5.5

MB-Kritik

Der Mann, der niemals aufgibt 1977

Action, Drama, Crime, Thriller – USA

5.5

Clint Eastwood
Sondra Locke
Pat Hingle
William Prince
Bill McKinney
Michael Cavanaugh
Carole Cook
Mara Corday
Doug McGrath
Jeff Morris
Samantha Doane
Roy Jenson
Dan Vadis
Carver Barnes
Robert Barrett
Teddy Bear

Inhalt

Ben Shockley, ein cooler Streifenpolizist, soll einen Zeugen aus dem Gefängnis von Las Vegas holen. Der Zeuge "Gus" entpuppt sich als eine hübsche Zeugin, die sich weigert, die Zelle zu verlassen. Kein Wunder, denn als Ben die gefesselte Augustina Mally zum Auto bringt, fliegt es plötzlich in die Luft - gerade noch rechtzeitig, so daß Ben über Augustinas Warnung nachdenken kann: Die Mafia ist hinter ihr her. Nun kämpfen sich die beiden von einer tödlichen Falle in die nächste.

Kritik

Als Zigarillo kauender Western-Antiheld mit Poncho und Revolver war Clint Eastwood Mitte der 60er Jahre zum weltweiten Superstar geworden. In den 70er Jahren transportierte er diese Paraderolle mehr oder weniger in die Gegenwart, in erster Linie durch die ähnlich stilprägende Dirty Harry-Reihe. Dabei führte er lediglich beim vierten Teil, Dirty Harry kommt zurück aus dem Jahr 1983, selbst Regie, obwohl er schon seit 1971 und Sadistico – Wunschkonzert für einen Toten diesbezüglich selbst aktiv war. Bei Der Mann, der niemals aufgibt inszenierte sich Eastwood 1977 – kurz nach Dirty Harry III – Der Unerbittliche – erstmals selbst in der Rolle eines raubeinigen Cops, dessen ruppige Methoden ihn bei Kollegen und Vorgesetzten unbeliebt machen, aber deren Effektivität sich kaum abstreiten lässt.

Gammelig, unrasiert und immer eine Handvolle Bourbon im Halfter, das ist Det. Ben Shockley, der für seinen neuen Vorgesetzten Commissioner Blakelock (William Prince, Network) einen angeblich einfachen und relativ unbedeutenden Job erledigen soll. Für einen Gerichtsprozess muss ein inhaftierter Zeuge von Las Vegas nach Phoenix befördert werden. Warum man für so einen „unbedeutenden“ Zeugen überhaupt so einen Aufwand betreibt und man sich handverlesen für den Schandfleck des Reviers entscheidet, sollte einem normalerweise schon zu denken geben, aber Shockley hat tendenziell immer einen Grundpegel, der fragt sich so etwas bestimmt nicht. Das es sich bei Häftling „Gus“ nicht wie erwartet um einen schmerbäuchigen Hinterwäldler, sondern auch noch um eine äußerst attraktive wie nicht auf den Mund gefallene Prostituierte (Sondra Locke, Willard) handelt, ist für Frauenversteher Ben eine zusätzliche Belastung. Die muss mit einer väterlichen Schelle gleich zu Beginn erstmal zur Vernunft gebracht werden, das Gekeife hält ja der dickste Brummschädel nicht aus. Das Odd Couple hat natürlich keine unbeschwerte Reise, denn es entwickelt sich ein wahrer Spießroutenlauf (siehe OT: The Gauntlet), da plötzlich die gesamte Polizei gleich zweier Bundesstaaten ihnen nach dem Leben trachtet. Wie konnte das denn wohl passieren?

Die Story ist natürlich schlicht wie drei Meter Feldweg, bar jedweder Logik und vorhersehbar ohne Ende, aber das muss so einem Film gar nicht mal zwingend im Weg stehen. Das soll einfach nur ein cooler Reißer sein, bei dem sich Clint Eastwood so in Szene setzt, wie er sich (mindestens) damals wohl am liebsten sah. Als kompromisslosen, knurrenden Spielverderber vom Dienst, dem das Testosteron wie Schaum vorm Mund quillt. Geleitet von einem hübsch anzusehenden Mitbringsel, welches nach einem holperigen Start selbstverständlich irgendwann unweigerlich dem Charme (?) dieses ultra-chauvinistischen Arschlochs verfällt – vermutlich aus Mangel an Alternativen oder einer unangenehmen Mischung aus Stockholm Syndrom und Vaterkomplex, irgendwie so was. Eastwood und Locke waren zu der Zeit ja tatsächlich ein Paar und es lässt sich nur hoffen, dass es im Real Life wenigstens drei bis vier Stufen romantischer zwischen ihnen zuging. Das hier dargestellte Frauen- und – nennen wir es mal vorsichtig – „Beziehungs“-Bild ist definitiv eher gruselig. Nachdem sich „Gus“ für ihren Ben beinah vergewaltigen lässt, schenkt er ihr hinterher immerhin ein Paar Blümchen. Der weiß, was sich gehört. Wobei, so ekelhaft wie hier manch andere Mannsbilder dargestellt werden (Stichwort: Streifenpolizist) und wie abfällig sich selbst weibliche Kolleginnen über „die Hure“ äußern, da kann Old Dirty Clint beinah schon wie ein Gentleman wirken.

Wie kam es denn eigentlich zu besagter Fast-Vergewaltigung? Ach ja, Shockley musste ja ein Motorrad konfiszieren. Aus diesem Grund bedroht er eine (bis dahin vollkommen friedliche) Biker-Gang mit seiner Waffe und macht ihnen ganz klar deutlich, dass er als Bulle so ein asoziales Gesocks wie sie ohne Probleme einfach über den Haufen ballern darf. Jawoll. Das die später nicht so gut auf ihn zu sprechen sind, grundsätzlich nachvollziehbar. Legitimiert natürlich keine versuchte Vergewaltigung, dennoch offenbaren diese Szene ganz unverblümt die erzkonservative Weltanschauung, die ein Clint Eastwood bis heute noch vertritt. Da gibt es nur Schwarz und Weiß, Recht und Unrecht. Und ein kriminelles Subjekt definiert sich allein schon über sein Äußeres oder seinen gesellschaftlichen Status. Erst recht bei solchen „Punks“. Naja, dass es hier äußerst reaktionär zur Sache gehen wird, dürfte eh niemanden überraschen, aber auch bei so was gibt es schon noch ein gewisses Fingerspitzengefühl, was sich hier nicht gerade als Stärke von Eastwood herausstellt. Die liegen dafür ganz klar in der handwerklichen Inszenierung. Denn eines lässt sich bei aller Kritik kaum abstreiten: Eastwood war schon damals ein formell sehr begabter Regisseur. Das sieht mitunter sogar hervorragend aus, gerade bei den teilweise extrem bleihaltigen Actionszenen wird ordentlich aufgefahren und diese in einen entsprechenden Rahmen gesetzt. Highlight ist dabei unbestritten die wuchtige „Bus-Tour“ im Finale, welche deutlich in Erinnerung bleiben sollte.

Fazit

Ohne die narzisstische Selbstdarstellung und vor allem die vielen, zum Teil schwer unangenehmen Details, die eine extrem konservative bis beinah mittelalterliche Weltanschauung unverblümt offenlegen, könnte „Der Mann, der niemals aufgibt“ als handwerklich astrein inszenierte Reißer mühelos sein Ziel erfüllen. Rein formell an sich sehr schön anzusehen, mitunter aber schon mit hohem Fremdschäm-Faktor. Diesbezüglich funktioniert das Remake „16 Blocks“ von 2006 deutlich besser.

Autor: Jacko Kunze
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