Inhalt
Der erfolgreiche Risikoanalyst Nick Hume führt ein zufriedenes Leben mit seiner liebenden Familie, bis es zu einer grausamen Tragödie kommt: Gangmitglieder töten vor seinen Augen seinen ältesten Sohn, nicht als persönlichen Anschlag, sondern als Aufnahmeritual. Als gebrochener Mann hofft Nick auf die Justiz, doch schon früh zeichnet sich ab, dass es keine ausreichende Strafe für den Mörder geben wird. Nick zieht bewaffnet los, um Rache zu üben und schon bald findet er den Gesuchten. Doch Nick entfesselt mit seinem gewaltsamen Racheakt einen noch viel umfangreicheren Strudel der Gewalt, aus dem er sich nicht mehr entziehen kann…
Kritik
Mit wenig Geld viel erreichen: Das hat der Malaysier James Wan mit seinem Spielfilmdebüt „Saw“ vollbracht. Mit einem übersichtlichen Budget von schnuckeligen 1,2 Millionen US-Dollar produziert worden, hat es der inzwischen ikonisch verehrte Psycho-Thriller geschafft, einen weltweiten Umsatz von 100 Millionen US-Dollar erzielen. Dass „Saw“ schon nicht das monströse Meisterwerk war, zu dem es an allen Ecken und Ende stilisiert wird, muss man sich heute, wo doch all die Euphorie ob der knackigen Twists and Turns abgeflacht ist, eingestehen – Ein guter Film, aber doch eher nach durchtriebenem Kalkül konzipiert, anstatt seine Wendemanöver so organisch wie logisch in die Dramaturgie einzubetten. Inzwischen ist der Rattenschwanz, den „Saw“ an Torture-Porn-Bodensatz nach sich zog, beinahe länger, als es die recht penetranten Lobeshymnen waren, mit denen das epileptisch geschnittene Independent-Opus seiner Zeit versehen wurde. Anschließend folgte auf leisen Gruselflair bedachte Puppen-Horror „Dead Silence – Ein Wort. Und du bist tot.“, der Wan für die Blockbuster „Insidious“ und „Conjuring – Die Heimsuchung“ empfahl.
Den Oldschool-Horror aber konnte James Wan schon nicht Tribut zollen, sondern überrollte ihn mit krachenden Jump Scares. Es gibt aber noch einen weiteren Film in der Vita Wan, der in Genre-Zirkeln durchaus Andrang findet, gerne aber unter den Tisch fällt, wenn wir auf den malaysischen Filmemacher zu sprechen kommen: „Death Sentence – Todesurteil“, ein Racher-Thriller, basierend auf dem gleichnamigen Roman von Brian Garfield, der Mann, der auch die Vorlage zum Charles-Bronson-Klassiker „Ein Mann sieht rot“ abgeliefert hat. Interessanterweise erweckt „Death Sentence – Todesurteil“ zu Anfang noch den Eindruck, als hätte sich Drehbuchautor Ian Jeffers Gedanken darum gemacht, wie man den erzreaktionären Habitus aus „Ein Mann sieht rot“ etwas abfedern kann und vielleicht tatsächlich so etwas wie ein reflektiertes Plateau unter das Szenario installiert. Sind die ersten Tränen im Gesicht des Nick Hume (Kevin Bacon) aber getrocknet, haut „Death Sentence – Todesurteil“ ungefiltert auf die Kacke und konturiert den Rückgang auf eine gar barbarische Gesinnung.
Wohlwollend könnte man „Death Sentence – Todesurteil“ noch als speiende Exploitation bezeichnen, die durch ihre scheußliche Digital-Video-Optik und dem markanten Color Grading zwar bis über den Rand der Künstlichkeit ästhetisiert wird, den mit Geifer im Mundwinkel nach Gewaltexzessen gierenden Zuschauer aber bedient. Im Finale nimmt all die Brutalität gar comichafte Formen an und Nick Hume, der Familienvater, der doch eigentlich nur mit seiner Familie in ewiger Glückseligkeit schwelgen wollte, ballert den punkigen Widersachern (codiert als 'Abschaum der Gesellschaft“, klar) mit seiner frisch erworbenen Schrotflinte gepflegt die Gliedmaße vom Torso. „Death Sentence – Todesurteil“ ist ein scheinheiliges Unterfangen, er gibt dem Zuschauer vor, die Taten durch die Figur des Nick Hume zu hinterfragen, in dem er ihn als verzweifeltes Individuum immer wieder zusammenbrechen lässt. Es ist jedoch nicht sein Tun, welches die Nadeln von Nicks moralischen Kompass (angeblich) wild ausschlagen lässt, sondern der Wunsch nach Vergeltung, der aus jedem Frame tropft, und bloß Erfüllung finden soll.
Nein, „Death Sentence – Todesurteil“ hinterfragt nichts, er zeigt den Strudel der Veräußerung gesellschaftlicher Urgewalt als Bestätigung steinzeitlicher Gelüste: Wie du mir, so ich dir. Da möchte man schnell „Menschenverachtendes Ungetüm“ skandieren, würde man sich aufgrund des unglaublichen Chargieren seitens Kevin Bacon nicht so manches Mal in minutenlangen Lachsalven wiederfinden. Wirklich herrlich, die Trauerszenen sind hochnotpeinlich, unfassbar pathetisch inszeniert und einzig dem manipulativen Zweck geschuldet, den häuslichen Segen und seine tiefen Furchen zu zelebrieren. Was man dem Film allerdings zugestehen muss, ist eine unfassbar druckvoll montierte Sequenz im Parkhaus, wenn Nick zum ersten Mal vor der Bandenmitglieder fliehen muss und alles in einem intensiven Kampf auf der Rückbank eines Autos kulminiert. Momente, die „Death Sentence – Todesurteil“ hätten zum wirklich großen Genre-Heuler aufsteigen lassen können, auch ohne rasierte Platte, stattdessen aber versteht er Selbstjustiz als familiäre Rückbesinnung, die ihn auf den Weg der Liebe geleitet – Und das ist erschreckend.
Fazit
Die Parkhaussequenz ist inszenatorisch brillant gelöst, ansonsten aber macht der nach einem scheinheiligen Maß konstruierte „Death Sentence – Todesurteil“ entweder durch die lächerlich chargierenden Schauspieler oder seinem widerlich reaktionären Gestus auf sich aufmerksam.
Autor: Pascal Reis