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Quelle: themoviedb.org

Inhalt

Während des Krieges herrscht Männermangel. Um seine Familie zu ernähren, verführt Landru (Charles Denner) etliche wohlhabende Damen, die sein Anwesen nur durch den heimischen Ofen verlassen. Nur die lebensfrohe und kecke Fernande (Stéphane Audran) verschont der Galan. Sie wird seine Geliebte und ist seine Fürsprecherin bei der Verhandlung, die als Schauprozess vom Friedensvertrag ablenken soll.

Kritik

Henri Désiré Landru zählt zu den bekanntesten, europäischen Serienkillern des 20. Jahrhunderts. Während des Ersten Weltkrieges tötete er (mutmaßlich) mindestens 11 Menschen, weswegen er 1922 nach einem reinen, aber vernichtenden Indizienprozess durch die Guillotine hingerichtet wurde. Eine Geschichte, natürlich wie prädestiniert für einen Film. Bereits 1923 folgte die erste Adaption durch Landru, der Blaubart von Paris des Österreichers Hans Otto Löwenstein, die ganz große Bühne eröffnete dem Fall jedoch ein legendärer Spaßvogel: Charlie Chaplin verfasste gemeinsam mit Orson Welles das Oscar-nominierte Script zu Monsieur Verdoux – Der Frauenmörder von Paris, welches er selbst als Regisseur und Hauptdarsteller 1947 realisierte. Für die erste, französische Umsetzung des einheimischen Stoffs zeichneten sich erst 1963 Regisseur Claude Chabrol (Stille Tage in Clichy) und Drehbuchautor Françoise Sagan (Bonjour Tristesse) verantwortlich. Und das auf nicht unbedingt zu erwartenden Art und Weise.

-„Genies werden immer für Monster gehalten.“

-„Warum sagst du das?“

-„Der Zukunft halber.“

Wer genau war Henri Désiré Landru? Keine Ahnung. Das gibt Claude Chabrol ganz offensiv zu. Bei so einem geborenen Schwindler wie seiner Hauptfigur wäre alles andere auch nur vermessen. Über die Person erfährt man nicht mehr, als aus den spärlichen Fakten hervorgeht. Keinerlei Spekulationen, keine aus künstlerischen Motiven angedichteten Freiheiten. Da ist er einfach, der vierfache Familienvater mit dem markanten Bart (Charles Denner, Mord im Fahrpreis inbegriffen), der in Frankreich während des Ersten Weltkrieges durch seine Tätigkeit als Gebrauchtwarenhändler die Sippschaft kaum über Wasser halten kann. Heimlich hat er einer lukrativ-alternative Einnahmequelle etabliert: Über Kontaktanzeigen gibt er sich als wohlsituierter Geschäftsmann aus, um finanziell wirklich ordentlich gepolsterte (Kriegs)Witwen anzulocken. Diese umgarnt er geschickt mit seinem Charme, lockt sie in seinen angemieteten Landsitz…und stopft sich nach diversen Schäferstündchen und allerspätestens nach einer Unterschrift für wertbringende Vorteile in den Ofen. Das stinkt den Nachbarn, aber sonst fällt das schaurige Spielchen niemanden auf.

-„Es ist heiß hier.“
-„Das ist noch gar nichts. Der Herd in der Küche ist noch nicht geheizt.“

Wenn schwarzer Rauch aus dem Schornstein aufsteigt, zögert sich die Papstwahl noch hinaus oder Landru hat sich wieder eines wohlhabenden, einsamen Frauenzimmers entledigt. Mit einer zunächst leicht irritierenden, unaufgeregten Selbstverständlichkeit stürzt sich Claude Chabrol auf die Geschichte eines aufgrund seiner Unbescholtenheit irgendwann größenwahnsinnig werdenden Serienkillers, der das Morden aus der Not geboren begann und schnell daraus eine Passion entwickelte. Auch, weil niemand im Stande war ihn aufzuhalten, obwohl er aus heutiger Sicht alles falsch machte, um seine Taten zu vertuschen. Aber in einer Zeit, während an der Front tausende Männer pro Tag ihr Leben lassen und die Medien voll davon sind, wer sucht nach einem Dutzend trauernder Weibsbilder ohne Ernährer? Eben. Der Krieg und das Sterben, er schützt die unvorstellbaren Gräueltaten vor dem Auge der Öffentlichkeit, worauf Chabrol immer wieder subversiv hindeutet, während er den eigentlichen Plot als bitter-böse Groteske darbietet. Gewalttaten gibt es nicht zu sehen, obwohl etliche, prominent besetzte Frauenrollen (u.a. durch Michèle Morgan, Danielle Darrieux, Stéphane Audran oder Hildegard Knef) der Reihe nach abserviert werden, aber stets nur im Off.

Daraus generiert der Film bald einen ziemlich makabren, trockenen Witz, über die das zynische Spektakel zeitweise hervorragend funktioniert. Großartig ist gar die Pointe, als der Spieß umgedreht wird. Zuvor wurden die Taten von Landru überschattet wie banalisiert vom Massenmord auf dem Schlachtfeld. Als das Ende des Krieges verkündet wird weiß er sofort, sein Stündlein hat geschlagen. Nun kann er nicht mehr in der Anonymität abtauchen und kurz darauf wird ihm auch der Prozess gemacht. So wie er zuvor von dem Wahnsinn des Krieges profitiert hat, so profitieren deren Nachbeben nun von ihm. Jetzt dominiert er die Schlagzeilen, in seinem Schatten können die unpopulären Friedensverträge gedeckelt werden. Eine abstrakte wie sinnvolle Symbiose.   

Fazit

„Der Frauenmörder von Paris“ ist als skurriles Serienmörder-Portrait seiner Zeit partiell weit voraus, da er sich nicht auf simpler Effekthascherei ausruht und bewusst einen sehr individuellen Weg geht. Lieber zynisch beobachtet und fast parodiert als auszuschlachten. In Teilen ein Vorläufer von „American Psycho“. Sicher nicht durchgehend ausgereift und besonders in dem viel zu langem Schlussdrittel mit deutlichen Schwächen behaftet, aber überwiegend sehenswert, da sehr mutig und mitunter erstaunlich griffig.

Kritik: Jacko Kunze

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