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Quelle: themoviedb.org

Inhalt

24. März 1476 Bei der jährlichen Winteraustreibung im fränkischen Niklashausen erklärt der Hirte Hans Böhm den versammelten Bauern, eine Offenbarung gehabt zu haben. Die Mutter Gottes sei ihm erschienen und habe ihm aufgetragen, ihr Wort zu verkünden. Bald kommen tausende Bauern aus Sachsen, Bayern, Schwaben, Hessen und Thüringen nach Niklashausen, um seinen Reden zu lauschen. Er fordert die Abschaffung der Zwangsabgaben und eine Gleichstellung aller Menschen. Die Bauern sind begeistert, doch als der Bischof Böhm festnehmen lässt, bleiben sie passiv und hoffen auf ein Wunder.

Kritik

Die deutsche Filmemacherlegende und damalige Energiebombe Rainer Werner Fassbinder hat bekanntlich in einer Zeit von etwas über zehn Jahren um die vierzig Filme inszeniert. Das ist eine unglaubliche Leistung, schwer zu toppen, wahrscheinlich auch, weil heute niemand mehr gewillt ist, so viele aufputschende Drogen zu nehmen, um den Rhythmus zu halten. Die Substanzen führten schließlich zu Fassbinders Tod noch bevor er vierzig wurde. Sie brachten Fassbinder aber auch dazu eine Menge von überaus interessanten Filmen zu produzieren. „Arbeit ist für mich so lustvoll dass ich das gar nicht so richtig trennen kann - Arbeit und Leben.“ sagte der König des „Clans“ einmal. Das merkt man seiner Filmographie an.

Die Niklashauser Fart“ war eine TV-Produktion, die als Verfilmung eines historischen Stoffes vorgesehen war. Namentlich geht es um den Viehhirten Hans Böhm (hier gespielt von Michael König), der im 15. Jahrhundert bekannt wurde, weil er soziale Gleichheit predigte und innerhalb kurzer Zeit abertausende Anhänger fand - bis er vom Bischof aufgrund von Ketzerei verurteilt und hingerichtet wurde. Nun wäre aber Rainer Werner Fassbinder nicht eben jener, wenn er es dabei belassen würde. Stattdessen hat er - nach eigener Aussage recht kurzfristig - entschieden, die Geschichte nicht im 15. Jahrhundert spielen zu lassen, sondern in einer nicht identifizierbaren Gegenwart. So tragen zwar manche Figuren traditionelle Trachten, jedoch finden sich auch Autos, Maschinengewehre und Lederjacken wieder. Fassbinder wollte keine temporäre Geschichte erzählen, sondern eine zeitlose. Eine Parabel quasi, wie sie das epische Theater von Bertold Brecht berühmt machte. Das gelingt ihm.

So passt auch der nüchterne und statische Stil von Fassbinders Inszenierung durchaus zu der theaterhaften Ausführung. Ab und zu bewegt die Kamera sich parallel zum Geschehen, viel häufiger aber wird der Zoom hier verwendet - zum Großteil aber wählt Fassbinder einen Bildausschnitt und lässt die Kamera bewegungslos ausharren, während die Charaktere für die nötige Dynamik sorgen. Ein weiterer Punkt, der deutlich ans Theater erinnert, ist die Rede, die Günther Kaufmanns Charakter zum Ende hält, während er das Publikum direkt anschaut. Das kann man durchaus als dick aufgetragen erachten und auch lässt sich nicht abstreiten, dass „Die Niklashauser Fart“ immer wieder dazu neigt, die Geduld zu strapazieren, so finden sich doch vermehrt interessante Moment in diesem Werk wieder.

Zu Anfang reiht Fassbinder hier Szenen aneinander, in denen Figuren den Anspruch auf Richtigkeit für sich und ihre Gruppe verlangen. Erst ist es eine Zelle, die eine Revolution plant, dann genannter Viehhirte, der von der Zelle engagiert wird, um Predigten zu halten und möglichst viele Menschen von ihren Ansichten zu überzeugen. So sagt er, Maria und der Herr würden mit Abscheu auf jene blicken, die den Status Quo fraglos akzeptieren, anstatt um Gerechtigkeit zu kämpfen. Dass auf jene Nichtsnutze nur Strafe warten würde. Aus dem Viehhirten aus dem 15. Jahrhundert wird ein Viehhirte aus „irgendwie jetzt so“, der sich für soziale Gleichheit spricht, womit Fassbinder klar das Gedankengut der damaligen linken Strömungen annimmt, reflektiert und ein Stück weit auch verbreitet - nicht jedoch in einer Form, wie man es heute am ehesten mit „linken Revolutionen“ verbinden würde.

Doch auch damals wurden schon schnell Stimmen laut, die Fassbinder vorwarfen, „Die Niklashauser Fart“ sei ein „Aufruf zum Klassenkampf“ - ein Vorwurf, der eindeutig zu verneinen ist. Denn selbst wenn die Figuren hier letztendlich in den Krieg ziehen, werden sie als tragische Revoluzzer gezeigt, als Menschen, die erst zu spät erkennen, wie einsam sie am Ende sind. Einmal mehr passt hier ein Zitat von Fassbinder, der sich anscheinend stets selbst erklären musste, um nicht von den verängstigten Massen gelyncht zu werden: „Für Anarchie bin ich nur wenn sie friedlich ist - eine Anarchie der Phantasie.“ Ein Satz, der sich sinngemäß in dem Epilog des Films wiederfinden lässt. Gerechtigkeit durch eine gewalttätige Revolution ist unwahrscheinlich, das zeigt Fassbinder hier deutlich, stattdessen setzt er auf eine der friedlichen und intellektuellen Instanz.

Fazit

Rainer Werner Fassbinder hatte kein Interesse daran, eine Geschichte von anno dazumal zu erzählen, sondern eine, die 1970 und auch heute noch aktuell ist. Eine, die sich mit der Macht der Aristokratie, dem Glaubensmissbrauch und der gesellschaftlichen Ungleichheit beschäftigt. Das ist auch knapp fünfzig Jahre später noch erschreckend zeitgemäß. Fassbinders „Die Niklashauser Fart“ zeichnet sich immer wieder durch kleine Geniestreiche aus, wenn der Prediger im dunklen Schatten steht und quasi nicht auszumachen ist - so lässt sich seine Gestalt und sein Gesicht beliebig austauschen, mit Menschen von damals, heute und allen Zeiten, die noch vor uns sind. „Die Niklashauser Fart“ ist nie ein einfacher Film, teilweise auch etwas zu verkopft und durcheinander, aber stets interessant und hat immer das Potenzial, mit einer meisterhaften Idee um die Ecke zu kommen.

Kritik: Levin Günther

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