt sich Corman, erstmals bei seinen Poe-Adaptionen, sogar aus der Komfortzone des Studios und verwendet echte Außenaufnahmen. Hoffentlich hat er sich da keinen Schnupfen geholt. Alles ist hier etwas anders. So auch Vincent Price, der nicht nur ein neues Outfit spendiert bekommt, sondern locker 10 Jahre jünger wirkt als in seinen sonstigen Auftritten in der Reihe. Auch darstellerisch darf er sich hier vielmehr ausprobieren und stellt unter Beweis, dass er weitaus mehr kann als nur den leicht ironischen Grusel-Onkel mit hochgezogener Augenbraue, wie er so oft – auch und besonders bei Corman – dargestellt wurde.
Behutsam wird ein existenzieller Albtraum geschürt, bei dem der Horror eher traumatisch-psychologischer Natur ist. In seinem tiefschürfenden Wesen wie der emotionalen Bürde der Geschichte lässt Das Grab der Lygeia sogar den Vergleich mit Hitchcock’s Jahrhundertwerk Vertigo – Aus dem Reich der Toten zu. Ohne natürlich im Gesamten dessen Niveau zu erreichen, aber näher dran kam Corman so was wirklich nie. Ebenso wie er nie Edgar Allan Poe näher war. Nicht vom direkten Inhalt, dort nutzt er wie gesagt seine gewohnten, künstlerischen Freiheiten wieder ausgiebig. In seiner tragischen, melancholischen Poesie spiegelt er jedoch exakt das wieder, was auch das literarische Schaffen des ursprünglichen Schöpfers immer ausmachte. Ausgerechnet bei seinem Abschluss-Werk gelingt ihm sein „echtester“, authentischster Poe. Eine elegant inszenierte, tieftraurige und fatalistische Liebesgeschichte, bei der Sterben die einzige Option bleibt, um dem Tod zu besiegen. Übrigens: Wenn man aufgrund des hohen Niveaus am Ende vielleicht denken könnte, man wäre hier nicht im einem Corman-Film gelandet, sorgt die gute, alte Bretterbude dafür, dass man keinem Irrtum unterliegt. (Fast) Kein Corman ohne finales Feuer und zu sehen gibt es immer die selbe Scheune. Allein für so was muss man den Mann doch schon lieben.
Fazit
Das gesamte Corman/Poe-Universum ist schon für sich genommen und auch in seinen Einzelteilen sehenswert. Einiges davon sicherlich von höherer Qualität, generell kann aber jeder Beitrag als gelungen bezeichnet werden, trotz der bescheidenen Möglichkeiten und der stets sehr freien Auslegung der Vorlagen. „Das Grab der Lygeia“ sticht da noch mal heraus. Insgesamt einer von Corman’s zweifelllos besten Regiearbeiten, die zwar nicht aus ihrer günstigen B-Movie-Haut kann - aber vermutlich auch nicht will und erst recht nicht muss. Tolles Ding.
Autor: Jacko Kunze