Inhalt
Zweite Verfilmung des Literatur-Klassikers von William Golding. Nach einem Flugzeugabsturz strandet eine Gruppe überlebender Teenager auf einer einsamen Insel und kämpft dort ums Überleben. Schon bald kommt es zu Rivalitäten zwischen dem für Recht und Ordnung sorgenden Ralph (Balthazar Getty) und dem Draufgänger Jack (Chris Furrh). Es bilden sich zwei Gangs, die gegeneinander Krieg führen.
Kritik
Der 1954 veröffentlichte, gleichnamige Roman von William Golding wurde schnell zur Pflichtliteratur an vielen Schulen. Die symbolträchtige Parabel über die grausame Natur des Menschen und den Werteverfall abseits einer kontrollierenden wie erziehenden Sozialisierung hat bis heute nichts von ihrer Faszination wie ihrem Wahrheitsgehalt eingebüßt und besitzt somit einen zeitlosen Kontext. Bereits 1963 erfolgte eine erste Leinwandadaption unter der Regie von Peter Brook (Stunden voller Zärtlichkeit), die sich sehr eng an die literarische Vorlage hielt, wobei leichte Mängel in der Inszenierung des eher Theater-erprobten Regisseurs sowie die wohl aus Zeitgründen etwas zusammengestaucht wirkende Charakterisierung einem wirklich großen Film im Weg standen. Demzufolge war die Idee einer Neuverfilmung per se zu rechtfertigen. Produzent Lewis M. Allen war sogar schon damals mit an Bord und überließ dem noch relativ unerfahrenen Briten Harry Hook (Aufstand in Kenia) den Regieposten.
Die größte und zugleich völlig überflüssige Änderung zu der Vorlage liegt in seinem Handlungszeitraum. Warum der Plot in die damalige Gegenwart der späten 80er transportiert wird, erschließt sich zu keiner Sekunde. Dadurch können alle moderne Armbanduhren tragen und es dürfen mal kurz ALF und Rambo erwähnt werden, ansonsten ist es völlig Jacke wie Hose, in welchem Jahrzehnt die Kinder auf der Insel stranden. Handys oder WLAN gibt es natürlich trotzdem nicht, also warum das Ganze? Erschwerend beinhaltet diese Entscheidung zudem, dass der ursprüngliche Grund für die Flugreise – die Evakuierung vor einem atomaren Angriff in der ganz heißen Phase des Kalten Krieges – somit hinfällig ist. Dadurch büßt diese Version einen nicht unwichtigen Faktor ein: Die schiffbrüchigen Heranwachsenden entkommen nicht einer unmittelbaren Bedrohung und stranden in einem scheinheiligen Paradies, das ihnen auf den ersten Blick Zuflucht vor der Gewalt und dem Wahnsinn der Welt da draußen – die Welt der Erwachsenen – gewährt. Die Chance für einen Neuanfang. Für eine bessere, kleine Zivilisation, geführt von unschuldigen und noch unverdorbenen Menschen. Dieser im Normalfall später noch an Gewicht gewinnende Teilaspekt fällt somit unter den Tisch. Einen Mehrwert bringt diese seltsame Wahl sonst nicht. Bravo, gut gemacht.
Schnell fällt zudem auf, dass man sich nur krampfhaft darauf versteift die wichtigsten Eckpunkte der Handlung nachzustellen und scheinbar nicht dazu bereit (oder in der Lage) ist dem ein Minimum an Eigeninitiative entgegenzubringen, die darüber hinausgeht. Soll heißen: Das, was man zu einem geringen Teil bereits der Verfilmung von 1963 vorwerfen konnte, ist hier die ganz große Baustelle. Die Figuren werden einem ganz plump vor die Füße geworfen, definieren sich nur durch kurz abgehandelte, plakative Ereignisse. Eine Psychologisierung findet praktisch überhaupt nicht statt. Die Entwicklung von gruppendynamischen Prozessen, das glaubhafte Entstehen von sozialer Verrohung bis hin zur puren Barbarei ist die Quintessenz der Vorlage und der eigentliche Grund dafür, warum sie ihren wichtigen Status in der Literatur bis heute innehat. Diesen Einblick, dieses Innenleben gewährt diese Version nicht – da sie dazu gar nicht im Stande erscheint. Da wird nur die Ereigniskette der Geschichte artig aufgefädelt und sich jedwede Vertiefung mit den somit komplett unnahbaren Figuren ausgespart. Das ist enorm bedauerlich, da so natürlich weder die hervorragende Idee in ihrer Vielschichtigkeit zur Wirkung kommt, die deutlich expliziter dargestellten Grausamkeiten fast schon nur einen voyeuristischen Zweck erfüllen und die beachtlichen Leistungen der Jungdarsteller (u.a. Balthazar Getty, Lost Highway) wie Perlen vor die Säue sind. Die erste Verfilmung hatte so ihre Mängel, ist dieser effekthascherischen, leblosen und platten Neuauflage aber in allen Belangen haushoch überlegen.
Fazit
Missglückte Frischzellenkur der ordentlichen, wenn auch längst nicht perfekten Adaption einer der wichtigsten Erzählungen des letzten Jahrhunderts. Im Gegensatz zu der sehr werkgetreuen, bemühten, nur in Detailfragen nicht ganz ausgereiften Erstverfilmung von 1963 leider völlig verzichtbar. Eine richtig adäquate Neuverfilmung ist immer noch herzlich willkommen, diese hier ist war es definitiv nicht.
Autor: Jacko Kunze