Inhalt
Frankie (Frank Sinatra) ist heroinabhängig und saß gerade im Gefängnis. Jetzt möchte er sein Leben ändern, doch die Resozialisierung gestaltet sich schwieriger als erwartet. - Otto Preminger legt in mit Der Mann mit dem Goldenen Arm eine der ersten Charakter- und Sozialstudien eines Junkies vor.
Kritik
„Der Affe ist nicht tot, Frankie. Der Affe wird auch nie sterben. Wenn du ihn wegjagst, lauert er in einer Ecke und wartet auf dich!“
Der Mann mit dem goldenen Arm zählte 1955 überraschend zu den erfolgreichsten Filmen seines Jahrgangs, weniger überraschend auch zu einem der am meisten diskutierten. Dem Exil-Österreicher Otto Preminger (Laura) legte mit seiner Romanverfilmung einen mittelschweren Skandalfilm hin, betrachtet man den damals noch sehr „cleanen“ Umgang mit illegalen, harten Drogen im Film (ganz besonders natürlich in Hollywood). Heute hat er diese Schockwirkung natürlich schon lange nicht mehr inne, der „Stoff“ wurde über die Jahrzehnte schon weitaus schonungsloser (Requiem for a Dream) oder sogar in nicht mahnender Zeigefingerform (Trainspotting) und dennoch keinesfalls verharmlosend vorgetragen. Die allgemeine Aufklärung, das Bewusstsein und die Präsenz von Drogen in jeglicher Form und jeder Gesellschaftsschicht ist kein Tabuthema mehr. Es lässt sich einfach nicht totschweigen…und mit Sicherheit ist auch die Toleranzschwelle immer mal wieder auf- und abgegangen, zumindest was die nicht unmittelbaren „Todes-Drogen“ betrifft. Um einer dieser unbestreitbar fatalen Substanzen dreht es sich hier, vermutlich um die böse Stiefmutter aller Rauschmittel: Heroin.
Goldkehle, Lebemann, Frauenschwarm, Männeridol, Wise Guy, Superstar, Charisma-Riese und (deshalb auch) Hollywood-Star Frank Sinatra (Botschafter der Angst) ist Frankie Machine. Der Mann mit dem goldenen Arm. Dieser goldene Arm gibt Karten aus wie kein Zweiter, spielt seit Neuestem hochtalentiert Schlagzeug mit echten Zukunftsaussichten, neigt aber auch dazu, sich mit Gift vollzupumpen. Vor mehreren Monaten wegen seiner (Karten)Dealer-Tätigkeit am illegalen Groß-Zocker-Spieltisch verurteilt und aufgrund seiner Heroinsucht „nur“ in die Reha geschickt, ist er nun zurück in seinem alten Viertel. Clean und willig, ab sofort nicht mehr abzurutschen. Kein durchzockten Nächte mehr, keine bestenfalls halb-legalen Mauschelein und erst recht kein Dope mehr. In der Klinik hat er sich – um den nervösen Körper & Geist im Zaum zu halten - auf das Schlagzeugspielen konzentriert, seine Fähigkeiten ausgereift und will nun damit die Brötchen für sich und seine nach einem von ihm verursachten Autounfall an den Rollstuhl gefesselten Ehefrau „Zosh“ verdienen. Leichter gesagt als getan, denn allen guten Vorsätzen und positiven Perspektiven zu Trotz: Alles andere als ein kompletter Umbruch wird unweigerlich wieder an den Rand des Abgrunds führen. Und wie es 35 Jahre später selbst ein Michael Corleone in Der Pate III feststellen musste: „Gerade als ich dachte ich bin draußen, ziehen sie mich wieder rein“. Und in dem Fall in der Tat (fast) alle.
Thematisch damals gewagt und in weiten Teilen gar schonungslos schildert Otto Preminger das Scheitern von Resozialisierung und Suchtbekämpfung, wenn selbst motivierte und eines Besseren belehrte, eigentlich geheilte, arme Seelen lediglich wieder vor die Tür geschubst werden und alleingelassen nun im alten Teufelskreis wieder Fuß fassen sollen, was selbstverständlich romantisch-naiver Blödsinn ist. Unter diesen speziellen Bedingungen besonders. Frankie’s überschaubare Welt besteht nur aus einem fatalen Viereck. Sein armseliger Wohnblock, in dem er oben mit der durch sein Verschulden verkrüppelten, völlig hysterischen und ihm ohne Unterlass mit (nur grob als indirekt zu bezeichnenden) Vorwürfen an sich kettenden Gattin haust, untern lebt seine ehemalige und immer noch begehrte Geliebte (Kim Novak, Vertigo – Aus dem Reich der Toten), die aufgrund der tragischen Umstände ignoriert werden muss. Dann gibt es die Kneipe, in der sich das ganze Gesindel trifft. Die alte Spielhölle nebenan und natürlich die Wohnung vom Pusher seines damaligen Vertrauens auf der anderen Straßenseite, der ihn nach wie vor lockt wie ein Schulkind mit einer Tüte Bonbons. Na, wenn das keine rosigen Perspektiven sind.
Der Mann mit dem goldenen Arm hat eigentlich nur ein echtes Problem, dass leider kaum zu ignorieren, damals aber sicher nicht so stark ins Gewicht gefallen ist (oder konnte). Eben da sich der Film an einer in dieser Intensität nahezu unbehandelten Milieustudie probiert wirkt er oft so, als müsse man sich auf die Aussagen von Beteiligten verlassen und vermische das mit Vorstellungen, Stereotypen und Klischees, die damals halt der Norm entsprachen und dem wenig aufgeklärtem, in Watte gepacktem Ottonormalbürger transportieren konnten, das nicht jeder Rauschgiftsüchtige automatisch ein schlechter Mensch sein muss. Unnötig angereichert mit zu skurrilen Neben(Witz)Figuren und diversen Ausreißern bei den Schurken-Charakteren wie den Dialogen in Richtung Schul-Aufklärungsfilmchen („Die erste Spritze war umsonst…“ oder DER Klassiker: „Ich kann aufhören wann ich will!“) wirkt der Film sicherlich ein Stückchen antiquiert, überholt und zwar eine Szene darstellend, aber nicht richtig erforschend. Oder sie nicht in aller Direktheit darstellen zu wollen, eventuell noch der letzte Rest Zugeständnis an die alten Sehgewohnheiten.
Ein deutlicher Haken, der aber hauptsächlich dem zeitlichen Kontext zuzuschreiben ist und betrachtet man dagegen die an sich starke Dramaturgie, besonders im enorm intensiven Schlussdrittel, dann ist das tatsächlich nur ein gesellschafts- wie historisch-cineastischer Randaspekt. Oder die letzte, aber sichtlich gerissene Hürde zum echten, zeitlosen Hit. Denn was der Film per se erzählt, ist von tiefer Tristes und ehrlicher, bemühter und aufrüttelnder Kompromisslosigkeit gezeichnet. Eine – trotz Mängeln in der detaillierten Darstellung – harsche Charakterstudie und ein drastisches Unterwelt-Drama, das auf interessante Konfliktsituationen baut (speziell die Co-Abhängigkeit bzw. die forcierten Manipulation von Frankie’s Ehefrau) und von einem Frank Sinatra mindestens gestützt, wenn nicht sogar getragen wird, der gerade den kalten Entzug mit ungeahnter (darstellerischer, nicht im zeitlichen Rahmen korrekter) Authentizität verkörpert. Gut, er wusste wohl was er da macht. Unabhängig davon…
Fazit
Ein gewagter, drastischer wie gut entwickelter Plot, mit einem engagierten (und wohl nie besseren) Frank Sinatra, nur die Detailschraube hat so ihre Umdrehungsprobleme. Unnütze Charakterüberzeichnungen mit dem Hang zum argen Klischee bis hin zum Cartoon-Sidekick, inklusive einem überhastet-wirkendem Schlusspunkt (dabei wird der Film im Endspurt eigentlich saustark) trüben den Genuss aber eindeutig.
Autor: Jacko Kunze