Es beginnt mit einem Paukenschlag; einer Ungeheuerlichkeit, die das deutsche Kino in dieser Form noch nicht über sich ergehen lassen musste. Karl Simon (Herbert Knaup, Anges und seine Brüder) und Heinz Schaefer (Hannes Jaenicke, Knockin' On Heavens Door), nicht nur gemeinsam im Dienste des Spezialeinsatzkommandos aktiv, sondern auch privat freundschaftlich miteinander verbunden, befinden sich auf dem Weg zum Krankenhaus. Heinz ist gerade Vater geworden, doch seine Frau Sunny (Meret Becker, Feuchtgebiete) hat ihm ein behindertes Kind geboren. Also schreitet er unaufhaltsam in Richtung Neugeborenenstation, öffnet den Brutkasten und tötet das Baby. Schläge, Tritte, Blut. Der markerschütternde Schrei einer Frau ertönt. Die vertrauensselig vom Himmel fallenden Sonnenstrahlen, die das Düsseldorfer Rheinufer auf der Fahrt zum Hospital beleuchtet haben, erweisen sich als Trugschluss.
Arglos ist in dieser Welt, in der Die Sieger angesiedelt ist, rein gar nichts, letztlich aus dem Grund, weil es unsere Welt ist. Regisseur Dominik Graf (Die geliebten Schwestern), der damals nicht zuletzt durch seinen grandiosen Action-Thriller Die Katze mit Götz George zu einem der spannendsten Filmemacher des Landes aufgestiegen ist, wollte die Grenzen der innerheimatlichen Kinolandschaft neu bemessen. Während es in Italien, Frankreich und den Vereinigten Staaten seit den 1960er Jahren Gang und Gäbe gewesen ist, harte Genre-Stoffe auf die Leinwand zu bringen, die nicht nur gesellschaftskritische Relevanz mit sich brachten, sondern auch mit erbarmungsloser Radikalität in die Abgründe ihrer Protagonisten abstiegen, musste man in Deutschland mit dem Tatort vorlieb nehmen. Ein grummelig-herzlicher Kommissar, der nach neunzig Minuten Laufzeit den jeweiligen Fall gelöst hat. Weiter zu den Spätnachrichten.
Kein Wunder, dass man Dominik Graf seinerzeit für diesen Film verdammt hat. Die Produzenten und Finanziers haben das 12 Millionen D-Mark schwere Projekt im Stich gelassen, vom ursprünglichen Drehbuch ist nur noch eine Rumpffassung übrig geblieben, es kam immer wieder zu Budgetkürzungen. Die zeitgenössische Kritik präsentierte sich dementsprechend gnadenlos, während der Film vom Publikum großzügig ignoriert wurde. Selbst Dominik Graf musste zugeben, dass Die Sieger ihn aus der Balance gebracht hat. Man merkt es dem zerfaserten Endergebnis auch durchaus an, dass hier ein Künstler zu Werk geschritten ist, dessen Ambitionen irgendwann zu einer Besessenheit geronnen sind, denen er nicht mehr nachkommen konnte. Dennoch – und das ist durchaus erstaunlich angesichts dieser horrenden Produktionsgeschichte – sollte man sich dieser Seherfahrung hingeben, weil sie nach wie vor eine Ausnahmeerscheinung im deutschen Kino einnimmt.
Die Sieger ist ein reinrassiger, stetig im eigenen Saft brodelnder Stimmungsfilm. Dominik Graf verschanzt sich in einem toten Punkt der nationalen Befindlichkeit und entfesselt flüchtige Gefühlswallungen, die sich aus immer extremen Ausformungen von Hektik, Angst, Verrat und Paranoia zusammensetzen. Gefangen zwischen äußerem Druck und innerer Anspannung, verfolgen wir ein SEK-Kommando, welches immer mehr mit der rohen Monstrosität korrupter Verwebungen innerhalb von Staatsapparaten konfrontiert wird. Dabei unterläuft Graf nicht nur gezielt festgefahrene Kriminalkonventionen auf der Handlungsebene, sondern zeichnet auch ein Männerbild nach, welches die damalige Zuschauerschaft schlichtweg überfordern sollte: Ein selbstzerstörerischer, teilweise fast schon suizidaler Testosteron-Haufen, dessen Souveränität mehr und mehr in Luft aufgelöst wird. Der Titel, Die Sieger, ist daher beinahe schon von einem beißenden Zynismus signiert. Gewinner nämlich gibt es hier keine, weder vor, noch hinter der Kamera.
Wobei, egal, wie viel Schweiß, Blut und Tränen Dominik Graf für die Umsetzung von Die Sieger auch vergossen haben mag: Am Ende, 25 Jahre nach der Premiere, kann er doch erhobenen Hauptes auf seinen Film zurückblicken. Formalästhetisch nämlich erweist sich der von unstillbaren Sehnsüchten geäderte Action-Thriller als eine inszenatorische Machtdemonstration. Die Set Pieces, gerade das sensationelle Finale im Karwendelmassiv, sucht in diesen Gefilden bis heute seinesgleichen. Mögen die Dialoge auch noch so papieren sein und die Gesten sich immer wieder einer affektierten Theatralik hingeben, die Bild- und Klangwelten, mit denen Graf über das Publikum hinwegwalzt, sind brachial, lärmend, übermütig, herausfordernd und deshalb so wunderbar. Hier beweist ein Filmemacher Risikobereitschaft, er traut sich, aufs Ganze zu gehen, auch aus dem vollen Bewusstsein heraus, dass er am Ende den Kürzeren zieht. Chapeau.