Inhalt
Ganove „Dandy“ kehrt aus den USA zurück nach Berlin. Der pensionierte Oberlandesgerichtsrat Zänker konnte ihn seinerzeit niemals verurteilen, nun will er ihn mit den eigenen Waffen schlagen. Dank eines Spitzels immer über den nächsten Coup von Dandy und seiner Bande informiert, kommen er und seine Freunde – alle ebenfalls rüstige Senioren – ihnen jedes Mal zuvor und stehlen den Gaunern das Diebesgut vor der Nase weg. Während bei Dandy langsam die Nerven blankliegen muss sich Zänker jedoch hüten, nicht dem eigenen Schwiegersohn ins Netz zu gehen, der als Kommissar die Diebstähle untersucht.
Kritik
Allein vom Cast ist „Die Herren mit der weißen Weste“ eigentlich schon einen Blick wert. Die Krimikomödie von Regisseur Wolfgang Staudte („Der Seewolf“) und Drehbuchautor Horst Wendlandt (einer der größten deutschen Produzenten, u.a. verantwortlich für zahlreiche Edgar-Wallace-Verfilmungen sowie die Kinofilme von Otto Waalkes und Loriot) versammelt eine ganze Garde bekannter Gesichter und aufstrebender Namen, darunter Martin Held („Rosen für den Staatsanwalt“), Walter Giller („Die Feuerzangenbowle“), Heinz Erhardt („Unser Willi ist der Beste“), Rudolf Schündler („Der Exorzist“), Herbert Fux („Hexen bis aufs Blut gequält“), die junge Hannelore Elsner („Jesus liebt mich“) und natürlich Mario Adorf („Rossini, oder die mörderische Frage, wer mit wem schlief“) als Lebemann-Gangster „Dandy“. Allgemein gilt der Film als eine der besten deutschen Produktionen ihrer Zeit und hat sich einen gewissen Kultstatus erarbeitet. Aus heutiger Sicht betrachtet sagt das sehr viel – und nicht gerade Gutes – über den damaligen Zustand des heimischen Unterhaltungskinos, woran sich bis heute nicht allzu viel geändert hat. Was wohl als flotter, frecher Spaß gelten soll, ist grundsätzlich kaum weniger spießig und verklemmt-heiter als das sonstige Mottenkistenrepertoire der Nachkriegsgassenhauer.
Mehr als ganz vorsichtige Ansätze eines Ausbrechens aus der gängigen Kaffeekränzchen-Unterhaltung gibt es nicht zu sehen und bevor das zu gewöhnungsbedürftig oder gar verschreckend für Heinz und Hilde beim Kinobesuch wird, verlässt man sich lieber auf altbewährten, gutbürgerlichen Biedermannhumor zum harmlosen Vor-sich-hin-Kichern. Einzig und allein Mario Adorf als charismatischer Ganove und Hannelore Elsner als sexy Gauner-Groupie bringen etwas frischen Wind in Omas überheizte Stube, versprühen noch dieses jungen Flair der ausklingenden Swinging-Sixties, während ihre dödeligen Partner lediglich das Bild der unfähigen Handlanger bedienen, die sich ohne eine starke, führende Hand wohl kaum die Nase putzen könnten. So stellte man sich damals wohl „krumme Typen“ vor, Charakterfresse Herbert Fux ist als trottelige Karikatur da natürlich völlig verschenkt, ebenso seine Kollegen, die nur ein doofes Gesicht ziehen, Stichworte geben oder müde Running-Gags raushauen dürfen („…wie bei Al Capone…“), die schon beim ersten Mal nicht lustig sind. Generell ist das Motto: Die „Jungen“ (also alle unter 65) laufen als nichts-peilende Volldeppen durch die Gegend (so auch Walter Giller als Ermittler, der dem kriminellen Schwiegerpapa nicht auf die Schliche kommt und wie ein hilfloser Schuljunge wirkt), die Alten führen alle hinters Licht und rauben mit Leichtigkeit das Olympiastadion (mit einem Staubsauger!) oder einen Juwelier aus, damit dürfte die Zielgruppe des Films doch schon klar sein. Heinz und Hilde bekommen das Gemüt gepudert, die rüstige Rentner-Truppe sticht sie alle aus. Heißa, ist das lustig…
Es staubt und mieft aus allen Ecken und Enden, wenn drollige Spässken mit Omas Schwerhörigkeit gebastelt werden (der Klassiker) oder Publikumsliebling Heinz Erhardt in einer total überflüssigen Nebenrolle ins Bild geschubst wird und immer wieder noch’n Gedicht raushauen muss, damit seine Fans auf ihre Kosten kommen und der piefigen Nummer künstlicher Schwung verliehen werden soll. Daran sieht man schon, wie „modern“ und „anders“ diese blütenweiße Räuberpistole für das Prime-Time-Programm des Mitteldeutschen Rundfunks doch eigentlich ist und schon damals war. Vorschnell sogar von einigen Stellen als Satire bezeichnet, ja auf was denn bitte? Das ist nichts großartig Anderes als der übliche Spießbürgerjux ohne Biss und Mut, dafür mit Corega Tabs und selbstgehäkelten Eierwärmern. Wenn man dagegen mal schaut, was andere Länder zu der Zeit so gemacht haben, offenbart sich „Die Herren mit der weißen Weste“ als typisch deutsch im negativsten Sinne. Vielleicht für das 08/15-Publikum der Generation Heintje tatsächlich ein schnippischer Sonderling, aber das wäre auch ein Gartenzwerg mit Sonnenbrille. So in etwa kann man sich diesen Film vorstellen.
Fazit
Topbesetzt und im Vorhaben eventuell mal ganz interessant, wagt „Die Herren mit der weißen Weste“ keinerlei großen Experimente und bietet brave, knitterfreie Unterhaltung für Vati und Mutti Mustermann aus der langweiligen deutschen Mittelschicht anno 1970, damit sie sich vom Kuchenbacken und Putzen, er vom Pfeiferauchen und der anstrengenden 8-16 Uhr-Arbeitswoche im Büro oder bei der Post erholen kann. Über das Bisschen Gangstermilieu-Getue aus der Hausfrauenzeitschrift würden sich z.B. die Franzosen kaputtlachen oder beschämt zu Boden blicken. Aber wir, wir adeln das noch. Sieht da jemand Parallelen zu dem, was heute so erfolgreich in unseren Kinos läuft? Leider ja, da hat sich nicht viel getan, nur das Genre ist ein anderes. Hauptsache erprobt und bloß nicht aus der Reihe tanzen, nur so tun, das reicht schon.
Autor: Jacko Kunze