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Der Fremde im Zug ist ein typischer Hitchcock-Thriller mit allen Motiven des großen Meisters: Der unschuldig Verfolgte, das perfekte Verbrechen und Suspense. Tennisstar Guy Haines wird von einem Wahnsinnigen verfolgt, der ihn zum Mord an seinem Vater zwingen will, indem er Guys unliebsame Ehefrau aus dem Weg schafft.
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Quelle: themoviedb.org

Kritik

Nachdem sich Sklavin des Herzens und Die rote Lola als Kassengift herausstellten, brauchte Alfred Hitchcock dringend wieder ein kommerzielles Erfolgserlebnis. Mit der Patrica Highsmith-Adaption Der Fremde im Zug gelang ihm dieses Quasi-Comeback. Heute zählt er zu den bekanntesten und meist zitierten Filmen des Meisters – wenn er es auch qualitativ nicht ganz in dessen Top-10 schafft. Aber allein aufgrund seines (beinah) perfekten Schlussspurts mindestens in deren erweiterten Kreis.

Der angehende Tennis-Profi Guy Haines (Farley Granger, Cocktail für eine Leiche) wird während einer Zugfahrt von einem angeblichen Fan namens Bruno (verstarb kurz nach dem Dreh: Robert Walker, Tal der Rache) erkannt und in vermeidlich legeren Smalltalk verwickelt. Beim gemeinsamen Diner erläutert er ihm seine Theorie für einen perfekten (Doppel)Mord: Einer tötet das Zielobjekt des anderen, so das kein direktes Motiv zu erkennen ist. Rein zufällig haben beide genau so einen Kandidaten. Bruno seinen dominanten Vater und Guy seine untreue und von einem ihrer Seitensprünge schwangere Noch-Ehefrau Miriam, die nicht in die Scheidung einwilligen will und somit seinem neuen Glück mit der Senatorentochter Anne (Ruth Roman, Gilda) bewusst im Weg steht. Beim Umsteigen hat Guy das leicht skurrile Gespräch mit dem aufdringlichen Spinner praktisch schon vergessen…bis Bruno ihm vor der Haustür seiner Angebeteten wieder gegenübertritt. Mit im Gepäck: Die zerbrochene Brille seiner Gattin und das Geständnis, „seinen Part“ der Abmachung eingehalten zu haben. Abseits eines Jahrmarkts hat er Miriam erwürgt und fordert nun ein, dass Guy sein Doppel-Partner beim Familienmord wird. Erschrocken blockt der natürlich ab, hat aber ein gewaltiges Problem: Da Bruno – wie es der Plan voraussetzt – motivlos ist, führen alle Spuren zu ihm. Besonders, wenn der eigentliche Täter es in diese Richtung lenken möchte. Also muss nun auch Mord Nummer 2 stattfinden. Was Guy keinesfalls bereit ist durchzuführen.

„I have a murder on my condition, but it’s not my murder, Mr. Haines. It’s yours. Instead you´re the one that profit by. I think you should be the one who pay for it.“

Der Fremde im Zug ist wortwörtlich der immer wieder zitierte Doublecross, der sich auf vielen verschiedenen Ebenen wiederspiegelt. Zunächst wunderbar eröffnet von Hitchcock mit einer raffinierten wie eigentlich total simplen Montage, die Schienengleise und ihre Schnittpunkte wie Abweichungen als Metapher für den weiteren Plot darstellen. Danach wird der Begriff von dem fabelhaften Robert Walker direkt für seine Theorie des Mordes über Kreuz verwendet. Später durchaus auch als eine Bezeichnung für „Verrat“ oder „Vertragsbruch“ zu interpretieren, bevor ein Ballwechsel dem eine völlig neue Bedeutung gibt. Der Doublecross, er ist der Macguffin dieses Hitchcocks, obwohl er weit mehr ist als nur ein Dosenöffner. Aber er ist so universell zu verwenden und in seiner Definition ambivalent, das er sich stets neu erfindet und den Film durchgehend moderiert, ohne auf eine Situation die Exklusivrechte zu besitzen.

Getragen von einer spannenden Grundgeschichte musste Hitchcock zwar bei der Besetzung diverse Kompromisse eingehen (Granger – trotzt ihrer gemeinsamen Vergangenheit -  und Roman waren nicht seine Wunschkandidaten) und war relativ gebunden an die literarische Vorgabe, lässt dafür seine einzigartige Handwerkskunst mehrfach aufblitzen. Das erste Highlight ist die „bewusste“ Verfolgungsjagd im Freizeitpark, gipfelnd in einem Mord, der relativ früh das weitere Geschehen dominiert. Denn nun steht der Protagonist in der unangenehmen und widersprüchlichen Rolle von unfreiwilligem Mittäter und Opfer zugleich. Er will mit dem wahnsinnigen Plan nichts zu tun haben, ist aber nun unweigerlich involviert. Sogar erheblich, denn jetzt kann er unmöglich sein Wissen kundtun. Ganz im Gegenteil, er steht mehr oder weniger unter Zugzwang. Selbst Aussitzen und Leugnen ist bald keine Option mehr, denn der dauerhaft uneingeladene Gast Bruno benimmt sich so auffällig, eine Gegenoffensive ist unausweichlich. Wie die aussehen soll, das ist der eigentlich Spannungs-Punkt bei Der Fremde im Zug, der in einem grandiosen Schlussakt mündet, der leider ausgerechnet im Finale etwas „überdreht“. Die letzten 30 Minuten des Films sind ansonsten schier brillant und mit das Beste, was Hitchcock jemals inszeniert hat. Vergleichbar mit der herausragenden Champagner-Sequenz in Berüchtigt, diesmal allerdings als großer Showdown. Ein Spiel gegen die Zeit bzw. den Sonnenuntergang, vorgetragen auf höchstem Suspense-Niveau. Der etwas unpassende Humor-Overkill auf dem Karussell spricht zwar für den Spaßvogel-Faktor bei Hitch, aber genau da gehört er so nicht unbedingt hin.

Fazit

Unbestritten einer der ganz großen Klassiker von Hitchcock, da maßgeschneidert für seine Fähigkeiten und die Art, wie er Geschichten und Spannung vorträgt. Wann immer er freie Hand besaß, wird „Der Fremde im Zug“ grandios. Allerdings sind diverse Zugeständnisse offensichtlich und selbst das grandios konstruierte Finale dreht etwas zu sehr durch. Minimale Fehlerteufel eines exzellenten Thrillers.

Kritik: Jacko Kunze

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